Sunset Boulevard mit Pia Douwes und Oliver Arno in Bonn

Pia Douwes, Oliver Arno © Theater Bonn / Thilo Beu

Der Sunset Boulevard in Kalifornien galt damals wie heute zu den ersten Adressen wo – zumindest teilweise – die Schönen und die Reichen zu Hause sind. Viele Filmstudios sind auch zur heutigen Zeit dort noch ansässig, so dass die Geschichte des erfolglosen Schriftstellers Joe Gillis und der ehemaligen Film-Diva Norma Desmond genauso gut im Hier und Jetzt spielen könnte und nicht wie im vorliegenden Fall, Ende der 1940er Jahre.

Wie bei Musicals nicht unüblich, wurzelt auch Sunset Boulevard in einem Kinofilm, namentlich: Boulevard der Dämmerung aus dem Jahr 1950. Es erstaunt immer wieder, wie viele Hits doch aus den großen Leinwandepen dieser Welt hervorgegangen sind. Trotzdem ist die Umsetzung in die doch komprimierte Fassung eines Musicals nicht ganz so einfach. Die vielen technischen Möglichkeiten und Tricks, stehen den Darstellern auf der Bühne einfach nicht zur Verfügung. Die Geschichte muss live einfach noch einmal anders erzählt werden. Verständlich für den Zuschauer, auf’s Wesentliche reduziert und dort auch mit manchmal unwichtig erscheinenden Details bestückt, die dem Ganzen genügend Spannung verleihen um den Zuschauer zu fesseln.

Oliver Arno, Wietske van Tongeren und Ensemble © Theater Bonn / Thilo Beu

Gil Mehmert, ein Meister seines Faches, brachte Sunset Boulevard bereits im letzten Jahr in der Oper Dortmund auf die Bühne. Das dort mit großem Erfolg gelaufene Stück konnte, vielleicht durch die nun bereits gewonnene Routine, konnte in Bonn noch einmal Fahrt aufnehmen. Wobei ein direkter Vergleich möglicherweise nicht reell ist. Auch wenn die grandiose Besetzung der Hauptrollen mit Pia Douwes (Norma Desmond), Oliver Arno (Joe Gillis) und Wietske van Tongeren (Betty Schaefer) – um nur einige zu nennen – auch in Bonn zu sehen ist, so sind die Voraussetzungen doch anders. Beginnend mit der Bühne über die Akustik bis hin zu vielen anderen Darstellern, die sich zu einem nicht geringen Teil noch in der Ausbildung an der Folkwang Universität der Künste in Essen befinden. So ist das Zusammenspiel immer wieder neu und bleibt interessant für alle Beteiligten.

Der Inhalt der Geschichte hat sich selbstverständlich nicht geändert. So beginnt auch in Bonn das Stück mit der im Swimmingpool schwimmenden Leiche von Joe Gillis, dessen recht kurzes Leben in einer Rückblende erzählt wird. Ein junger erfolgloser Autor landet auf der Flucht vor Geldeintreibern eher zufällig auf dem Anwesen der alternden Diva Norma Desmond (Pia Douwes). Als sie erfährt, dass er Autor ist, stellt sie ihn an, um ein von ihr verfasstes Drehbuch, in dem es um die 16-jährige Salome geht und bei dessen Umsetzung sie gedenkt diese Rolle zu übernehmen, zu überarbeiten. Sie glaubt fest daran, damit an ihre alten Filmerfolge anknüpfen zu können. Mit der Zeit fühlt sie sich immer mehr zu Joe hingezogen. Sie glaubt sogar, dass sie ihn liebt und versucht, ihn mit teuren Geschenken an sich zu binden. Anfangs noch überwältigt vom Reichtum der Diva, bemerkt Joe jedoch recht schnell, dass Geld nicht alles ist und versucht sich von ihr abzuwenden. Nicht zuletzt auch, weil er eine jüngere liebt, nämlich Betty, mit der er auf einer ganz anderen Ebene zusammenarbeit.

Pia Douwes © Theater Bonn / Thilo Beu

Norma jedoch will einfach nicht wahrhaben, dass ihr Zenit des Erfolges längst überschritten ist und versteckt sich in einer Scheinwelt, die immer wieder von der Realität durchbrochen wird. Selbstmordversuche ihrerseits sind die Folge, mit deren Ankündigung sie immer wieder versucht Gillis ein schlechtes Gewissen zu bescheren und dadurch bei ihr zu bleiben. Für den sonstigen Erhalt ihrer Welt sorgt Butler Max (Tom Zahner) auf jede erdenkliche Weise. Später erst erfährt man, dass er eigentlich ihr Ex-Mann ist und wird gewahr, dass er sie eigentlich immer noch liebt. Er ist es auch, der sie vor der Tatsache zu schützen versucht, dass der Anruf der Paramount-Studios nicht ihr persönlich gilt, sondern eine Anfrage ihren Rolls Royce für diverse Aufnahmen zu mieten ist.

Sunset Boulevard hat so ziemlich alles was in irgendeiner Form die amerikanischen Klischees der Filmwelt bedient. Unerfüllte Liebe, Mord, Gangster, Glitzerwelt, reiche Stars und sich gerade mal so über Wasser haltende Sternchen. Auch hier wird der Unterschied zwischen arm und reich, jung und alt gnadenlos dargestellt. Die Rolle der Norma ist mit Pia Douwes perfekt besetzt. Sie hat das große Talent die alternde Diva mit einer Würde und Bissigkeit zu spielen, dass man ihr diese ohne Wenn und Aber abnimmt. Allein ihre Stimme, die man gleich zu Anfang vernimmt, ohne, dass sie auch nur die Bühne betreten hätte, lässt den Zuschauer zusammenzucken und keine Zweifel daran, dass hier nur eine das Sagen hat: Sie! Ihre Bühnenpräsenz ist faszinierend, gleich ob sie nun gesanglich darstellt oder einfach nur anwesend ist.

Oliver Arno © Theater Bonn / Thilo Beu

Das Zusammenspiel mit Oliver Arno passt ebenfalls wunderbar ins Gesamtbild. Die Zerrissenheit zwischen Faszination des Lebensstils der Norma Desmond und der Liebe zu der einfachen Betty Schaefer ist absolut authentisch. Schade ist, dass ausgerechnet beim Titelsong „Sunset Boulevard“, die Technik nicht so mitspielen will. Das sollte aber den von Oliver Arno großartig dargebotenen Song nicht schmälern.

Die Musik von Sunset Boulevard stammt von keinem geringeren als Andrew Lloyd Webber, der sich für viele Welterfolge der Musicalbranche verantwortlich zeichnet. Sunset Boulevard ist musikalisch sicher nicht eines seiner bekanntesten Werke, aber es bietet den Darstellern die Möglichkeit, dem Publikum die Bandbreite ihres Könnens zu präsentieren. Unterstrichen wird das Ganze durch das Beethoven Orchester Bonn, das unter der musikalischen Leitung von Daniel Johannes Mayr suverän und gekonnt wie gewohnt durch den Abend begleitet.

Es ist ein kurzweiliges Stück, dass dazu einlädt es mehr als einmal anzusehen. Nicht zuletzt, weil man beim ersten Hinsehen die Feinheiten der einzelnen Rollen gar nicht alle wahrnimmt. Als besonders gelungen kann man die Tatsache betrachten, einen nicht unerheblichen Teil des Ensembles mit Studierenden der Folkwang Universität der Künste in Essen zu besetzen. Sie stehen den „alten Hasen“ in nichts nach und man kann erahnen, dass der Musicalnachwuchs gesichert ist. Insgesamt wundert es nicht, dass fast jede Vorstellung ausverkauft ist. Das Theater Bonn hat einmal mehr Zeichen gesetzt, dass auch in einem Mehrsparten-Theater, Musicals erfolgreich laufen können.