„Wer hätte geglaubt, dass wir jemals in einem ausverkauften Stadion spielen würden… und das gleich drei mal hintereinander“… witzelt Mark Seibert mit einem Seitenblick auf Jan Ammann, der seiner Begeisterung über diese Tatsache auf ganz eigene Art und Weise Ausdruck verleiht.
Zu gönnen wäre es den beiden ohne Zweifel, jedoch trügt in dem Fall der Schein. Corona macht’s möglich, vielmehr muss es möglich machen. Seit März diesen Jahres, als das Virus das kulturelle Leben gänzlich auf Eis legte, starten nun im August ganz langsam die ersten Versuche wieder live vor Publikum zu spielen. Außergewöhnliche Zeiten erfordern ungewöhnliche Ideen. Ist es im Theater zur Zeit noch schwierig mit all den Auflagen Veranstaltungen stattfinden zu lassen, bietet der Sommer glücklicherweise allerlei Möglichkeiten für Open-Air-Events.
So ist das Niederrhein Stadion in Oberhausen mit knapp 250 Zuschauern bereits ausverkauft. Die Seitentribüne ist in drei Blocks aufgeteilt und, um den notwendigen Abstand zu wahren, außer mit Zuschauern, auch mit kleinen, aufblasbaren Flamingos bestückt. Diese ergeben gewiss nicht nur für die Gäste ein etwas skurilles Bild, auch der Blick für die Protagonisten von der recht übersichtlichen, aber dennoch ausreichend großen Bühne, dürfte stellenweise ein wenig tierisch anmuten und insgesamt noch rosiger sein als gewöhnlich. Aber störend ist der Anblick augenscheinlich für niemanden, sondern trägt eher zur Belustigung bei.
„Together“ heißt das neuste Format dieses Abends, welches aus der Konzertschmiede von Sound of Music Concerts stammt und in den bewährten Händen von Andreas Luketa liegt. Treffender konnte der Titel nicht gewählt werden. In einer Zeit, wo jedermann Abstand halten sollte, ist es umso wichtiger, dass Menschen auf andere Weise wie gewohnt zusammen sind und vor allem zusammenhalten. Dies gewinnt doppelte Bedeutung, weil es beide Seiten betrifft. Die Seite der Sänger genauso wie die der Besucher. Die Magie, unglücklicherweise unterbrochen von Konzertabsagen und -verschiebungen, lässt sich nicht unterkriegen und ist sofort wieder spürbar.
Mittlerweile haben Jan Ammann und Mark Seibert, die sich seit „unglaublichen 10 Jahren“ nun schon kennen, wie Ammann lachend feststellt, in der Vergangenheit schon eine ganze Reihe Konzerte bestritten bei denen sie gemeinsam auf der Bühne standen. Sei es die Musical Tenors oder die Milestones – beides Formate ebenfalls von Sound of Music ins Leben gerufen – aber nur Ammann und Seibert, als eigene Produktion, das hat es bisher nicht gegeben. Umso gespannter sind die Zuschauer, was sie an diesem besonderen Abend erwarten wird.
Denn das Publikum brennt darauf, endlich wieder „richtig“ live dabei sein zu können. Der Stream im Internet oder die zwar live mit den Künstlern, aber im Autokino, wo die Musik durch das Radio noch einmal „umgeleitet“ wird, sind zwar eine machbare Alternative, jedoch keinesfalls mit einem normalen Konzertabend zu vergleichen. Dieses Empfinden scheint auch nicht nur das Publikum zu haben, sondern gleichermaßen auch für die Sänger zu gelten, die hochmotiviert und froh sind endlich wieder auf der Bühne stehen zu dürfen.
Standesgemäß laufen die beiden Herren dann auch zu den ersten Klängen der bewährten Sound of Music Band um Sebastian Hartung (Keys und musikalischer Leiter des Abends), Hannes Kühn (Gitarre), Wolf-Dieter Meyer (Bass) und Matthias Plewka (Drums) ins Stadion ein und nutzen unter dem Jubel der Anwesenden den in diesem Fall etwas längeren Weg zur Bühne, um die ohnehin schon ausgelassene Stimmung noch weiter anzuheizen. Der für eine Open-Air-Veranstaltung erstaunlich satte Sound tut sein Übriges.
Wie sehr man sich gegenseitig gefehlt hat, wird schon in diesem ersten Moment überdeutlich klar und somit schaffen es Jan Ammann und Mark Seibert gut gelaunt gleich mit dem ersten Song: „Hier mit dir“ von Wincent Weiss das Publikum in ihren Bann zu ziehen. Die Mischung ihrer beiden Ausnahmestimmen macht es ihnen leicht. Der Abend bietet, bei der mit viel Verstand und Fingerspitzengefühl ausgewählten Songauswahl, beiden Sängern, die Chance ihr Können auf großer Bandbreite eindrucksvoll darzustellen.
Unterstützt werden die beiden von Roberta Valentini. Die quirlige Sängerin mit italienischen Wurzeln ergänzt die beiden perfekt. Ganz gleich ob sie scheinbar mühelos selbst Lady Gaga in den Schatten stellt in dem sie gemeinsam mit Mark Seibert „Shallow“ beinahe besser als das Original oder ebenfalls mit Mark „You“ aus dem Musical Ghost darbietet.
Insgesamt kommen weder Up-Tempo noch Balladen zu kurz. Mit „Unchaind Melody“ oder „Lovestory“ bringt Jan Ammann die Frauenherzen zum Schmelzen, um jedoch gleich im Anschluß daran mit „Nothing else matters“ im Duett mit Mark und Roberta als Backing den Rock-Rebell in ihm hervorlugen zu lassen. Das Publikum dankt es ihm mit großem Applaus.
Neben den sehr gekonnt arrangierten Duetten hält das Programm auch weitere Solostücke für die Zuschauer bereit. So ist Mark Seibert sehr glücklich darüber, Songs einer seiner „persönlichen musikalischen Idole“ präsentieren zu dürfen. Mucksmäuschenstill hängt das Publikum an seinen Lippen als er mit viel Gefühl die Ballade „Heaven“ von Bryan Adams performt. Doch auch die rockige Facette seiner Stimme darf an diesem Abend zum Zuge kommen, so sind die Anwesenden bei der ebenfalls von Adams stammenden Nummer „Summer of 69“ bei der Seibert von Valentini im Backing unterstützt wird, nur schwer auf den Sitzen zu halten. Auch er braucht den Vergleich mit dem sympathischen Kanadier an dieser Stelle nicht zu scheuen.
Der Mut auch einmal ungewöhnliche, neue Duett- oder Terzett-Kombinationen, wie „Ein Traum ohne Anfang und Ende“ aus dem Musical „Die Päpstin“ auszuprobieren, wird mit großer Begeisterung seitens der Zuschauer belohnt. Dadurch, dass sowohl Jan als auch Mark bereits die Möglichkeit hatten in die Rolle des Titelhelden, wenn auch in unterschiedlichen Produktionen, zu schlüpfen, konnte sich inzwischen jeder von den beiden seine eigene Interpretation des Songs zu eigen machen. Diese persönlichen Stempelaufdrücke zu vereinen, entlockt dem Song nochmals eine eigene, neue Spannung.
Einige der Duette unterstreichen weiterhin das „Together“ der beiden Künstler. Mark in seiner Paraderolle „Der Tod“ in Elisabeth und Jan in der Rolle des Kronprinzen „Rudolf“ harmonieren in „Die Schatten werden länger“ stimmlich genauso perfekt wie bei dem ewig jungen Dauerbrenner „Die unstillbare Gier“, wo man an der Stelle gerade diese Version der beiden getrost als etwas Besonderes ansehen darf.
Insgesamt halten sich deutsche und englische Texte in diesem Programm die Waage und kommen daher sehr abwechslungsreich beim Zuschauer an. Durch teilweise neue Arrangements, bekommen auch schon häufiger gehörte Songs einen frischen Antrisch und bleiben dadurch interessant. Ein Umstand, den das Publikum durchaus zu schätzen weiß, wie an den Reaktionen zu erkennen ist. So ist es auch nicht weiter verwunderlich, dass die drei Protagonisten nicht ohne Zugabe von der Bühne gelassen werden. Ein Wunsch, der mit „Hallelujah“ und „Lifesaver“ gern erfüllt wird. Der darauf folgende tosende Applaus begleitet von Standing Ovations ist mehr als verdient.
Als Fazit des Abends bleibt nur zu sagen: hier hat alles gestimmt. Jan Ammann und Mark Seibert – zwei fantastische Künstler, ein mit Roberta Valentini nicht minder grandioser Special Guest, eine wunderbare Band und ein Spitzensound. Selbst das Wetter, welches bei so einer Art Veranstaltung immer den größten Unsicherheitsfaktor darstellt, hat mitgespielt. Darum also gerne mehr davon!