In meiner Familie wurde Musik schon immer groß geschrieben… – Teil 1

David Jakobs (c) Iris Hamann
David Jakobs
(c) Iris Hamann

In Musicalkreisen ist er längst kein Unbekannter mehr, war doch schon in mittlerweile einigen großen und kleineren Produktionen auch in Hauptrollen zu sehen. Die Rede ist von David Jacobs. Der gebürtige Mönchengladbacher, der seine Leidenschaft fürs Singen und für die Schauspielerei zum Beruf gemacht hat, steht aktuell gerade in zwei Produktionen parallel auf der Bühne. Einmal in dem Wunder von Bern in Hamburg, wo er die Rolle des Bruno Lubanski verkörpert, wie auch als Che in der Inszenierung von Gil Mehmert’s Evita in Bonn.

Wir haben ihn in Bonn getroffen, wo er uns einen Einblick in seinen Alltag als Musical-Darsteller gewährt hat.

MaybeMusical: Hallo David, im Netz findet man über Dich eigentlich fast nichts…

David Jakobs: Das stimmt. Ich muss da in den nächsten Jahren, da die Anfragen danach immer steigen, mich mit dem Thema möglicherweise etwas mehr beschäftigen. Aber ich bin nicht so der Mensch, der viel am Computer sitzt und Websites oder Ähnliches ausarbeitet. Offensichtlich es ist in der heutigen Zeit anscheinend aber wichtig das auch zu haben. Demnächst wird es dann auch eine Facebookseite geben, die ich dann selber verwalten werde. Es vereinfacht doch einiges.

MaybeMusical: Was hat Dich dazu gebracht, nachdem Du ja schon als Kind u. a. als Gavroche in Les Misérables in Duisburg auf der Bühne gestanden hast, weiterzumachen, also Darsteller zu werden?

David Jakobs: Das Lustige war, dass ich schon als Kind in einer Theatergruppe für Kinder gespielt habe. Da gab es dann Stücke wie z B. Janosch, die Heinzelmännchen von Köln oder was auch immer. Irgendwann war ich zu alt dafür, wollte aber gern weiter Theater spielen. Ich komme aus einer Familie, wo ich mit Musik groß geworden bin. Meine Eltern waren zwar keine hauptberuflichen Musiker, aber es wurde zu Hause immer Musik gemacht. Daher war die Musik sowieso da, aber das Theater war so mein Favourite, mein Großes, was ich gemocht habe. Ich habe dann meiner Mutter gesagt, dass ich gerne weiter Theater spielen würde und da fanden wir damals in der Zeitung einen kleinen Artikel über Kindercasting gefunden. Dort konnte man sich bewerben, Fotos hinschicken… das haben wir alles gemacht und als wir dann dorthin fuhren, entpuppte sich das Ganze erst als eine große Produktion. Das war uns im ersten Moment gar nicht bewusst und dann, plötzlich, war man erst unter den letzten 20 Kindern und danach auch in der Cast. Ich fand das natürlich ganz toll und das hat mir auch den Weg so ein bisschen geebnet. Dadurch habe ich viel mitbekommen, viel aufgesaugt und gemerkt, dass ich genau dafür eine Leidenschaft habe.

MaybeMusical: Wie würdest Du Dich selber beschreiben?

David Jakobs: Oh, das ist eine schwierige Frage. Auf was bezogen denn?

MaybeMusical: Was bist Du für ein Mensch? was für Eigenschaften hast Du?

David Jakobs: Das ist so eine weite Frage… also was ich auf jeden Fall bin ist: neugierig, lebensfreudig. Ich habe viel Energie. Sich selber zu beschreiben ist gar nicht so einfach. Ich habe mir ja auch gerade einen Beruf ausgesucht, wo das meistens die anderen machen. Aber das würde ich so sagen, dass ich das bin. Ich habe Lust auf das Leben und ich habe viel Lust auf meinen Beruf.

Das liebe ich. Und ich habe ja auch das Glück, das ich schon so viele schöne Rollen spielen und so viele schöne Sachen machen durfte und darf.

MaybeMusical: Gibt es auch bestimmte Kriterien, nach denen du deine Engagements aussuchst?

David Jakobs: Also es ist schon so, dass ich gerne Sachen machen möchte, die mich irgendwie interessieren. Ich habe dann Interesse an einem Stück, an einer Rolle oder ganz oft an einem Regisseur mit dem ich gern zusammenarbeiten möchte oder auch einem bestimmten Kreativteam. Und das hat dann den bestimmen Reiz. Da versuche ich dann natürlich auch, die Rolle zu bekommen. Es ist ja auch ganz oft so, dass das Angebot gar nicht so auf dem Tisch liegt. Sondern man geht zum Vorsprechen, manchmal nicht nur ein Mal. Dies ist ja auch ein ganz großes Kriterium in diesem Beruf, dass man sich im künstlerischen, im darstellerischen Bereich sich immer wieder neu beweisen, behaupten und immer wieder vor neuen Leuten, zeigen muss.

MaybeMusical: Es ist also wie bei allen Darstellern eigentlich, dass Dir die Rollen nicht immer direkt angeboten werden, sondern Du gehst zum Casting und entweder Du bekommst die Rolle oder eben nicht.

David Jakobs: Genau. Da kommt man dorthin, steht da mit 80 oder noch mehr Leuten, das ist sehr unterschiedlich, in einem Raum oder in einer Reihe und wartet. Dann kommt man die Tür herein und bekommt zum Beispiel gleich zu Anfang gesagt: Ach, der ist ja blond, das wollten wir ja gar nicht. Es ist einfach so, man muss sich immer auf’s Neue beweisen.

MaybeMusical: Aber das ist doch auch das, was den Reiz ausmacht, oder?

David Jakobs: Ja, aber wie man das sieht, ist glaube ich, eine Einstellungssache. Das kann auch mal sehr mühsam sein, weil man immer wieder immer wieder bei Null anfängt, aber es hat auch einen Reiz, genau. So ist das Spiel.

MaybeMusical: Na gut, aber wenn man sich da nicht darauf einlassen wollte, hätte man vielleicht einen anderen Beruf wählen müssen?

David Jakobs: Wahrscheinlich, ja. Das ist damit verknüpft und wenn man eine Leidenschaft für etwas hat, dann gibt man auch alles dafür.

MaybeMusical: Gibt es irgendwelche Rollen, die Du nie spielen würdest?

David Jakobs: Früher hätte ich diese Frage sofort mit ‚ja‘ ich möchte auf keinen Fall dies oder jenes machen, aber ich glaube heute würde ich das aus der Situation heraus entscheiden. Es gibt bestimmte Shows, die mich erst gar nicht, plötzlich irgendwann dann aber doch auf einmal interessieren.

MaybeMusical: Einfach weil sich die Interessen ändern…

David Jakobs: Genau. Ich spüre das einfach, wenn mich etwas wohin hinzieht. Oh, dafür möchte ich mich jetzt bewerben oder das würde ich gerne machen und dann versuche ich diesem Instinkt auch immer zu folgen.

MaybeMusical: Du hast jetzt viel in München gespielt….

David Jakobs: Ja, in München, viel hier in NRW. Oben im Norden, in Bremerhaven. Ebenfalls in Detmold, Bielefeld… Ich bin ein bisschen herumgekommen…

MaybeMusical: Im Ausland warst Du noch nicht?

David Jakobs: Doch, ich war im Ausland. Ich bin eingesprungen oder was heißt eingesprungen, das war ja vorher geklärt, dass ich in Basel auch Jesus Christ gemacht habe. Zum Schluss waren es dann, glaube ich, 4 Vorstellungen wo ich anstelle von Patrick Stanke den Judas gespielt habe.

MaybeMusical: Den Judas hast Du ja nun schon häufiger gespielt. Gerade die Inszenierungen von Jesus Christ Superstar unterscheiden sich an den einzelnen Theatern zum Teil ja doch erheblich. Die in Basel war schon sehr speziell.

David Jakobs: Ich hab das gerne gespielt, muss ich sagen. Und ich finde, dass Tom Rieser ein sehr toller Regisseur ist. Ich habe leider nicht mit ihm direkt gearbeitet, weil ich ja eingearbeitet wurde, aber ich habe mich auch mit ihm unterhalten. Ich wäre sehr gespannt auf eine Zusammenarbeit.

Ich mochte die Ästhetik der Inszenierung schon, aber ich muss sagen, dass ich sie nie von „außen“ gesehen habe. Es ist immer etwas anderes, wenn man es von außen sieht oder man steckt drin. Ich merke das zum Beispiel auch bei Evita. Da war ich am Anfang auch erst einmal zurückhaltend, habe mich gefragt, was das für ein Stück ist. Aber wenn man dann darin steckt, dann merkt man plötzlich, wie toll man es findet. Ich meine, es kommen oft von außen Leute, die sagen: „Das Stück finde ich nicht so gut“. Ich versuche dann immer zu erklären, dass ich ja eine Geschichte erzählen möchte und da stehe ich auch voll hinter dem Stück.

Das sollte man auch. Es macht ja keinen Sinn, wenn es anders wäre. Wenn jemand von außen kommt und sagt, er findet es nicht so toll, dann sag ich: „Okay, aber ich werde die Geschichte trotzdem weitererzählen“…

MaybeMusical: Gibt es eine Rolle, die für Dich schwierig war umzusetzen?

David Jakobs: Ich finde am Anfang sind alle Rollen erst einmal schwierig, weil man zunächst einen Zugang zu der Figur bekommen muss. Schwierig. Ich gehe mal davon aus, was habe ich sehr gerne gemacht. Große Herausforderungen sind halt immer Stücke, wo man den Abend trägt und wo man den richtigen Kanal finden muss als Schauspieler, wie man es macht. Das ist es zum Beispiel jetzt bei Evita, was so spannend ist mit der Rolle des Che.

Er ist ja auf der einen Seite der Konfrontiere, ein Erzähler und auf der anderen Seite so ein bisschen die oppositionelle Kraft in dem Stück.

Das wiederum hat ja witzigerweise große Parallelen zu dem Stück Elisabeth, was ich dann auch irgendwann festgestellt habe. Che ist so ähnlich wie die Figur des Luccheni. Wobei man als Erzähler echt aufpassen muss, wenn man mit dem Publikum so direkt in die Kommunikation gehen kann, dass man nicht zu viel in dieses „Yeah, Yeah, Yeah“ geht, sondern sich vielleicht einfach zurücknimmt und bei der Geschichte bleibt. Mein Regisseur hier bei dem Stück hat immer gesagt: „Schau, dass es dich wirklich was kostet diese Geschichte zu erzählen. Schau, dass Du versuchst gleichzeitig zu verstehen, warum diese Frau so ist wie sie ist; weil die Leute das Stück im Endeffekt durch die Augen von Che schauen. Er erzählt die Geschichte und er färbt es ein. Es ist ja auch eine große Verantwortung im Endeffekt bildlich gesprochen zu sagen: Ich halte die ganze Zeit den Scheinwerfer.

MaybeMusical: Du lenkst das Stück ja auch irgendwo so ein bisschen…

David Jakobs: Genau, sprich ich kann mit dafür verantwortlich sein, wie die Frau am Schluss gesehen wird und das ist natürlich spannend. So etwas sind Herausforderungen – definitiv. Das hat aber auch immer ganz viel mit der Inszenierung zu tun. Ich habe ja nun auch schon ein paar Stücke mit Gil Mehmert gemacht und ich mag die Arbeit sehr gerne mit ihm. Wir haben mittlerweile eine sehr gute Sprache miteinander gefunden und ich kann mich in seiner Ästhetik als Schauspieler ganz gut bewegen. Das gibt mir auch die Möglichkeit manchmal eine Freiheit zu bekommen und dadurch mit ihm zusammen vielleicht auch eine Virtuosität zu erarbeiten. Das ist natürlich sehr schön.

MaybeMusical: Die Stücke sind von ihm ja auch eigentlich immer gut inszeniert. Er hat schon ein Händchen dafür.

David Jakobs: Ja, das würde ich auch sagen. Er hat einen sehr eigenen Stil und ich finde das toll, wenn jemand so eine eigene Handschrift bekommt. Auch als Regisseur im Theaterbereich.

MaybeMusical: Um nochmal auf Jesus Christ Superstar zurückzukommen. Wie oft hast du jetzt den Judas gespielt? In verschiedenen Inszenierungen?

David Jakobs: Bonn, Dortmund – das ist ja dieselbe Inszenierung gewesen, Basel und dann habe ich eine konzertante Fassung gemacht, also 4 Mal.

MaybeMusical: …demnächst 5 x. Im Frühjahr in München!

David Jakobs: Genau. Unter der Regie von Josef Köpplinger.

MaybeMusical: Das ist derjenige, der auch Tschitti Tschitty, Bäng, Bäng inszeniert hat.

David Jakobs: Richtig. Das ist derselbe Regisseur, also bzw. auch der Intendant. Der Staatsintendant vom Theater am Gärtnerplatz in München. Auch ein sehr geschätzter Regisseur. Er setzt sich vor allem sehr für das Genre Musical ein, gerade auch im Süden Deutschlands und das ist sehr schön. Er versucht, sehr viel auch qualitativ hochwertige Musicals auf den Spielplan zu bringen. Dazu versucht er sehr viele qualifizierte Darsteller nach München zu holen. Für uns ist das ist toll, weil es schon automatisch die Qualität einer Produktion steigert.

Hair dort war auch eine großartig. Das war nun nicht Josef Köpplinger, sondern Gil, aber es war ja auch eine Münchner Produktion. Ich arbeite sehr gerne an dem Haus, das muss ich ehrlich sagen.

MaybeMusical: Hast Du irgendwie ein Geheimrezept, wie Du Texte lernst? Es gibt da ja ganz individuelle Methoden. Der eine rennt zum Theater mit einem Buch vor der Nase, der andere singt zu Hause…

David Jakobs: Ich mache das immer wieder unterschiedlich. Also es gibt die Möglichkeit, dass ich es zu Hause ganz klassisch mache, mich also hinsetze und es immer wieder aufschreibe. Das aber eher seltener.

Meistens lerne ich Text indem ich versuche, mir das laut vorzusagen. Das kommt bei mir immer so in Intervallen. Dann merke ich, ich habe jetzt gerade so einen Flow, jetzt kann ich super lernen und dann wieder hat man so Blockaden und kriegt einfach einen Satz einen Satz nicht in den Kopf rein.

Irgendwann kann man es halt auswendig, aber richtig lernen tue ich den Text erst auf der szenischen Probe. Es ist so, dass man Texte super sprechen kann: zu Hause im Wohnzimmer oder während man leckere Kokossuppe kocht, aber wenn man dann auf der Bühne steht und es heißt: Los!, dann ist alles weg. Ganz einfach, weil da so viele neue andere Eindrücke dazu kommen… Ich sage immer, Text lernt man einmal einfach im Kopf und dann lernt man es mit dem Körper und dann kann man es. Das ist so die Mischung daraus.

MaybeMusical: Du musst ja dann auch noch spielen währenddessen. Es ist ja auch nicht so, dass man den Text einfach nur so runterreden muss…

David Jakobs: Genau. Du brauchst die Haltung dazu. Das baut sich alles so aufeinander auf. Das heißt, es sind bei mir, wenn ich es aufteilen würde, immer zwei Etappen. Einmal so das reine Lernen bis man es so ein bisschen strukturiert hat und dann fängt man es an wie Schrauben festzuziehen, wenn man auf der szenischen Probe ist.

MaybeMusical: Und dann passieren, trotz bester Vorbereitung und Proben dennoch die berühmten Texthänger auf der Bühne…

Ist Dir eigentlich schon einmal bei irgendeinem Stück passiert, was Dir in bleibender Erinnerung geblieben ist? Egal, sei es positiv oder negativ..

David Jakobs: Ja. Mir ist mal ein ganz schlimmer Fauxpas passiert, den ich immer wieder gerne erzähle. Ich habe in Bielefeld Thommy gespielt. In diesem Stück gibt es dieses Lied „Pinball Wizard“. Wir haben das damals in Deutsch gemacht und es gibt diese Szene wo ich dieses Lied singe. Ich hatte mich vorher mit meinen Kollegen darüber unterhalten, dass es auf Englisch ja viel cooler wäre. Ich hatte das ja auch beim Aufwärmen hinter der Bühne gehört. Natürlich auf Englisch. Ich bin dann in die Vorstellung gegangen, krabbel aus dem Gullydeckel raus und mein Text wäre gewesen: „Schon früh als kleiner Junge spielte ich den Silberball… und ich renne nach vorne und singe: „Ever since I was a young boy, I play this silverball…Das habe ich dann durchgezogen. Ich konnte glücklicherweise den englischen Text. Meine Kollegen kamen alle dazu, grinsten mich an und dachten, ich hätte das absichtlich gemacht. Aber ich habe in dem Moment, auch nicht wo die ersten drei Wörter kamen gemerkt, dass ich englisch singe…

MaybeMusical: Witzige Geschichte. Aber das ist zum Glück ja nicht so dramatisch, da gibt es schlimmere Sachen…

David Jakobs: Allerdings. Bei „Into the Woods“ bin ich als Aschenputtelprinz auf die Bühne gekommen und hatte den Schuh nicht dabei. Das war auch ziemlich blöd. Ich hab dann irgendwie gesagt, dass ich hab den Schuh in meinem Schloss bereits unter einer Glaskuppel hätte. Ich hab da irgendeinen Quatsch erzählt. Das war aber noch im Studium. Da habe ich „Into the Woods“ am Theater Hagen gespielt. Es gibt natürlich tausende solcher Geschichten. Das sind dann auch immer die spannendsten, ist ja klar. Aber das sind die zwei, die mir gerade so einfallen.

MaybeMusical: Das Witzige ist, dass es vielen Zuschauern auch erst dann, wenn überhaupt, auffällt, wenn sie das Stück öfters sehen.

David Jakobs: Das kriegen ganz viele nicht mit. Diejenigen, die nur einmal reinkommen, denken, dass muss so sein.

Wie oft Kollegen von der Bühne runterkommen und sagen: Oh Mann, da habe ich jetzt aber gerade.. und es hat niemand gemerkt…

Was David Jakobs sonst noch für Ideen und Pläne hat erfahrt ihr in Teil 2 des Interviews.