Die Theaterindustrie in der Krise – Ein Interview mit Kieran Brown

Kieran Brown beim WestEndLive 2017 (c) Lena Gronewold/Maybe Musical

Wer uns schon seit Beginn an treu ist, dem ist der Name sicher bereits ein Begriff: Kieran Brown. Er war einer der ersten Darsteller in unserer Interviewreihe und ist Maybe Musical von Anfang an eng verbunden.

Der gebürtige Schotte steht seit vielen Jahren in erfolgreichen Produktionen auf der Bühne, unter anderem in Phantom of the Opera, Les Miserables und Titanic. Zudem ist er mit den Barricade Boys erfolgreich unterwegs. Wie in Deutschland steht jedoch auch in England dank der Corona-Pandemie die Theaterbranche still und hier ist kaum absehbar, ob die Theater noch in diesem Jahr wieder öffnen können. Wir haben uns jetzt mit Kieran über die aktuelle Situation unterhalten.

Lena Gronewold: Danke, dass du dir die Zeit genommen hast mit uns zu sprechen. Wie gehts du mit den Herausforderungen um, die diese Krise für uns alle, insbesondere aber auch für die Theaterbranche mit sich bringt?

Kieran Brown: Immer gerne! Ich versuche jeden Tag zu nehmen wie er kommt. Es war in jedem Fall ein großer Schock für uns alle und wir versuchen uns der aktuellen Situation anzupassen. Die größten Sorgen sind natürlich finanzieller Art, da alle meine Jobs abgesagt wurden. Ich hatte einen vollen Terminplan für die kommenden Wochen und Monate und plötzlich wurde mein Kalender im März vom einen auf den anderen Tag komplett geleert, da alles geschlossen wurde.  Sogar die Jobs, die ich sonst zwischen den Konzerten und Engagements machen, waren keine Option mehr. Ich weiß, dass ich mit dieser Situation nicht alleine bin, aber je länger das ganze anhält, desto schwieriger wird es. Ich versuche optimistisch und gleichzeitig realistisch zu bleiben. Das ist manchmal gar nicht so einfach.

Lena Gronewold: Viele Darsteller geben nun online Konzerte oder Unterricht. Machst du das auch?

KB: Ja, ich habe auch ein paar Charity Konzerte gegeben und bin teil einiger aufgezeichneter Shows. Es braucht ein bisschen Zeit, um sich dem ganzen anzupassen und ich mache mir ehrlich gesagt Sorgen was meine Nachbarn denken.

Ich unterrichte auch viel über Zoom (Falls jemand Bedarf hat, meldet euch!). Ich unterrichte Leute von überall, unteranderem aus China, Großbritannien, Italien und gebe Workshops zu verschiedenen Stücken, wie dem Phantom, Wicked und auch Audition Trainings habe ich schon gemacht. Mn muss sich ein bisschen daran gewöhnen, dass das ganze nun online stattfindet, was auch nicht immer unproblematisch funktioniert, aber ich denke, dass das die neue Normalität ist, zu mindestens für den Moment.

Ich arbeite außerdem auch mit dem West End Musical Choir. Das sind Über 1000 Leute aus ganz Großbritannien und es ist großartig zu sehen, wie diese Leute durch das Singen ihre gute Laune behalten. Sie sind alle so wahnsinnig passionierte Sänger und das ist wirklich inspirierend. Außerdem überlege ich mein eigenes kleines Konzert auf die Beine zustellen, ich bin aber nicht sicher, ob sich das jemand anschauen würde…

Lot 666 – Backstage picture from The Phantom of the Opera
Copyright: @Kieran Brown

Lena Gronewold: Du hast neben anderen Aktivitäten auch eine Website eröffnet auf der du deine Fotografien zeigst und verkaufst. Wie bist du auf diese Idee gekommen?

Kieran Brown: Ich habe schon eine Weile, einfach als Hobby, fotografiert. Freunde haben mir schon vor Ewigkeiten gesagt, dass ich versuchen sollte meine Fotos zu verkaufen, aber ich habe das ganze immer nur als ein Hobby betrachtet. Als jetzt COVID-19 kam, habe ich geschaut, wie ich selber tätig werden kann, um meine Rechnungen zu bezahlen. Ich habe dann meine Bilder bei Picfair zum Verkauf angeboten und die Reaktion war unglaublich. Gerade zu Beginn waren die Verkaufszahlen unglaublich, auch wenn sie in letzter Zeit etwas weniger geworden sind, und das Feedback war sehr gut. Ich liebe es zu sehen, wie Leute meine Bilder bei sich aufhängen und freue mich immer über die Rückmeldung meiner Kunden. Inzwischen hängen meine Bilder in Wohnungen von New York über Wien bishin nach Singapore. Das macht mich stolz! Einen Teil der Einnahmen spende ich an zwei Hospize, die Krekbspatienten am ende ihres Weges begleiten, da auch diese Einrichtungen derzeit sehr schwer von der Krise getroffen sind.

Derzeit habe ich über 700 Bilder aus denen die Käufer sich ihre liebsten heraussuchen können. Die Bilder stammen von überall auf der Welt und viele zeigen exklusive Backstage Einblicke, die ich während meiner Zeit in den verschiedensten Theatern aufgenommen habe. Eigentlich ist für jeden Geschmack etwas dabei. Wer mal reinschauen möchte, kann dies unter kieranbro.Picfair.com. Ich empfehle immer nur den digitalen Download zu kaufen und das Bild bei einem lokalen Händler drucken zu lassen. So kann man eine Menge Geld sparen.

Lena Gronewold: Um einen Blick in die Zukunft zu wagen: Einige vermuten, dass die Theater erst spät in 2020, vielleicht sogar erst 2021 wieder eröffnen. Man kann sich kaum ausmalen was dies mit der gesamten Theaterbranche machen wird. Wie schaust du in die kommenden Monate?

Kieran Brown: Ich denke wir müssen abwarten und schauen, wie siech die Situation entwickelt. Ich hoffe, dass die Theater und die Live Auftritte vor Publikum bald zurückkehren, aber ich glaube auch, dass Spekulationen uns nicht weiterbringen. Die Dinge sind bereits angespannt und ich glaube es ist wichtig realistisch zu bleiben.

Lena Gronewold: Diese Zeiten sind für viele auch psychisch eine große Herausforderung. Wie schaffst du es positiv zu bleiben?

Kieran Brown: Meine Bildbearbeitung sorgt dafür, dass ich beschäftigt bin. Beschäftigung ist meiner Ansicht nach entscheidend. Das ist es was ich auch am Unterrichten mag. Es hilft einem sich auf Dinge zu fokussieren. Auch mal aus dem Haus zu gehen (und dabei die Abstandsregeln zu beachten) ist wichtig. Man muss zudem Kontakt zu Freunden und Familie halten. Nur gemeinsam stehen wir das durch!

Lena Gronewold: Wenn die Maßnahmen zurück gefahren werden und die Theater wieder öffnen. Was ist das erste was du tust?

Kieran Brown: Ehrlich gesagt –  Ein traditionelles britisches Sonntagsessen in meinem Lieblingspub, dem Cuts Sark in Greenwich. Außerdem würde ich gerne nach Schottland fahren und meine Familie besuchen. Ich habe meine Mutter seit Weihnachten nicht mehr gesehen. Außerdem plane ich ein paar Theaterbesuche. Ich möchte unbedingt Mary Poppins und Six sehen, wenn die Theater wieder öffnen und ich will nach Wien reisen. Die Theaterindustrie wird unser aller Unterstützung brauchen, wenn die Theater wieder öffnen. So können wir uns gegenseitig unterstützen!