„The sex is in the heel“ – Kinky Boots Original London Cast Recording

Cover der Aufnahme
Cover der Aufnahme

Wenn es um Neuerscheinungen von Cast-Aufnahmen geht, verliert man schnell einmal den Überblick. Von den meisten Musicals gibt es auch recht schnell eine CD zu kaufen, die entweder die wichtigsten Nummern als “Highlights” beinhaltet oder – gerade bei deutschsprachigen Musicals sehr beliebt – Gesamtaufnahmen. Uns liegt nun die Londoner Cast-CD des mehrfach ausgezeichneten Musicals “Kinky Boots” vor. Was wir davon halten, lest ihr nun!

Die Notwendigkeit von Cast-Aufnahmen scheidet seit dem Überangebot diverser Aufnahmen des Kunze/Levay-Musicals “Elisabeth” die Musicalgemeinde: die einen finden es großartig, dass jede Veränderung, die so ein Musical im Laufe der Zeit durchmacht, dokumentiert wird, die anderen erkennen überhaupt keinen Sinn in Musical-CDs und finden, dass dabei das “Live”-Feeling verloren geht. Jede Fraktion hat hierbei gute Argumente, obwohl wir uns hier klar “pro Cast-CD” aussprechen. Denn neben der eigenen Erinnerungen, einem manchmal doch überteuerten Bildband und dem ganzen Schrank voller Tassen, ist eine Cast-CD vermutlich eine der stärksten Erinnerungen, die man von einem Musicalbesuch mit nach Hause nehmen kann.

Und nun gibt es auch von “Kinky Boots” bereits zwei Castaufnahmen: Eine vom Broadway und eine aus London. Vor kurzem waren wir in London und haben uns für euch Kinky Boots angesehen. (Unsere Eindrücke lest ihr hier.). Kurz gesagt: Wir waren begeistert. Kinky Boots ist mitunter eines der stärksten Musicals, die das West End derzeit zu bieten hat. Umso gespannter waren wir auch auf die CD. Denn wie es bereits Chicago und Legally Blonde bewiesen haben, sind die Londoner Geschwister der Broadway-CDs nicht zu unterschätzen.

So auch die Londoner Aufnahme von “Kinky Boots“. Zu allererst sei erwähnt, dass diese Aufnahme nun wirklich „live aufgenommen“ ist. Das heißt, dass gesprochene Zwischenpassagen vorhanden sind, was einem ein wesentlich besseres Gesamtbild über die Handlung gibt. In den Grundzügen gibt es nur wenige Veränderungen an der Musik, soviel sei zuerst erwähnt. Keine Nummer wurde neu komponiert, es gibt in diesem Sinn kein neues Lied, welches ein anderes ersetzt oder nennenswert ergänzt. So beispielsweise beim großen Finale “Raise you up”, wo nun neben gesprochenem Text auch ein äußerst britisches Thema angedeutet wird, ehe der Song seinen bekannten Ablauf nimmt. Und auch wenn die Übergänge zwischen den Titeln nun wesentlich weicher und flüssiger sind und deswegen oft den Eindruck erwecken eine Gesamtaufnahme zu sein, fehlen dann doch genügend essentielle Sprechpassagen um die Aufnahme als solche zu bezeichnen. Ebenso wurden einige kleinere Änderungen vorgenommen, die nun eher an die britischen Sprachgewohnheiten angepasst sind und mit den wirklich authentischen britischen Akzenten der Darsteller harmoniert.

Zu hören ist durchweg die Londoner Erstbesetzung. Killian Donnelly singt und spricht den Erben der Schuhfabrik “Price and Son”, der von Nummer zu Nummer zu begeistern weiß. Amy Lennox gibt eine wesentlich frechere und humorvolle Lauren als beispielsweise Annaleigh Ashford auf der Aufnahme des Broadways was unter anderem an dem reizenden britischen Akzent und ihrer Betonung liegt. Ihr “History of wrong guys” mausert sich zu einem kleinen Highlight auf der CD. Dragqueen Lola wird stimmgewaltig gesungen von Matt Henry, der vor allem in der Live-Aufnahme herausholt, was rauszuholen geht – Hut ab!

Der gebotene Musikstil ist ungewöhnlich für ein Musical und keinesfalls klassisch. Komponistin Cindy Lauper, international vor allem seit den 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts bekannt, hat für dieses Musical interessante Stücke geschrieben, die vor allem mit dem Synthi-Elektro-Sound der Live-Band gut zur Geltung kommt. Generell scheint sich die Komponistin an den Klängen ihrer eigenen Hochphasen orientiert zu haben. So erinnert “History of wrong guys” ganz dezent an “Girls just want to have fun” (damals komponiert von Robert Hazard).

Die Aufmachung der CD ist einfach, wenn auch hübsch anzusehen. Das Design des Covers unterscheidet sich kaum von der CD des Broadways. Lediglich der Stiefel des linken Fuß wurde nun in den Farben Großbritanniens gestrichen. Das Booklet enthält neben einigen Bildern vor allem die Texte zu allen auf der CD befindlichen Songs inklusive der gesprochenen Passagen.

Wer nun also vor der Entscheidung steht, welche CD er sich kaufen sollte, wenn er sich für eine entscheiden müsste, dem empfehlen wir ohne zu Zögern diese, da sie unterm Strich eine bessere Übersicht über die musikalische Vielfalt des Musicals gibt und einen vermutlich eher an den Musicalbesuch erinnert als die Studioaufnahme vom Broadway. Wem jedoch die vielen gesprochenen Passagen missfallen, dem sei von dieser Aufnahme abgeraten.

Die CD ist seit Anfang April im Handel erhältlich.