„Zwei Welten, eine Familie“ – In Stuttgart werden die Lianen geschwungen

© Stage Entertainment
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Mit der Musik von Phil Collins wird im Apollo Theater in Stuttgart bereits ein in Hamburg erfolgreich gespieltes Musical gezeigt: Disney’s Tarzan. Die Geschichte über eine schiffsbrüchige Familie, die dem Angriff einer Raubkatze zum Opfer fällt, und der liebenswerten Adoption des letzten Überlebenden dieser Familie durch ein Gorillaweibchen, überzeugte bereits Millionen von Disney-Fans Ende des letzten Jahrtausends. Und nun wird die Musicaladaption in Stuttgart gespielt. Wir waren für euch in der Matinée-Vorstellung am 17.04. – Was wir vom Disney-Musical rund um Tarzan halten, lest ihr hier!

Die Geschichte unterscheidet sich kaum spürbar von der Disney-Filmvorlage: Ein Vater, seine Frau und deren Kind geraten in einen schweren Sturm auf hoher See, das Schiff kentert und die drei werden an Land gespült. Dort bauen sie sich ein Lager in den Bäumen, sind jedoch nicht sicher und die Eltern werden von einem Leoparden angegriffen und sterben. Etwa zur gleichen Zeit wird der Gorilladame Kala das Gorillajunge von einer ähnlichen Raubkatze – vielleicht sogar der selben – entrissen und getötet. Voll Trauer zieht Kala umher, findet das Menschenkind Tarzan und wird von diesem direkt mit der Ausscheidung von Körperflüssigkeiten begrüßt – was überraschenderweise für lauteres Lachen im Publikum sorgte, als man glauben sollte.

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Kala bringt das Kind zu ihrer Sippe, da sie gewillt ist, es großzuziehen, was ihr Silberrückenmännchen Kerchak aber absolut nicht gut findet, weil er echte Vertrauensprobleme zu Menschen hat. Tarzan wird mit der Zeit älter, freundet sich mit den anderen Gorillas an und irgendwann kommen dann andere Menschen, Forscher aus London, auf die Dschungelinsel. Und so nimmt das verworrene Unheil seinen Lauf, an dessen Ende Tarzan vor einer schwierigen Entscheidung steht, die ihm jedoch ganz unerwartet abgenommen wird.

Besetzungstechnisch stimmte an diesem Mittag wirklich alles. Tarzan wurde vom sympathischen Niederländer John Voojis gespielt, der seine Rolle voller Humor und völlig ohne hörbaren Akzent spielt und bereits in der Eröffnungsnummer jede Zweifel an seiner Stimme hinfortsingt. Im ersten Akt – sowie kurz im zweiten Akt – wurde Tarzan als Kind liebenswert von Sebastian Krech gespielt. Gorillamutter Kala wurde von Willemijn Verkaik gespielt, die gewiss wusste ihre Rolle mit dem nötigen Gefühl auszufüllen, jedoch ein bisschen wenig zu singen hatte, sodass man nicht wirklich in den Genuss ihrer Stimme kommt. Gorilla-Anführer Kerchak, gespielt von Jan Ammann, ist eine sehr undankbare Rolle, die aus wenig Gesang besteht und hauptsächlich darauf ausgelegt ist, primitiv auf die Brust zu trommeln und das klischeehafte Alphamännchen heraushängen zu lassen – keinesfalls das, was man von Jan Ammann erwarten würde. Dennoch macht sein Zusammenspiel, auch ohne Gesang, mit Willemijn Verkaik sehr großen Spaß.

An diesem Mittag wurde die Jane von Merle Hoch gespielt, die ihre zweideutige Neugier am unbekannten Affenmann wirklich sehr rührend spielt und mit einer glasklaren Stimme zu überzeugen weiß. Ihr Vater, Professor Porter, wurde von Peter Stassen gespielt, den man in dieser Rolle kaum wiedererkannte – Hut ab! Der aggressive Clayton wurde herrlich unsympathisch von Thorsten Ritz dargestellt.

Wenn man wirklich versucht eine gewisse Metapher in dem Stück zu erkennen, könnte man fast meinen, es geht hier nicht um die Entdeckung eines von Affen aufgezogenen Menschenjungen, der zum ersten Mal in seinem Leben eine “Artgenossin” trifft, sondern schlicht und allein um die Entdeckung der eigenen Sexualität. Tarzan ist angezogen von der schüchternen Weiblichkeit Janes und Jane macht es – allein schon für einen Erwachsenen Zuschauer wird die Doppeldeutigkeit mehr als deutlich – durch ihren Rollentext mehr als deutlich, dass sie von der primitiven, unbekannten Männlichkeit und Zuneigung Tarzans angezogen wird. Unnötig zu erwähnen, dass es mehrere Anspielungen von Jane darauf gibt, was sich unter dem Lendenschurz von Tarzan befindet.

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An und für sich ist das Musical nett anzusehen, wir waren jedoch sehr schnell vom übermäßigen “Grün” auf der Bühne übersättigt. Auch die Effekte, wie die Darstellung des Schiffsbruchs zu Beginn oder die von der Decke kommenden Insekten und Schmetterlinge, waren für jemanden, der das Musical zum ersten Mal besucht wahrlich beeindruckend – aber danach ist der Moment auch fort. Ebenso unrealistisch wirkt die Szene mit der Riesenspinne, in deren Netz Jane gefangen wird und auch die Darstellung des wild umherspringenden Raubkatzenwesens wirkt in den hinteren Reihen vielleicht noch ganz ansprechend, in den vorderen Reihen erkennt man jedoch schnell, dass die Raubkatze fliegt, ohne überhaupt die Beine zu bewegen und zum Sprung anzusetzen. Und auch die Darstellung des “Fliegens” an den Lianen wird zunehmend zu einer uninspirierten Art des Abgangs für die Rollen. Eine Überarbeitung in diesen Punkten würde dem Musical gewiss gut tun, denn dann kann man sich wirklich auf einen familienfreundlichen Musicalbesuch freuen, der zu familienfreundlicheren Preisen noch viel mehr Spaß machen würde.