Es gab Zeiten, da wurde von den Zuschauern an eine Freilichtbühne, vielleicht abgesehen von einigen sehr alten renommierten, keine großen Ansprüche gestellt, was Ausstattung und gar die Inszenierung betraf. Man war sich dessen bewusst, dass das, was ein Theater bieten konnte, aus vielfältigen Gründen einfach nicht umzusetzen war. Musicals wurden Open Air auch eher selten gespielt. Diese Zeiten haben sich inzwischen, zur Freude der Musicalfans, stark gewandelt. Was aber gleichzeitig zur Folge hat, dass das Publikum auch kritischer wird und mehr erwartet. Diese Erwartungen werden gerne erfüllt, finden doch immer mehr größere und kleinere Stars der Branche auch auf die Freilichtbühnen, zumal sich viele Inszenierungen mit denen der Theater durchaus messen können.
Auch „Der kleine Horrorladen“, das Musical nach der Vorlage des Films „Little Shop of Horrors“, das in den 1980er Jahren erstmals in New York aufgeführt wurde, trat seit dem seinen Siegeszug durch unzählige Theater im In- und Ausland an. In diesem Jahr fand das Stück von Alan Menken, der sich ebenfalls für Musicals wie „Die Schöne und das Biest“ oder aktuell in Berlin im Theater des Westens gezeigte „Der Glöckner von Notre Dame“, verantwortlich zeichnet, seinen Weg in die kleine Stadt Mayen.
Dort sind die Burgfestspiele auf der Genovevaburg seit Jahrzehnten fester Bestandteil der Sommermonate. Mit dem Stück „Der kleine Horrorladen“, brachte der neue Intendant Daniel Ris, gleichzeitig Regisseur in Personalunion, das Musical zur 30. Spielsaison auf die Bühne.
Verglichen mit der Größe der Bühnen in festen Theatern, war der platzmäßig recht übersichtliche Burginnenhof sicherlich eine der Herausforderungen, denen er sich stellen musste. Gekonnt, wie man feststellen durfte. Die Gegebenheiten vor Ort wurden einfach in das Stück einbezogen. Die 4-köpfige Band, unter der Leitung von Marty Jabara, wurde geschickt in einer Seitennische untergebracht. Die Bühne selbst, kaum höher als eine Treppenstufe und deutlich weniger tief als man es sonst vorfinden würde, dafür eine weitere Nische oberhalb, die beinahe wie ein Bilderrahmen daherkommt und die 3 Chordamen bestens präsentiert. Für die Zuschauer der 1. Reihe wäre es kein Problem Teil des Stückes zu werden, so nah sind sie am Geschehen.
Die Hauptkulisse bildet der Blumenladen von Mr. Mushnik. Einfach, Funktionell. Abgegrenzt durch eine weitere Stufe. Eingerahmt von einer Theke und einfachen Blumenvasen. Wände, Fenster existieren nur in der Fantasie des Betrachters. Wenngleich die Tür bei jedem Durchschreiten durch ein lautes „DingDong“ des Benutzers gekennzeichnet wird, wodurch selbst der Kulisse etwas humoriges an den Tag legt und den Zuschauer ein Schmunzeln entlockt. Der Ton (Gerd Meier / Uwe Strack) ist erstaunlich gut. Manches Theater hat damit größere Schwierigkeiten und solange das Wetter mitspielt vermisst man auch keinen Theatersaal.
Ein glückliches Händchen bewies Ris ebenfalls bei der Besetzung. Mit insgesamt 9 Protagonisten ist das Stück recht übersichtlich besetzt, woraus resultiert, dass die meisten außer ihrer eigentlichen Rolle auch noch die eine oder andere Nebenrolle besetzen dürfen. Die Titelrolle des Seymour übernahm Tino Leo, der nun schon zum wiederholten Male in Mayen zu Gast ist. Sehr einfühlsam stellt er die Figur des zunächst schüchternen und nicht sehr helle wirkenden Ziehsohn des Blumenladenbesitzers Mr. Mushnik (Mario Gremlich) dar. Erst als Audrey II in sein Leben tritt, verwandelt sich sein Wesen mit jedem Stückchen, das Audrey wächst. Und genau diese Wandlung verfolgt auch seine durchweg angenehme Stimmlage.
Tino Leo und die „echte“ Audrey harmonieren gesanglich ausgesprochen gut. Marie Anjes Lumpp, die bereits Erfahrungen unter anderem bei den 64. Bad Hersfelder Festspielen und in Hamburg beim „Wunder von Bern“ in Hamburg sammeln konnte, gelingt es geschickt, Ihrer Stimme und Ihrer Darstellung gerade soviel Unsicherheit und kindliche Naivität zu verleihen, wie es nötig ist, ohne dabei in für den Zuhörer unangenehme Höhen abzudriften (Jetzt hab‘ ich Seymour).
Mario Gremlich’s (Mr. Mushnik) Gesangspart ist zwar relativ klein, jedoch kann er dafür in der Rolle des Inhabers des Blumenladens schauspielerisch voll überzeugen. Sei es, der polnische Akzent mit dem er seine Angestellten beschimpft oder die kurzzeitig verloren gegangene Haarpracht, die er wie einen alten Hut zornig auf den Boden wirft, und die den Zuschauer damit zum Schmunzeln bringt.
Orin Scrivello, der sadistische Zahnarzt (Jan Rekeszus), Verlobter von Seymours heimlicher Liebe Audrey, ist als erstes Opfer, der sich langsam zum Monster wandelnden, blutrünstigen Pflanze zu beklagen. Diese Rolle scheint Rekeszus auf den Leib geschrieben. Sie bietet ihm genug Raum, um sich sowohl gesanglich als auch schauspielerisch austoben zu können. Bei seinem „Du wirst ein Zahnarzt“ bleibt einem kaum etwas anderes übrig, als mit den Füßen mit zu wippen und zwischen Entsetzen und Lächeln über sein Tun hin und her zu wechseln.
Es lässt sich nicht verheimlichen, dass alle Darsteller Spaß an ihren Rollen zu haben scheinen. So ist es ein Leichtes, das Publikum mitzunehmen. Mitzunehmen in die verkehrte Welt von scheinbar Naiven, die sich als schlauer herausstellen als vermutet oder zarten Pflanzen, die sich zu Menschen fressenden Wesen aus dem All entpuppen.
Die Zuschauer honorieren dieses jedenfalls am Ende mit verdienten Standing Ovations und anhaltendem Applaus für die kurzweilige und sehr unterhaltsame Umsetzung des Stücks. Für diejenigen, die sich selbst davon überzeugen möchten. Der kleine Horroladen ist absolut sehenswert und läuft noch bis zum 25.08.2017 auf der Genovevaburg in Mayen.
Termine und Tickets gibt es hier: www.burgfestspiele-mayen.de