Jesus Christ Superstar erobert München

JESUS CHRIST SUPERSTAR
Armin Kahl (Jesus von Nazareth), Ensemble
© Christian POGO Zach

Ausverkaufes Haus bei der Premiere von Jesus Christ Superstar in der Münchener Reithalle, der Dependance des Theaters am Gärtnerplatz. Das Stück, das zur Zeit wieder häufig auf den Spielplänen der Deutschen Bühnen auftaucht, hat nun auch den Weg nach München gefunden. Neu ist es ja nicht, aber zeitlich immer aktuell. Dazu passt die etwas andere Spielstätte perfekt. Alte Mauern, die sich – weiß getüncht – hervorragend als Leinwand für Videoprojektionen eignen; ein hohes, nicht ausgebautes Dach, wo man freie Sicht bis nach ganz oben hat und wo die Stahlkonstruktionen der Scheinwerfer gleichsam mit zum Bühnenbild gehören. Anders als gewohnt, gibt es auch keine eigentliche Bühne. Eine quadratische, weiße Freifläche, von 3 Seiten von Zuschauern gesäumt, erweckt bei diesen das Gefühl nicht im Theater, sondern mitten im Geschehen zu sein.

Unterstrichen wird das Ganze noch dadurch, dass die Protagonisten wie selbstverständlich den kompletten Raum, wie auch Treppenstufen und Seitengänge auf und neben der Zuschauertribüne in ihr Spiel integrieren. Das Publikum kann gar nicht anders, als immer wieder den Kopf zu drehen, um all die Nebenschauplätze mitzubekommen. Gerade das macht das Stück noch lebendiger. Modern sind auch die Kostüme, derer sich Alfred Meyerhofer bedient. Erwartet man hier nun einen Jesus in altertümlichen Gewändern, so ist man sicherlich überrascht, dass er – wie heutzutage üblich – in Jeans und Shirt daher kommt. Angepasst daran, zeigen sich auch seine Jünger und das Volk in zerrissenen Jeans, Hoodies und Lederjacken. Niemand könnte sie von den Menschen, die uns jeden Tag auf der Straße begegnen unterscheiden.

Das Orchester am Kopfende, verschwindet zeitweise hinter einer großen, nicht durchsichtigen Plexiglasschiebewand und bleibt dadurch zwar präsent, jedoch nicht aufdringlich. Auch ist das Orchester in dieser Produktion recht groß bestückt. So müssen Geigenklänge beispielsweise nicht, wie sonst häufiger, durch Synthesizer ersetzt werden, sondern geben dem Ganzen ein natürliches Volumen. Zwar verfallen die Musiker von Zeit zu Zeit in etwas zu große Euphorie, sodass es den Darstellern einige Mühe bereitet, gegen diese Macht anzusingen, jedoch kann man dennoch insgesamt von einem Klangerlebnis sprechen.

Die Rockoper von Andrew Lloyd Webber (Musik) und Tim Rice (Text) aus dem Jahr 1971, erlebt zur Zeit eine wahre Renaissance in vielen Theatern. Basiert die Story doch auf etwas, das schon mehr als 2000 Jahre alt ist und dennoch nichts an seiner Aktualität verloren hat. Gerade weil es in den vergangenen Jahrzehnten bereits oft gezeigt wurde, ist es sicherlich schwierig das Stück immer auf’s Neue zu inszenieren, sodass es auch interessant bleibt. In München ist es dem Team um Regisseur Josef E. Köpplilnger ohne Zweifel gelungen.

Die Geschichte um den „Superstar Jesus“, der mit viel Idealismus ausgestattet eigentlich Gutes tun möchte und durch die Gesellschaft und sogenannte Freunde beinahe in die andere Richtung gedrängt wird, spiegelt die Gesellschaft damals wie heute wider. Aus der Sicht von Judas Ischariot, eigentlich einem Freund Jesu, der mit wachsender Besorgnis den Wandel beobachtet, jedoch von ihm nicht erhört wird, erzählt. Auch hier geht es letztendlich um Macht, die ihr Opfer, in dem Fall Jesus, sucht. Ihm wollen sich die Oberen entledigen, weil er unbequem ist; weil er nicht wie die anderen mit, sondern gegen den Strom schwimmt. Und das weitere Opfer, Judas, der die Enttäuschung, dass Ruhm und Geld mehr Gewicht haben, als Freundschaft nicht verstehen will oder kann und sich nach dem Verrat selbst richtet.

JESUS CHRIST SUPERSTAR
Armin Kahl (Jesus von Nazareth), Ensemble, Chor des Staatstheaters am Gärtnerplatz
© Christian POGO Zach

Die Rolle des Jesus führt Armin Kahl, zuletzt zu sehen als Benedikt in der Produktion Schikaneder – Die Liebesgeschichte hinter der Zauberflöte der Vereinigten Bühnen Wien, zurück in die Bayrische Hauptstadt. Am Theater am Gärtnerplatz ist er auch kein Unbekannter, war er doch dort bereits in 2015 als Vicomte de Valmont bei den ‚Gefährlichen Liebschaften‘ engagiert.

Gerade bei Jesus Christ Superstar kann man Armin Kahls Vielseitigkeit erneut bewundern. Vermutet man in der Titelfigur doch eher den verzweifelten, unsicheren Charakter, verleiht er ihm beinahe schon Aggressivität. Nicht bereit, sich einfach so mit seinem Schicksal abzufinden. Dies wiederum paßt jedoch hervorragend in die Inszenierung. Damit beweist Kahl wieder einmal mehr, dass er sowohl in den komödiantischen als auch den ernsten Rollen zu Hause ist. Seine anfängliche, sicher auch der Nervosität der Premiere geschuldet, etwas zurückhaltende Intensität der Stimme, ist im 2. Akt gänzlich verflogen.

Gleich zu Anfang schon mit stimmlichen Höchstleistungen aufwarten, können hingegen David Jakobs (Judas) und Bettina Mönch (Maria Magdalena). Jakobs, der zurzeit parallel zu München auch den Quasimodo im Glöckner von Notre Dame in Berlin spielt, hat sicherlich den Vorteil, dass er die Rolle aus dem Effeff kennt. Er verkörperte den Judas bereits in einigen verschiedenen Produktionen; so unter anderem auch in Bonn als Erstbesetzung und als Cover im Theater Basel. Er versteht es, gleichzeitig verschiedene Stimmungen so in seine Figur hinein zu interpretieren, dass man als Zuschauer ihn in dem einen Moment für sein Tun hasst, jedoch im nächsten Augenblick glaubt ihm helfen zu müssen. Stimmlich leicht rockig angehaucht, ist es eine Freude ihm zuzuhören.

Ebenso gut ist auch Bettina Mönch als Maria Magdalena. Mit ihrer kräftigen, klaren Stimme, die sie zuletzt bei Evita in Bonn und in Wien einsetzen konnte, ist sie in dem Fall die Idealbesetzung der Dame, die Jesus so nahe steht. Bemerkenswert ihr „I don’t know how to love him“.

JESUS CHRIST SUPERSTAR
David Jakobs (Judas Ischariot), Bettina Mönch (Maria Magdalena), Armin Kahl (Jesus von Nazareth)
© Christian POGO Zach

Sieht man einmal von der etwas befremdlichen Art der Kreuzigung Jesus ab, wobei Armin Kahl eine Leiter heraufklettert und nur die Arme ausbreitet, hat das Stück seine Wirkung nicht verfehlt. Konnte man doch sekundenlang eine Stecknadel fallen hören als nach der letzten Szene das Licht erlischt und der tosende Applaus ausbricht. Mit minutenlangen Standing Ovations wird allen Beteiligten gezeigt, dass man diese Inszenierung durchaus als gelungen bezeichnen könnte.

Fazit: Insgesamt sehr gut gemacht und mit erstklassigen Darstellern sowie Musikern besetzt. Fans des Stückes und welche, die es vielleicht werden wollten, sollten es sich in München unbedingt ansehen.

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