Interview mit Anja Wendzel „Ich war immer schon sing- und tanzbegeistert…“

Anja Wendzel Foto: Julian Freyberg
Anja Wendzel
Foto: Julian Freyberg

Anja Wendzel kann trotz ihrer noch recht jungen Karriere bereits auf einige Engagements zurückblicken. So hatte sie zum Beispiel in „I love you, you’re perfect, now, change“ eine Hauptrolle inne oder verkörperte die Rolle der „Constance“ in den 3 Musketieren.

Seit April 2016 steht die vielseitige Künstlerin nun als Cover „Sarah“ und im Ensemble beim Tanz der Vampire im Berliner Theater des Westens auf der Bühne.

Ob „Sarah“ für sie eine Traumrolle ist oder welches Musical ihr Leben veränderte… Wir haben sie gefragt:

Iris Hamann: Nicht jeder, der in das Berufsleben einsteigt, hat schon genaue Vorstellungen, was er später machen möchte. Was hat Dich dazu gebracht, Musical-Darstellerin zu werden? Gab es einen Auslöser für den Entschluss?

Anja Wendzel: Ich war immer schon tanz- und singbegeistert. Ich konnte nie still sitzen. Sobald Musik erklang, fing ich an zu tanzen, zu summen – und zu lächeln. Mit 6 Jahren begann ich dann mit Ballettunterricht und besuchte regelmäßig Tanz-Workshops, bei denen ich verschiedene Tanzstile kennenlernen durfte. In der Grundschule entdeckte ich dann auch meine Begeisterung für Gitarre, Klavier und Gesang. Meinen ersten Gesangsauftritt habe ich meiner Grundschullehrerin zu verdanken. Sie hörte mich zufällig singen und beschloss, dass ich bei einer Weihnachtsveranstaltung der Schule singen sollte. Als ich dann im Gymnasium einen Musicalabend in meiner Heimatstadt Fürstenfeld besuchte, bei dem u.a. auch das Musical ELISABETH dargeboten wurde, wusste ich es: Das war es! Ich war begeistert von der Musik, den Darstellern und von dem, was sie in mir ausgelöst haben: Die Leidenschaft für die Kunst.
Dieses Musical veränderte mein Leben und half mir, zu mir selbst zu finden. Mein Entschluss stand fest: Ich will auf der Bühne stehen und Menschen begeistern. Das bin ich!

Iris Hamann: Nach welchen Kriterien wählst Du Deine Engagements aus?

Anja Wendzel: Am Wichtigsten ist mir die Botschaft eines Stückes. Wir werden im Alltag von so vielen kommerziellen Eindrücken beeinflusst und sind so „verkopft“, wodurch wir oft vergessen, auf unser Herz und unser Bauchgefühl zu vertrauen. Ich möchte eine Figur verkörpern, die eine Entwicklung durchmacht. Ich möchte in einem Stück spielen, in dem sich jeder auf eine gewisse Art und Weise wiederfinden kann.

Iris Hamann: Welche Figur würdest Du gerne einmal darstellen und welche Art von Rolle würdest Du nie annehmen? Ist ‚Sarah‘ z. B. Eine Traumrolle?

Anja Wendzel: Jede Rolle, die ich verkörpern darf, ist eine Traumrolle, denn sie trägt dazu bei, dass ich meinen Traum leben darf und kann. Eine Rolle zum Leben zu erwecken ist immer etwas ganz Besonderes, denn in jeder Rolle steckt etwas Persönliches. Das Musical, das mein Leben verändert hat, ist aber auch eines meiner liebsten: Elisabeth. Ein Musical über eine Frau, die sich selbst immer treu geblieben, ihren eigenen Weg gegangen ist und aus ihren Schwächen Stärken gemacht hat. Das Leben einer solch einzigartigen Persönlichkeit, das Leben der Kaiserin Elisabeth darstellen zu können, das wäre die Erfüllung eines sehr großen Traums.
Welche Art von Rolle würde ich nie annehmen? Puh, das ist schwierig. Ich denke ich würde eine Rolle, in der ich kein Fünkchen von mir wiedererkennen würde, nicht annehmen, denn dann gibt es für mich keine Chance, diese authentisch darzustellen.
Auf alle Fälle ist „Sarah“ eine Traumrolle für mich, denn sie lebt genau nach dem Prinzip, welches auch ich zu verkörpern versuche: Sie folgt ihrem Herzen. Ich finde, das sollten wir Menschen viel öfter tun.

Iris Hamann: Die Darstellung welcher Person hast Du bisher für Dich am schwierigsten empfunden?

Anja Wendzel: Ich finde, es ist nicht die Darstellung einer Person, die einen als Künstler herausfordert, sondern all seine Charakterzüge, Nuancen und kleinen Geschichten, die ihn zeichnen, für das Publikum sichtbar zu machen. Die größte Hürde für mich war bisher, den Mord und die Strangulation von „Constance“ im Musical 3 MUSKETIERE darzustellen. Da ich noch nie in einer lebensbedrohlichen Situation war und ich noch nie um mein Leben fürchten musste, hat mir die für mich als Künstler wichtige Selbsterfahrung gefehlt. Ich habe deshalb mich intensiv mit dem Thema für die Rolle beschäftigt, damit ich auf der Bühne auch diesen Moment wahrhaftig bin.

Iris Hamann: Was macht an einer Rolle den größten Reiz für Dich aus?

Anja Wendzel: Der größte Reiz an einer Rolle für mich ist es, sie zum Leben zu erwecken und, wie vorhin schon erwähnt, all ihre Charakterzüge, Nuancen und kleinen Geschichten für das Publikum sichtbar zu machen. Eine der größten Aufgaben ist es jedoch, dem Publikum seine Gedanken und Subtexte vermitteln zu können. Es ist nicht wichtig, ob das Publikum deinen genauen Wortlaut wahrnimmt, das wirklich Wichtige und Interessante ist, es zu schaffen, dass es deine Gefühle und deine Stimmung aufnimmt. Das Unerklärbare zu fühlen, ist für mich das Schönste, denn dann ist man von der Geschichte gefesselt und taucht in die Welt der Figur ein. Und das schafft man nur, wenn man auf der Bühne wahrhaftig ist.

Iris Hamann: Neben den Musicalengagements inszenierst Du unter anderem auch eigene Konzerte und Veranstaltungen. Ist das Dein Steckenpferd, wo Du Dich anders als bei einem Engagement, frei entfalten kannst?

Anja Wendzel: Ich vertrete die Ansicht, dass es für einen Künstler wichtig ist, sich so unabhängig wie möglich zu machen. Organisation, Marketing und die Künstlerische Leitung sind Bereiche, die mich immer interessiert haben und so habe ich 2014 den Schritt in die Selbstständigkeit gewagt. Die von mir konzipierten und inszenierten „Genusskonzerte“ (www.genusskonzerte.at), sowie meine Abendshow „Die Gala der Musicals“ wurden bisher sehr gut nachgefragt. Ich liebe es mit meinen Freunden („Anja Wendzel and friends“) und Kooperationspartnern neue Konzepte und Musicalshows zu entwickeln und zu verwirklichen.

Iris Hamann: In dem Zusammenhang: Es gibt ja mittlerweile einige Darsteller für die eigens Rollen entwickelt oder Musicals komponiert wurden. Gibt es einen Regisseur oder Komponisten mit dem Du gerne einmal zusammenarbeiten würdest?

Anja Wendzel: Die gibt es auf alle Fälle. Ich liebe die Musik von Sylvester Levay, Scott Alan, Andrew Llyod Webber, Jim Steinmann, Karey and Wayne Kirkpatrick uva.! Vor allem bin ich aber begeistert von der Arbeit der Arrangeure, welche die Musik der Komponisten zu einem richtigen Erlebnis machen, wie zum Beispiel Michael Reed bei TANZ DER VAMPIRE. Ich würde gerne mit all diesen Leuten zusammenarbeiten, denn ich interessiere mich sehr für Ihre Gedanken: Warum sie welches Instrument für welches Lied ausgewählt haben, oder wie sie welche Stimmungen und Gefühle durch ihre Melodien hervorrufen. Als Darsteller hilft es dir sehr all diese Gedankengänge zu kennen, denn dann kannst du die Musik richtig verstehen und sie zum Ausdruck bringen. Hierzu ein Beispiel anhand meines aktuellen Engagements in TANZ DER VAMPIRE: „Sarah“ und „Alfred“ singen dieses schöne, verträumte und doch so emotionale Lied „Ein Mädchen, das so lächeln kann“ nach ihrer ersten Begegnung im Bad. Beide singen gegen Ende hin: „Wenn ich mich je verliebe, dann sicherlich in einen so wie dich!“ Im Teil „in einen so wie dich“ gibt es eine Disharmonie zwischen dem Sänger und dem Orchester. Warum? Wäre es nicht schöner, wenn das Lied leicht und flockig weitergehen würde? Für das Gehör, wäre es vielleicht schöner, aber für das Gefühl, für das zukünftige Geschehen, spielt sich hier etwas ganz Wichtiges innerhalb von wenigen Sekunden ab. Aktiv besingt „Sarah“ den süßen, hübschen „Alfred“, aber im Unterbewusstsein spürt sie die Gegenwart der Stimme, die sie ruft und der Sehnsucht, die sie sucht. Ist das nicht sensationell geschrieben Musik? Das Phänomen jeder Musik ist es das Ungeschriebene spürbar zu machen. Das ist für mich Musical.

Iris Hamann: Kommen wir nochmal auf Dein Engagement beim Tanz der Vampire zurück: Ist es nicht schwierig sich so schnell umzustellen, wenn Du an einem Tag im Ensemble mitspielst und am nächsten die Hauptrolle singen musst?

anja vampir julian foto
Foto: Julian Freyberg

Anja Wendzel: Die Herausforderung einer jeden Rolle ist es, ein ganz genaues Bild vor Augen zu haben und seine Geschichte zu kennen. Wenn du das für dich herausgefunden hast, macht es keinen Unterschied, was du wann spielst. Das ist wie mit Schuhen. Wenn du die Richtigen gefunden hast, ist es egal, ob sie Absätze haben oder nicht, du fühlst dich in jeden wohl.

Iris Hamann: Es sollen ja die kuriosesten Möglichkeiten praktiziert werden, Texte zu lernen. Hast Du ein Geheimrezept?

Anja Wendzel: Ich denke, es gibt kein allgemeines Geheimrezept, jeder muss für sich selbst herausfinden, was einem gut tut und hilft. Mir helfen Bewegungen und Geschichten, so habe ich einen Grund für mein Gesagtes bzw. Gesungenes. Alles was wir auf der Bühne tun oder eben gerade auch nicht tun, hat einen Grund, wie im wahren Leben. Nichts sollte grundlos geschehen.

Iris Hamann: Ist während einer Show schon einmal etwas passiert, das Du in bleibender Erinnerung behalten hast?

Anja Wendzel: Im Sommer 2015 wirkte ich im Rahmen der Frankenfestspiele im Musical „Der Geheime Garten“ auf und hinter der Bühne. Da es sich um Freilichtspiele handelt, ist man den Wetterumständen untergeben. Aber genau das ist es, was ich in bleibender Erinnerung behalten habe. Eines Abends zog ein heftiges Gewitter auf und es begann bei der passendsten Stelle im Stück zu regnen an. Alle Darsteller spielten im atmosphärischen Regen weiter. Das war wundervoll – ein mystische Stück unter den atemberaubenden Kräften der Natur zu erleben! Ein ganz besonderes Erlebnis!

Iris Hamann: Wie hältst Du Dich fit für die anstrengenden Shows?

Anja Wendzel: Ich mache viel Sport und esse für mein Leben gern. Ich bin gern in der Natur und liebe es mit Musik in den Ohren durch die Gegend zu laufen, in Berlin gerne in Gruenewald, in Wien am liebsten im Schloss Park von Schönbrunn und bei mir Zuhause am liebsten im Wald hinterm Haus. 😉 Ich mache auch regelmäßig ein Fitnessprogramm und ein Warm Up vor jeder Show mit meiner Lieblingsvampirin Astrid Gollob. Aber auch Wellness und Massagen dürfen nicht fehlen, denn der Ausgleich ist das Geheimrezept. Gutes Essen und Zeit mit Freunden, schenkt dir genauso Energie wie der Sport. Ich denke, das Geheimnis um sich fit zu halten ist, das zu tun was der Körper gerade braucht und einen selbst glücklich macht. Aus diesem Grund gibt es nichts Schöneres für mich als mit einer meiner engsten Freundinnen Mareike Zwahr, die ihr aus Hinterm Horizont kennt, einen Tag in der Woche in einer Wellnessoase die Seele baumeln zu lassen.

Iris Hamann: Was machst Du am liebsten, wenn Du nicht auf der Bühne stehst. Hast Du Hobbies?

Anja Wendzel: Meine größten und liebsten Hobbies sind Kochen, Sport und Zeit. Ich liebe es mit meinen Freunden gemeinsam zu kochen oder sie zu bekochen und dann mit ihnen einen schönen entspannten Tag/Abend zu verbringen. Ich bin sehr gerne in der Natur, liebe das Wasser und die Sonne. Ein Tag mit Freunden und der Familie ist das wertvollste Gut bzw. Hobby in meinem Leben.

Iris Hamann: Nach Berlin gehst Du mit den Vampiren ja erst einmal nach München. Würdest Du uns noch etwas Weiteres zu Deinen Plänen für die Zukunft verraten?

Anja Wendzel: Ich weiß noch nicht, was die Zukunft bringen wird, aber ich verrate euch was ich mir wünsche: Ich wünsche mir noch ganz viele weitere schöne Momente mit meinen Fans, viele weitere tolle Musicals in denen ich mitspielen darf und viele weitere Konzerte mit tollen Kollegen als meine Gäste. Ich wünsche mir, dass die Musik in meinem Herzen noch auf ganz vielen Bühnen dieser Welt zum Klingen erweckt wird!

Infos zu Anjas Engagements, Genusskonzerten oder Tickets findet ihr unter: www.anjawendzel.atwww.genusskonzerte.at

Zu sehen ist sie noch bis zum 24. September im Theater des Westens und vom 6. Oktober bis zum 15. Januar 2017 im Deutschen Theater in München.