„Something’s Coming“ – West Side Story in der Oper Leipzig

(c) Ida Zenner
(c) Ida Zenna

Bereits 1957 feierte eines der bekanntesten Musicals seine Premiere am Broadway. Die Idee eines modernen „Romeo und Julia“-Stücks im New York der 1950er begeistert bis heute und weiß auch nach rund 57 Jahren die Zuschauer immer noch in seinen Bann zu ziehen, sei es nun durch die gefühlvollen Stücke, die sich irgendwo zwischen Jazz und Oper bewegen, oder durch die Charaktere, die auf ihre ganz eigene Art die Herzen der Zuschauer zutiefst berühren.

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New York – das ist Hoffnung, Glamour, der Atem der Freiheit, aber auch Elend, Armut und das stetige Heulen der Sirenen. Fast täglich bekriegen sich die rivalisierenden Mitglieder der US-amerikanischen Jets und der puerto-ricanischen Sharks – der Hass wächst auf beiden Seiten mit jedem neuen Angriff. Riff, der Anführer der Jets, ist irgendwann des ständigen Krieges überdrüssig und schlägt seiner Gang einen klärenden Kampf zwischen ihnen und den Sharks vor. Doch um gegen Bernado und die Sharks gewinnen zu können, braucht er die Hilfe von Tony, dem früheren Anführer der Jets. Während eines Discobesuches soll es schließlich zum entscheidenden Kampf kommen, aber ein besonderer Vorfall verschärft die Situation rund um die rivalisierenden Gangs noch mehr: Tony und Maria, Bernardos Schwester, die erst vor kurzem aus Puerto Rico angekommen ist, verlieben sich auf der Stelle ineinander, als sie sich zum ersten Mal sehen und es beginnt ein Kampf um Liebe, Macht und Jugend, den einige mit dem Leben bezahlen müssen.

Das Bühnenbild ist einfach gehalten und zeigt in den meisten Szenen eine düstere Nebengasse, die von Stahlträgern überschattet wird – karg, aber effektiv. Projektionen dienen dazu, den Schauplatz zu wechseln und so findet sich der Zuschauer in der einen Sekunde am Drugstore von Doc und dann schon wieder auf einer einsamen Straße ins Nirgendwo. Die große Bühne wird vom Ensemble voll ausgespielt – und vor allem auch voll ausgetanzt – und wirkt somit in keiner Sekunde des Stücks leer.

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Vom 23. – 25. Juni schlüpfte Lisa Antoni noch einmal in die Rolle der Maria, welche mit ihrem Spiel und Gesang auf ganzer Linie überzeugen konnte und mit Leichtigkeit als Highlight des Abends bezeichnet werden darf. Tony-Darsteller Carsten Lepper konnte sich gut gegen seine starke Partnerin behaupten und zeigte vor allem in den Duett-Parts seine starke Seite. Leider war sein Schauspiel in manchen Szenen noch etwas zu blass und ließ die Emotionen nicht vollends auf die Zuschauer überspringen.
Besonders in Erinnerung bleibt auch Erdmuthe Kriener, die als Anita durch ihr wunderbares Schauspiel brilliert. Voll puerto-ricanischem Feuer begeistert sie das Publikum, sobald sie die Bühne betritt und Maria als treue Freundin zur Seite steht.

Doc, die einzige Figur im Erwachsenenalter, die auf der Bühne zu sehen ist, agiert als Stimme der Vernunft. Er versucht, die Wogen zu glätten und redet immer wieder besänftigend auf die verfeindeten Parteien ein. Eduard Burza verkörpert seine Rolle als sympathischen Kiffer, der die Situation auf den Straßen schon seit vielen Jahren zu beobachten scheint. Überzeugend spielt er die fast verzweifelten Versuche, die jüngeren Parteien zum Einlenken zu bewegen. Er scheint den ewigen Kampf Leid und scheint fast über den Dingen zu stehen. Am Ende verliert Doc dennoch und ihm bleibt nichts anderes, als, ähnlich der Erzählerfigur in Shakespeare Romeo und Julia, am Ende symbolisch den Zeigefinger zu erheben.

Im Zusammenspiel mit dem Leipziger Ballett wurde das Stück durch eindrucksvolle Choreographien von Mario Schröder unterstützt. Die Tänzer sind sehr gut auf einander abgestimmt, die Choreografien modern und schwungvoll. Teilweise dauern die reinen Tanzszenen jedoch zu lange an und nehmen ein wenig den Schwung aus diesem actiongeladenen Stück. Besonders hervorzuheben ist Laura Costa Chaud als Anybody‘s. Ihre Energie wirkt beinahe ansteckend und lässt sie immer wieder positiv aus der Masse männlicher Tänzer herausstechen.

Einfach, aber wirkungsvoll sind die modernen Kostüme, für die sich Andreas Auerbach und Paul Zoller verantwortlich zeigen. In Jeans und farblich abgestimmten T-Shirts sind Jets und Sharks auch optisch voneinander getrennt. Schwarz gegen Weiß heißt es allzu oft in den Szenen, in denen beide Gangs aufeinander treffen. Nur Maria und Tony stechen hier etwas heraus und lassen sich keiner der beiden Gruppen klar zuordnen. Ein Umstand, der gewollt ist, da beide Figuren durch ihre Geschichte die Grenzen verschwimmen lassen.

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Getragen von Leonard Bernsteins eingängiger Musik schwappt das Gefühl der Straßen New Yorks auch auf das Publikum über. Am Ende der tragischen Liebesgeschichte belohnen Standing Ovations und langer Applaus die Leistung der Darsteller. West Side Story, 1957 uraufgeführt, katapultiert sich in Leipzig direkt in die heutige Zeit und kann damit bei den Zuschauern punkten.

 

– Julia Wagner und Matthias Neumann