Dass Tanzfilme aus den 80ern ihren Weg auf die Bühnen finden, ist nichts Außergewöhnliches. Seit dem Aus in Oberhausen tourt alle Jahre wieder “Dirty Dancing” durch die Nation und auch am Staatstheater Darmstadt konnte man erst vor kurzem noch mit “Flashdance” große Erfolge feiern. Da liegt die Annahme doch nah, dass man soetwas auch mit einem anderen Tanzfilm aus dieser schrägen Zeit wieder schaffen könnte. Die Rede ist hierbei vom Musical “Footloose”, das Ende September Premiere in Darmstadt feierte. Ob sich eine kleine Zeitreise in die 80er lohnt und warum es doch ganz anders ist als “Flashdance” möchten wir euch nicht vorenthalten.
Zunächst sei gesagt, dass Footloose mit Kevin Bacon in der Hauptrolle ein zeitloser Klassiker ist und auch die Verfilmung von 2011 daran nichts ändern kann. Das liegt nun weniger an einer hochdramatischen Handlung oder einem ergreifenden Schauspiel. Es sind viel mehr die Emotionen, die man mit dem Ansehen des Filmes verbindet. Fast jeder, der den Film irgendwann im Laufe seines oder ihres Lebens gesehen hat, verbindet eine Erinnerung mit diesem Film und selbst wenn es nur das Gefühl der 80er oder der jugendlichen Rebellion ist. Umso größer sind also auch die Fußstapfen, in die man mit einer Bühnenadaption treten muss. Da macht es wenig Sinn, dem Film nachzueifern und die Optik zu kopieren.
Auch wenn die Handlung im Musical grob betrachtet die gleiche wie im Film ist, so ist es in der Inszenierung in Darmstadt doch anders genug, um alleine zu stehen und die Geschichte auch für die begreifbar zu machen, die den Film nicht gesehen haben. Denn, wenn man ehrlich ist, sowohl im Musical als auch im Film lässt sich die Handlung mit wenigen Sätzen zusammenfassen: Ein Pfarrer verbietet das Tanzen in einer amerikanischen Kleinstadt, ein Neuling rebelliert dagegen. Das ist grob betrachtet alles, worum es hierbei geht. Das drumherum muss man nun nur noch passend auskleiden.
Regisseur Erik Petersen, der zuletzt auch “Evita” in Darmstadt inszeniert hat (unseren Bericht findet ihr hier) beweist hierbei eine große Menge Fingerspitzengefühl dabei, die Stimmung auf der Bühne einzufangen, zu bündeln und dem Zuschauer in eindrucksvollen Momenten anzubieten. Das schaffte er auch bereits bei Evita, wobei ihm hierbei auch ein wenig der hochdramatische Stoff in die Hände spielte. Für die Choreografien zeichnet sich auch hier wieder Sabine Arthold verantwortlich, die gezielt zeitgenössische Tanzschritte verwendet, ohne dabei die Situation zu gestellt wirken zu lassen. Gerade die Eröffnungsnummer wirkt hier sehr natürlich und wie eine Momentaufnahme, ehe diese durch den einsetzenden Gesang gebrochen wird und ein Musical markiert.
Auch bei “Footloose” ist ein junges und ausgesprochen motiviertes Ensemble am Werk. Allen voran Lucas Baier als Ren McCormack, der den rebellischen Geist der Rolle ausgesprochen gut verkörpert und bei dem es gerade beim sehr natürlichen Schauspiel vom Sybille Lambrich als Ariel Moore zu emotionalen Höhepunkten des Abends kommt. Publikumslieblinge sind eindeutig Benjamin Sommerfeld als Willard und Beatrice Reece als Rusty. Während das Schauspiel von Sommerfeld fast schon ein wenig zu übertrieben Slapstick-lastig wirkt, bringt er doch gerade damit immer wieder das Publikum zum jubeln und sorgt für den ein oder anderen Szenenapplaus. Beatrice Reece rockt einfach von der ersten Szene schon ihre Rolle. Ihr “Let’s hear it for the boy” wurde zurecht mit langem Applaus belohnt. Michael Pegher in der Rolle des Reverend Shaw Moore wirkt fast ein wenig zu jung für die Rolle, wo er optisch doch kaum älter als seine “Tochter” Sybille Lambrich ist. Das gleicht er aber mit ergreifendem Schauspiel und einer sehr klassichen Gesangsstimme aus, was im starken Kontrast zu seiner Rolle des Conferenciers in Cabaret steht, die er zuletzt in der Spielzeit 14/15 in Darmstadt verkörperte. Ihm zur Seite steht Jessica Kessler als dessen Frau Vivian Moore. Die mütterlich fürsorgliche Rolle steht ihr gut und ihre Stimme ist und bleibt ein wahrer Genuss. Gerade die Auseinandersetzungen mit Reverend Moore oder Ariel werden von ihr mit einer schauspielerischen Selbstverständlichkeit getragen.
Das Musical enthält so ziemlich alle Songs, die auch im Film vorkommen und einige Titel, die eigens von Tom Snow für das Musical geschrieben wurden. Alle Songs sind allerdings auf Englisch und wirklich im Ohr bleiben auch nur die bekannten Songs aus dem Film. Diese bringen wiederum nur selten die Handlung voran und beschreiben eher die gerade dargestellte Stimmung, während die Kompositionen von Tom Snow zur Handlung gehören.
Das Bühnenbild von Dirk Hofacker besteht aus einem drehbaren Mittelteil, das je nach Szene mal die Kirche von innen und außen (oder zweckentfremdet eine Turnhalle), eine Werkstatt, eine Bar oder eine schmale Gasse darstellen kann. Auf der rechten Bühnenseite sieht man Reverend Moores Haus samt Veranda und kleiner Treppe. Durch ein herunterfahrbares Prospekt lässt sich auch die Schule bespielen. Durch Projektionen werden Hauswandtexturen links und rechts dargestellt. Allerdings kommt es häufiger vor, dass die Darsteller diese Texturen öfter mal auch auf dem Gesicht liegen haben, was dann ein wenig die Illusion raubt. Das ist aber nur ein eher kleiner Wehrmutstropfen, der das Gesamtbild an sich keinesfalls ausschlaggebend trüben soll.
Footloose ist eine Geschichte der Rebellion gegen bestehende Gesetze und Verbote gegen die eigene Entfaltung. Während hierzulande auch am Karfreitag (wie an jedem stillen Feiertag) ein öffentliches Tanzverbot gilt, wird dies im Film und im Musical natürlich übertrieben dargestellt durch die Quasi-Diktatur von Reverend Shaw Moore, der in der religiösen Kleinstadt ein Machtmonopol genießt. Es ist auch ein wenig die Geschichte von Populismus, da Reverend Moore den tragischen Tod von vier feierwütigen Teenagern vorschiebt, um das Tanzverbot zu begründen und letztendlich durchzusetzen. In einer Zeit, in der es Frauen in Saudi-Arabien gerade erst durch couragierten Einsatz von Aktivistinnen gelungen ist, das Recht zu erwerben Auto zu fahren, wirkt ein Tanzverbot fast schon ein wenig banal. Doch im Prinzip ist es das gleiche: das Aufbegehren gegen Autoritäten und der Einstand für Gerechtigkeit. Bei Flashdance – auch ein sehr gelungenes Musical – hingegen kann man eher vergleiche zum klassischen Rollenbild der Frau und dem Ausbruch aus diesem Klischee sehen. Während Alex schon von Anfang an Schweißerin ist, verfolgt sie dabei auch als starke Persönlichkeit ihren Wunsch Balletttänzerin zu werden.
Alles in allem ist Footloose ein sehenswertes Musical in gelungener Inszenierung mit verstecktem Tiefgang. Karten und Informationen sind hier zu finden.