Rebecca… wo Du auch immer bist… – Umjubelte Premiere auf der Freilichtbühne Tecklenburg

Milica Jovanovic, Jan Ammann
Foto: Andre Havergo

In dem kleinen Ort Tecklenburg im Münsterland herrscht Ausnahmezustand. Überall bevölkern Menschen mit Taschen, Rücksäcken, Decken und vereinzelt sogar Picknickkörben die City. Und alle haben nur ein Ziel an diesem Tag: Sie möchten nach Manderley, dem Anwesen von Maxim de Winter und seiner auf mysteriöse Art ums Leben gekommene Frau Rebecca – genauer gesagt dahin, wo Manderley bis Anfang September zu finden sein wird, nämlich zur Freilichtbühne Tecklenburg. Die Bühne, weit über die Stadt- und Landesgrenzen hinaus bekannt für ihre großartigen Sommerproduktionen, zieht Jahr für Jahr tausende Musicalfans von Nah und Fern in das idyllische Örtchen in der Nähe von Münster. Auch 2017 werden sie nicht enttäuscht. Mit Rebecca – Das Geheimnis von Manderley, dem Musical von Michael Kunze und Sylvester Levay, ist es Intendant Radulf Beuleke gelungen, ein weiteres Mosaiksteinchen der Erfolgsgeschichte der Freilichtbühne hinzufügen.

Dabei kam die Zusage der Vereinigten Bühnen Wien, das Stück aufführen zu dürfen, relativ überraschend, wie Beuleke auf der diesjährigen Pfingstgala bekannt gab: „Seit Jahren bemühen wir und darum, Elisabeth aufführen zu dürfen und dann wird uns plötzlich Rebecca angeboten…“, so bekannte er schmunzelnd. Wenn man den Kartenvorverkauf verfolgt, sicherlich nicht die schlechteste Alternative. Hinzu kommt ebenfalls, dass jede Menge hochkarätiger Künstler für die Produktion gewonnen werden konnten. Die Liste des Who-is-who der Mitwirkenden ist mit Pia Douwes, Jan Ammann, Milica Jovanovic, Roberta Valentini – um nur einige zu nennen – recht lang. Auch das eine oder andere bekannte Gesicht im Publikum konnte man entdecken. So ließ sich der Intendant der Vereinigten Bühnen Wien, Christian Struppeck, es sich nicht nehmen, der Inszenierung in Tecklenburg beizuwohnen.

Sich einer derartigen Herausforderung ein Stück, das sowohl in Wien als auch in Stuttgart schon Erfolge feierte, auf einer Freilichtbühne umzusetzen, zu stellen, bedarf es schon Stück weit Erfahrung und Kreativität. Dazu kann man nur sagen, dass Andreas Gerken (Regie) und sein Team sie angenommen und glänzend gemeistert hat. Obwohl das Musical im Gegensatz zu einigen anderen noch gar nicht so alt ist – wurde es doch erst im Jahre 2006 im Wiener Raimund Theater uraufgeführt – hat es unter den Fans bereits eine Art Kultstatus erreicht.

Das Geheimnis um die zu Lebzeiten wunderschöne, jedoch unnahbare und berechnende Rebecca, basiert auf dem Roman von Daphne du Maurier und wurde bereits vor Entstehung des Musicals des Öfteren verfilmt. Eine der bekanntesten Versionen ist die schwarz/weiß Fassung unter der Regie von Altmeister Alfred Hitchcock. Sehr nah an Buch und Film haben sich die Macher von Rebecca – Das Geheimnis von Manderley gehalten und sogar Textpassagen wurden teilweise übernommen.

Zurückversetzt in das Monte Carlo der 20er Jahre, lernt der verwitwete Maxim de Winter (Jan Ammann) die Gesellschafterin der etwas schrillen Mrs. van Hopper (Anne Welte) , die – ohne einen Namen – nur als „Ich“ (Milica Jovanovic) tituliert wird, kennen und lieben. Frisch verheiratet, nimmt er sie mit nach Manderley, wo sie sich gegen die Feindseligkeiten und Intrigen der Haushälterin Mrs. Danvers (Pia Douwes), die Maxims verstorbene Frau Rebecca wie eine Heilige verehrte, durchsetzen muss. Immer wieder wird ihr vorgeschrieben, was sie zu tun und zu lassen hat. Die einzige Unterstützung, die Schatten der Vergangenheit zu bekämpfen erfährt sie durch Bee, Maxims Schwester (Roberta Valentini). Als bei einem Sturm das Segelboot, mit dem Rebecca umgekommen ist gefunden wird, spitzt sich die Sache zu und Maxim wird des Mordes an ihr verdächtigt. Schließlich kommt die ganze Wahrheit ans Licht und es kommt zu einem Ende, bei dem es nicht bei der Zerstörung von materiellen Dingen bleibt.

Jan Ammann, bald auch als Ludwig II in Füssen zu sehen, lässt als Maxim de Winter einen Einblick in die ganze Bandbreite seines Könnens zu. Er schafft es, innerhalb nur eines Augenblicks, mit seinem weichen einschmeichelnden Bariton Leistungen in Volumen und Lautstärke abzurufen, dass man als Zuschauer unwillkürlich den Kopf einzieht, um nur Sekunden später die nächste Gänsehaut bekämpfen zu müssen („Gott warum?“). Die gefühlsmäßige Gratwanderung zwischen dem liebenden und manchmal auch verzweifelten Ehemann und jähzornigem Gutsbesitzer gelingt ihm perfekt („Kein Lächeln war je so kalt“). Und aller spätestens an dieser Stelle möchte man mehr hören. So ist es wohl unumstritten, dass dies eine seiner Paraderollen ist, die er imposant ausfüllt.

Jan Ammann, Milica Jovanovic
Foto: Andre Havergo

Ähnliches kann man über Pia Douwes sagen. Auch sie konnte man bereits in vielen Rollen bewundern, doch die der Mrs. Danvers ist etwas Besonderes. Während sie mit Jan Ammann bereits in Stuttgart gemeinsam auf der Bühne stand, ist die Zusammenarbeit mit Milica Jovanovic noch nicht so gefestigt. Aber die beiden harmonieren sowohl stimmlich als auch schauspielerisch hervorragend miteinander („Rebecca“).

Bereits das zweite Mal ist Milica Jovanovic in Tecklenburg zu Gast. Im letzten Jahr noch Genuviere, die Frau an der Seite von Artus, wächst sie als „Ich“ über sich selbst hinaus – sei es sowohl darstellerisch als auch gesanglich. Der Sprung von der verschüchterten „grauen Maus“, die sie laut Mrs. van Hopper ist („Du wirst niemals eine Lady“), hin zur liebenden um ihren Mann kämpfenden Frau ist schon gewaltig. Scheinbar mühelos meistert Jovanovic jedoch diese Hürde und gibt am Ende auch Mrs. Danvers zu verstehen: „Mrs. de Winter bin ich!“

Pia Douwes
Foto: Andre Havergo

Auch Roberta Valentini, die temperamentvolle gebürtige Nürnbergerin, gehört erneut zum Tecklenburger Ensemble. In diesem Jahr ist sie sowohl als Fiona in Shrek – Das Musical, als auch als Bee in Rebecca zu sehen. An der Verschiedenheit der beiden Rollen kann man einmal mehr erkennen, wie vielseitig ihr Können aufgestellt ist. „Die Stärke einer Frau“ wird vom Publikum verdient, wie des Öfteren an diesem Abend, mit Szenenapplaus bedacht.

Eine höchst beachtliche schauspielerische Leistung liefert auch Nachwuchsdarsteller Christian Fröhlich in der Rolle des geistig beeinträchtigten Ben ab.

Am Ton gibt es an diesem Abend nichts auszusetzen. Das Orchester, unter der Leitung von Tjaard Kirsch, leistet sehr gute Arbeit und die Sängerinnen und Sänger sind hervorragend auch bis in die hinteren Reihen zu verstehen. Eine besondere Herausforderung in Tecklenburg ist das Bühnenbild. Von großem Vorteil zeigt sich dort das große Ensemble, das das Bühnenbild abwechslungsreich mitgestaltet. So ist zum Beispiel der Schatten, der durch den Tod von Rebecca über Manderley schwebt, allgegenwärtig und in jeder Szene auf irgendeine Art und Weise vorhanden. Schwarz gekleidete „Schatten“, die einmal als Hintergrund, als Teile von Möbelstücken oder einfach in der Menge bunt gekleideter Gäste auf dem Kostümball präsent sind.

Auch das große Finale, das von vielen, die das Stück bereits aus anderen Inszenierungen kennen, mit Spannung erwartet wird, enttäuscht nicht. Wenngleich auch die Video-Effekte auf der Freilichtbühne sicherlich schwieriger umzusetzen sind als in einem geschlossenen Raum und darum etwas sparsamer ausfallen. Dass dem Publikum gefallen hat, daran bleiben keine Zweifel. Sie bringen ihre Begeisterung mit minutenlangem Applaus und Standing Ovations zum Ausdruck. Insgesamt eine mehr als gelungene Premiere, der der Intendant Radulf Beuleke noch ein Highlight hinzufügt, indem er verkündet, dass die Freilichtbühne Tecklenburg im nächsten Jahr Les Misérables zeigen darf. Das Schlusswort des Abends jedoch wird einem ganz besonderem Gast überlassen: Sylvester Levay. „Was für ein Publikum. Mit Herz und Seele. Nicht nur Applaus. Es kommt von Innen, diese Vorstellung möchte ich aus meinem Leben nicht vermissen“. Dem ist nichts hinzuzufügen.

Karten gibt es direkt an der Kasse der Freilichtbühne Tecklenburg unter Ticket-Hotline: 05482-220
www.freilichtspiele-tecklenburg.de