„Wundascheen“ – „My Fair Lady“ der Kammeroper Köln gastiert in Rüsselsheim

Das Stadttheater Rüsselsheim bewies in dieser Spielzeit ein wahres Händchen für gute Tourneeproduktionen und holte sich “My fair lady” von Alan Lerner und Frederick Loewe als Gastspiel der Kammeroper Köln in große Haus.

An zwei nahezu ausverkauften Terminen konnte das Rüsselsheimer Publikum so die bereits vielfach erzählte Geschichte des Blumenmädchens Eliza Doolittle und dem Phonetiker Henry Higgins erleben. Wir haben uns die Inszenierung angesehen und werden selbstverständlich unsere Eindrücke mit euch teilen.

In Rüsselsheim hatte man – sollte man schnell genug beim Einlass gewesen sein – sogar die Möglichkeit ab 19:00 Uhr eine kleine Stückeinführung im Foyer zu erleben. Hier wurden die Ursprünge und Hintergründe zum Musical, das auf einem Theaterstück von George Bernard Shaw basiert, von der Premiere 1956 am Broadway bis heute erfahren. Außerdem wurde explizit auf die Inszenierung der Kammeroper Köln eingegangen und auch der Darsteller des Oberst Pickering, Bernhard Dübe, kam zu Wort. Alles in allem eine nette Idee und ein schöner Überblick über das Stück, das einen im Theatersaal erwartete.

Die Inszenierung von Lajos Wenzel ist durchaus als solide zu bezeichnen und fokussiert sich sehr auf die zwischenmenschlichen Beziehungen zwischen Higgins und Eliza, Eliza und ihrem Vater und Eliza und Oberst Pickering. Gerade das Dreiecksgespann aus Eliza, Henry Higgins und Oberst Pickering ist hier sehr schön anzusehen und wirkt glaubwürdig nachvollziehbar.

Positiv fällt auch auf, dass hier deutlich spürbar war, dass die Kernaussage des Stücks neben dem Appell an gutes Benehmen und eine gute Ausdrucksweise (wie beispielsweise gut in der Inszenierung von Bad Hersfeld erkennbar) auch die Emanzipation von Eliza stark im Vordergrund steht. Immerhin muss sie sich nicht nur einmal gegen Henry Higgins durchsetzen, sondern wird sogar ihrer eigenen Leistung komplett enteignet.

Die Choreographien von Robina Steyer sind eine Mischung aus zeitgenössischen Bewegungen und modernem Broadway-Flair – sehr sehenswert.

Ein Großteil des Bühnenbildes, für das sich Ulrich Wolff verantwortlich zeichnet, ist unbeweglich und zeigt Backsteinwände, auf die verschiedene Motive der Geschichte gemalt wurden. So findet man Blumen und den bekannten Plattenspieler hier wieder. Auf der rechten Seite werden immer wieder Bühnenteile ein- und ausgefahren. Umbauten passieren bei halbdunkler blauer Beleuchtung, was manchmal etwas länger dauert als man es erwarten würde. Aber bei einer Tourneeproduktion, die sonst in allen anderen Punkten klar punkten kann, ist so ein Abstrich durchaus verschmerzbar.

Die Handlung des Stückes ist heute vielen ein Begriff und die Verfilmung mit Audrey Hepburn von 1964 gehört heute zu den Klassikern der Musicalverfilmungen. Das lumpige Blumenmädchen Eliza Doolittle gerät bei der Ausführung ihrer Tätigkeit an den Phonetiker Henry Higgins, der scherzhaft dem vor kurzem kennengelernten Oberst Pickering verspricht, sie so zu erziehen, dass sie eine wahre Dame mit eigenem Blumengeschäft sein kann. Eliza nimmt ihn beim Wort und zieht kurzerhand bei ihm ein. Nebenbei wetten Henry Higgins und Oberst Pickering, sie unerkannt beim Diplomatenball einschleusen zu können – was dann auch geschieht, Eliza doch kein bisschen Anerkennung für ihre eigene Leistung erhält. In ihr altes Leben kann sie nicht mehr zurück und merkt, dass sie sich möglicherweise doch ein wenig in Henry Higgins verliebt hat.

Vorneweg war die Darstellung der Eliza Doolittle durch Wibke Wittig sehr ergreifend und ihr loses Mundwerk beim “Berlinern” macht wirklich Spaß bis zur letzten Reihe. Sie schafft die Verwandlung vom Blumenmädchen zur imposanten Lady mühelos und glaubwürdig und verliert dabei keineswegs den Charme ihrer Rolle – Hut ab. Henry Higgins, gespielt von Volker Hein, ist etwas unsympathischer angelegt, als es die Rolle erfordert, gefällt aber vor allem im impulsiven Zusammenspiel mit der Bühnenpartnerin sehr. Bernhard Dübe als Oberst Pickering bringt die nötige Ruhe und ein gutes komödiantisches Timing auf die Bühne, was einem immer wieder bewusst macht, dass man es hier mit einem rollenerfahrenen Profi zu tun hat. Die Nebenrollen sind ebenso treffend besetzt und überzeugen selbst in feinen Nuancen.

Das Orchester, das über 20 Personen zählt, punktet durch einen satten Klang und lässt sich beim Pferderennen auch mal für die Geräuschkulisse vorbeireitender Pferde gebrauchen. Gerade im akustikstarken Rüsselsheimer Stadttheater kommen solche Feinheiten sehr gut zur Geltung. Insgesamt eine liebevoll gestaltete Produktion, die viele Rüsselsheimer an dem Abend begeisterte. Die Zuschauer dankten es mit tosendem Applaus.

Das Rüsselsheimer Stadttheater hat bereits das Abo-Programm für die nächste Spielzeit veröffentlicht. Dort zeigen sie unter anderem “Catch me if you can”, “Cabaret” und – auch von der Kammeroper Köln – das Musical “Hello Dolly”. Weitere Bekanntgaben erfolgen erwartungsgemäß, sobald das komplette Spielzeitprogramm veröffentlicht wird.