Eine schaurig-lustige Premiere: „The Addams Family“ in Wiesbaden

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The Addams Family in Wiesbaden © Andreas Etter

Dass das Staatstheater Wiesbaden dank seines jungen, engagierten Ensembles des JUST (junges Staatsmusical) auch überregional bekannt ist, verwundert nach Erfolgen wie der Welturaufführung von „Superhero“ oder der deutschen Erstaufführung des Madness-Musicals „Our House“ wohl kaum noch jemanden. Jetzt feierte „The Addams Family“ in Wiesbaden Premiere im ausverkauften kleinen Haus des Staatstheaters. Ob sie damit erneut ins Schwarze treffen, lest ihr hier!

Das Musical über die seltsame Famile aus der Feder von Andrew Lippa ist dem deutschen Publikum spätestens seit der gefeierten Deutschlandpremiere 2014 in Merzig (u. A. mit Uwe Kröger als Gomez) vielen Musicalfans ein Begriff. Nun hat sich das Staatstheater Wiesbaden diesem Stoff angenommen.

Die Handlung spielt lange nach den Ereignissen, die man durch Film und Fernsehen kennt: Die sadistisch veranlagte Wednesday Addams ist erwachsen geworden und hat sich in den spießbürgerlichen Lucas Beineke verliebt. Sie gesteht ihrem Vater, dass sie Lucas heiraten möchte. Doch dieser möchte dieses Geheimnis nicht vor seiner düsteren Ehefrau Morticia geheim halten. Als sich dann die zukünftigen Schwiegereltern zum Besuch ankündigen, ist das Chaos eigentlich schon vorprogrammiert. Dennoch gibt es – das sei verraten – am Ende ein Happy End.

Regisseurin Iris Limbarth setzt hier auf Bekanntes und Bewährtes. So besetzt sie für die Premiere Morticia Addams mit Felicitas Geipel, die schon in diversen Produktionen ihre Wandelbarkeit unter Beweis stellte und mit einem enormen komödiantischen Talent ihre Rolle auskleidet. Besonderer Höhepunkt ist dank ihr “Der Tod steht um die Ecke” zu Beginn des zweiten Akts.

Gomez Addams wurde am Premierenabend von Tim Speckhardt gespielt, der bereits in “Our House” das Publikum für sich gewinnen konnte. Hier spielt er gekonnt den kindisch-liebenswerten Vater und zu Tango neigenden Ehemann.

Überraschung des Abends war gewiss Maja Dickmann in der Rolle der Wednesday Addams, die stimmlich auf ganzer Linie zu überzeugen wusste und ihre Szenen ganz für sich gewinnen konnte. Es machte wirklich großen Spaß, ihr zuzuhören und zuzusehen. Gerade “Neue Wege” wurde zu einem wahren Showstopper im ersten Akt und von tosendem Applaus bedankt. Ihr Zusammenspiel mit Johannes Atzinger, als ihr Verlobter Lukas Beineke, ist angenehm, was aber gewiss auch am sängerischen Talent von Johannes Atzinger liegt.

Zu einem kleinen Publikumsliebling entwickelte sich im Laufe des Abends Johannes Wieland als Pugsley Addams. Die Bemühungen Pugsleys, die Aufmerksamkeit seiner Schwester zu erhalten stellte Wieland überzeugend und bewegend dar, sodass man manchmal sogar ein wenig mit ihm und seiner Rolle mitfieberte.

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Maja Dickmann als Wednesday mit Johannes Wieland als Pugsley © Andreas Etter

Für einige Lacher sorgten Mike Burs als frankensteinhaftiger Butler Lurch, Lisa Krämer als Grandma Addams (deren wahren Wurzeln hier vorsichtig aufgedeckt werden) sowie JUST-Urgestein Peter Emig als Onkel Fester.

Die Beinekes, die ihre Höhepunkte gewiss am Ende des ersten Akts erlebten, wurden hier von Benjamin Geipel und Constanze Kochanek gespielt.

Das Bühnenbild von Britta Lammers ist wirklich praktisch und dennoch ansehnlich gestaltet. Mehrere bewegliche Elemente werden innerhalb weniger Umbauten zu komplett neuen Szenenbildern. Interessant ist auch, dass seitlich vor der ersten Reihe ein kleiner Friedhof und ein dekorierter Sarg platziert wurden. Gerade der Sarg sorgt während der Eröffnungsszene für eine kleine Überraschung.

Die Kostüme von Heike Korn sind wirklich gelungen und halten sich dennoch eng an die Vorlage. Gerade Morticias tiefdunkelrotes Samtkleid ist wirklich ein Augenschmaus. Die Kostüme der Ahnen, die während der Eröffnungsszene erscheinen, erinnern nicht nur optisch ein wenig an die Vampire aus “Tanz der Vampire”. Ihr Erscheinen erinnert sogar ein wenig an eine umgekehrte “Ewigkeit”-Szene. Leider ist die schiere Masse der Ahnen auch ein kleiner Kritikpunkt an der Inszenierung an sich. Manchmal ist, dank der unzähligen Darsteller, einfach zu viel los auf der Bühne, sodass man leicht von der Handlung abgelenkt wird.

Während der erste Akt, trotz seiner Überlänge, kurzweilig und amüsant war, zog sich der zweite Akt dennoch etwas in die Länge. Das liegt mitunter an der Musik von Andrew Lippa, die nicht wirklich im Ohr bleiben will. Aber auch die Spannung innerhalb der Handlung flaut im zweiten Akt deutlich ab, was durchaus nicht an der Inszenierung oder den Darstellern liegt, sondern schlicht am Buch an sich. So war nicht wirklich erkennbar, weshalb Onkel Fester so vernarrt in den Mond ist.

Es ist außerdem schön, wie hier auf Details geachtet wurde. So gibt es zu Beginn sogar einen winzigen Auftritt des eiskalten Händchens oder eine an eine junge Audrey II erinnernde Pflanze im zweiten Akt. Außerdem wurde zu Beginn Bezug auf den “ewigen Kreis” des Lebens á la König der Löwen genommen und auch der US-Wahlkampf wurde durch Handpuppen von Grandma Addams kurz angerissen.

Das Premierenpublikum war dennoch begeistert und bedankte sich mit reichlich Szenenapplaus und langem Beifall nach Ende der Vorstellung.

Informationen und Tickets gibt es hier.