Die Oper Bonn hat sich in den letzten Jahren auch in Musical-Kreisen durchaus einen Namen gemacht. Sie hat die Marktlücke Musicals für sich entdeckt und der Erfolg gibt ihr Recht. Beinahe jede Vorstellung dieses Genres ist ausverkauft und nicht nur die Auswahl der Stücke findet großen Anklang, sondern auch bei der Inszenierung und der Besetzung selbiger beweist das Kreativteam immer wieder aufs Neue ein geschicktes Händchen. Konnte man sich in den letzten Jahren an Stücken wie „Evita“, „Der kleine Horrorladen“ oder gar „Jesus Christ Superstar“ erfreuen, steht in dieser Spielzeit der Klassiker „Kiss me Kate“, das Musical von Samuel und Bella Sepwack mit Musik und Gesangstexten von Cole Porter, auf dem Plan. Cole Porter, dem die Kompositionen von über vierzig Musicals zugeschrieben werden, war so etwas wie der Inbegriff der „Roaring Twenties“. Viele seiner eigenen Stücke floppten – sein Hauptgeschäft bestand darin Auftragsarbeiten auszuführen.
„Kiss me Kate“ oder auch „Küß mich, Kätchen“ war als es entstand, eher ein Zufallserfolg. Längst hatten Komponisten wie Rodgers und Hammerstein oder Leonard Bernstein Cole den Rang abgelaufen. Dennoch verlangten die Librettisten Sepwack nach ihm, um für ihre neue Show die Musik komponieren zu lassen. Die Idee der beiden war, ein altes, bekanntes Stück mit neuen Elementen zu versehen und durch diese Symbiose ein gänzlich neues zu erschaffen. Als Grundlage bediente Porter sich deshalb der Komödie „Der widerspenstigen Zähmung“ von keinem geringeren als William Shakespeare. Aus diesem Werk entwickelte er dann die Geschichte in der Geschichte, die über den Tellerrand hinaus, auch einen Blick hinter die Kulissen der Darsteller erlaubt.
Eine Theatergruppe, allen voran Produzent Fred Graham (Oliver Arno), möchte das Musical „Kiss me Kate“ aufführen. Darsteller Bill Calhoun (Frank Wöhrmann), der die Rolle des Lucentio übernommen hat, unterschreibt einen Schuldschein mit dem Namen seines Chefs und Hauptdarstellers Fred. Diesen plagen andere Sorgen. Hauptdarstellerin und Ex-Frau Lilli Vanessi (Bettina Mönch), in der Rolle der Katharina, erhält versehentlich einen Blumenstrauß mit einer Karte von ihm. Diese Geste gebührt jedoch Nachtclub-Schönheit Lois Lane (Kara Kemeny), seinem Schwarm, der er im Stück die Position von Katharinas jüngerer Schwester Bianca zugeschanzt hat. Die beiden Gangster (Hans-Jürgen Schatz und Michael Schanze), die kurz danach auf der Bildfläche erscheinen, erinnern den völlig überraschten Fred an seine Schulden.
Vor den Zuschauern spielt indessen die Geschichte weiter. Katharina ist die meist gefürchtete Frau in Padua, die trotz ihrer stattlichen Mitgift kein Mann heiraten möchte. Ihre einfacher gestrickte Schwester Bianca kennt dieses Problem nicht, soll jedoch erst heiraten dürfen, wenn ihre ältere Schwester unter der Haube ist. Für Petrucchio steht die Mitgift im Vordergrund und so hält er um die Hand von Katharina an. Die Streitereien und Sticheleien von Fred und Lilli finden nicht länger im Verborgenen statt, sondern finden den Weg auf die Bühne. Den Höhepunkt erreichen sie, als die große Freude von Lilli über die Blumen zu Beginn schnell dem Zorn auf den Ex-Mann weicht, als sie die Karte liest und ihr der Irrtum bewusst wird. Nach einem außerplanmäßigen Tumult auf der Bühne verlässt Lilli mit ihrem Verlobten General Harrisson Howell (Daniel Berger) wütend das Theater.
Hinter den Kulissen kommen die beiden Gangster Fred eher unfreiwillig zu Hilfe. Er nutzt die Gelegenheit, die beiden für seine Zwecke einzuspannen und erklärt kurzerhand, dass er den Schuldschein tatsächlich unterschrieben hätte, jedoch die Schulden nur begleichen könne, wenn Lilli weiterhin auftreten würde. Die beiden Gangster geleiten sie also mit Waffengewalt zur Bühne. Dort ist es im Stück Petrucchio gelungen, Katharinas Unbeugsamkeit in den Griff zu bekommen. Fred ist mit Lilli hingegen an diesem Punkt noch nicht angekommen. Er schildert ihr ironisch, wie ihr Leben an der Seite ihres Verlobten General Howell und abseits der Bühne weitergehen könnte. Parallel erfahren die Gangster, dass ihr Auftraggeber einem Bandenkrieg zum Opfer gefallen ist und sie somit arbeitslos und Freds vermeintliche Schulden hinfällig sind. Lilli indessen trifft ebenfalls eine Entscheidung, so dass es nicht nur für Katharina und Petrucchio, sondern auch für Lilli und Fred ein Happy End gibt.
Neigt man heutzutage dazu das Bühnenbild eher spartanisch auszurichten, schöpfen Bühnen-, Kostümbildner und Theaterwerkstätten in diesem Fall aus den Vollen. Aufwendig, gut durchdacht und farbenfroh gestalten sich gleichwohl Bühnenbild und Kostüme. Von rot, über blau und grün bis violett sind alle Farben des Regenbogens vertreten und erleuchten neben den Scheinwerfern Bühne und Darsteller. In Kontrast dazu stellt sich das Bühnenbild in den Szenen, die vor den Toren des Theaters mit Fred und Lilli spielen, dar. Fantastisch gelungen ist die für den Zuschauer plötzliche Sicht auf den Hinterhof des Theaters, die mittels eingesetzter Schrägen die Dreidimensionalität unterstreicht.
Gleichfalls leisten Sänger und Darsteller Großartiges. Die aufwendigen Choreografien verlangen den Protagonisten ein Höchstmaß an Konzentration von der ersten bis zur letzten Minute des Stückes ab, die sie jedoch scheinbar mühelos zu bewältigen verstehen. Allen voran die beiden Hauptdarsteller Oliver Arno und Bettina Mönch. Beide sind nun schon zum wiederholten Male an der Oper Bonn engagiert. Konnte man sich im letzten Jahr bereits vom Können Arnos als Joe Gillis an der Seite von Pia Douwes in „Sunset Boulevard“ überzeugen, brillierte Mönch als „Evita“ im gleichnamigen Musical. „Kiss me Kate“ hat die beiden nun zusammengeführt und lässt die Zuschauer an ihrer wunderbaren Darstellung teilhaben. Die Rolle der Katharina gibt Bettina Mönch die Möglichkeit ihren Facettenreichtum voll auszuleben. Ganz gleich ob sie die gehörnte Ehefrau Lilli darstellt, die ihren Ex-Mann am liebsten zum Teufel jagen würde oder die widerspenstige, zickige Katharina, der man wünscht, sie würde noch viel häufiger über das Knie gelegt. Genau diese unterschiedlichen Stimmungen spiegeln sich in ihrer Stimme wieder und lassen das Publikum gespannt darauf warten was als nächstes kommen mag. Oliver Arno steht ihr darin in nicht viel nach. Zwar lässt ihm seine Rolle keine so große Bandbreite wie es die der Bettina Mönch tut, dennoch wird schnell klar, dass er ihr sowohl gesanglich als auch schauspielerisch bequem folgen kann.
Die beiden Gangster-Darsteller Hans-Jürgen Schatz und Michael Schanze dürften dem etwas reiferen Publikum hauptsächlich aus Film- und Fernsehen bekannt sein. Vor allem Michael Schanze, der in zahlreichen Filmen mitwirkte, Shows moderierte und jahrelang durch die beliebte Kinderquiz-Show 1,2 oder 3 führte. Jedoch auch als Theaterschauspieler ist er kein Unbekannter. Als Kapitän Andy in „Showboat“ bei den Bad Hersfelder Festspielen, stand er genauso auf der Bühne wie als Richter Adam im „Zerbrochenen Krug“ bei den Schlossfestspielen Neersen um nur einige zu nennen. Als Gangster darf er mit Kollege Schatz das einzig deutsche Lied des Abends singen. Das überaus bekannte „Schlag nach bei Shakespeare“ , was beiden auch wunderbar gelingt.
Die fröhlich bunte und unterhaltsame Inszenierung von Regisseur Martin Duncan überzeugt in beinahe allen Punkten. Ein kleines Manko stellen höchstens die in englischer Sprache vorgebrachten Songs, „Wunderbar“ ausgenommen, im Zusammenspiel mit den deutschen Texten dar. Eine Gesamtdeutsche Aufführung wäre sicherlich noch gefälliger gewesen. Dies sei allerdings nur am Rande erwähnt und soll den großartigen Abend der vom Publikum mit verdienten minutenlangen Applaus und Standing Ovations gefeiert wurde, keinesfalls schmälern. Für diejenigen, die „Kiss me Kate“ in Bonn noch nicht gesehen haben heißt es: schnell noch Karten sichern. Bis zum 05. Januar 2019 gibt es noch einige Vorstellungen.
Karten gibt es direkt im Ticketshop der Oper Bonn.