Der sympatische, gebürtige Mainzer Andreas Bieber ist seit vielen Jahren in der Musicalwelt zu Hause und daraus nicht mehr wegzudenken. Bereits im Schulalter sammelte er erste Bühnenerfahrungen und kann bis heute auf viele verschiedene Rollen und zahlreiche Konzerte zurückblicken. Was ihm wichtig ist im Leben, was er in seiner Freizeit macht und wie sein neuestes Projekt aussieht, hat er uns in Berlin verraten. Vorstellen muss man ihn eigentlich nicht mehr. Schließlich ist er kein Unbekannter – und das wie man immer wieder feststellt – nicht nur in der Musicalszene. Auch bei Konzerten, Filmproduktionen und „normalen Theaterstücken“ wirkte oder wirkt er mit. Genau aus diesem Grund hat er auch eine Menge zu erzählen.
Zum Musical kam er eigentlich über einen kleinen Umweg, nämlich über den ursprünglichen Wunsch Schauspieler zu werden, erzählt er uns. Als der in der Oberstufe zu wählende Sportkurs Schwimmen nicht zustande kam, blieben nur zwei Alternativen. Die eine war Leichtathletik, wo man im Winter eventuell draußen herumrobben musste, die andere, ein zu diesem Zeitpunkt neuer Kurs, nämlich Jazz-Tanz-Gymnastik. Die Entscheidung fiel in diesem Fall nicht schwer. Die so erstmals gemachten Erfahrungen mit dem Tanzen, motivierten zu mehr, sodass der Kurs, in einem von der Lehrerin empfohlenen Tanzstudio, auch in den privaten Bereich verlagert wurde. Dort kam er auch mit dem Musical erstmalig in Berührung. Die schon gefällte Entscheidung, die Aufnahmeprüfung für Schauspiel, für die schon alles vorbereitet war, zu absolvieren, wurde zugunsten der Musicalausbildung erst mal beiseite geschoben. Durch eine Bekannte, die zu diesem Zeitpunkt in Wien studierte, konnte er einen Einblick in die Branche bekommen und empfand die Ausbildung als „Allrounder“ durchaus auch als reizvoll. Wenn auch Musicals so vielseitig wie nichts anderes sind, wollte er seine Wurzeln nicht ganz verleugnen und machte im Anschluss auch noch seinen Schauspielabschluss.
Bisher kann er auf eine ziemlich erfolgreiche Karriere zurückblicken, was nicht alle Darsteller von sich behaupten können. Dennoch stellten auch wir ihm die Frage, ob es nicht Zeiten oder Momente gab, wo er am liebsten alles hingeschmissen hätte. Aber als Vollblutmusiker stellt sich die Frage weniger oft als man annehmen könnte. Natürlich gibt es diese Momente, gibt er zu, jedoch ist es für ihn weniger ein Beruf als vielmehr eine Berufung, die er mit soviel Leidenschaft ausübt, dass er sich nicht vorstellen könnte etwas anderes zu machen. Das Drumherum wie das Business inzwischen läuft hingegen, bringt jemanden sehr oft an den Punkt sich zu wundern, wie groß ein Wortschatz an Kraftausdrücken werden kann. „Ich wünschte manchmal, ich hätte die Leidenschaft für etwas anderes, dann würde ich tatsächlich aufhören“, gibt er zu, „hab ich aber nicht“ fügt er gleich lachend an „Mir macht das was ich mache so viel Spaß. Ich kann mich so häufig ausprobieren und sorge für mich selbst für eine größtmögliche Vielfalt. Das ist mir wichtig.“
Diese Vielfalt spiegelt sich auch in seinen Rollen wieder. Besonders auffällig ist sein Hang zu doch etwas skurrilen Rollen, die eben nicht Mainstream sind. Aus diesem Grund kann er auch keine Lieblingsrollen benennen – oder eben doch, nämlich genau die, die das Gegenteil von dem ist was in dem Moment aktuell von ihm gespielt wird. „Ich möchte nicht immer im selben Stiefel laufen“, bringt er diese Aussage auf den Punkt und beginnt über das Stück, wo er im Sommer den Leopold „Im Weissen Rössl“ gespielt hat zu plaudern. Daran fasziniere ihn, dass es eben auch nicht Mainstream ist, sondern eine Variante. „Inszenierungen davon gibt es unzählige. Groß, mit Ballett und allem Möglichen. Torsten Fischer geht da eher wieder an bisschen an die Wurzeln. Er überlegt wie kann man es noch erzählen. Das gefällt mir“ Das Stück ist auch nicht mit einer der bekanntesten Verfilmungen mit Peter Alexander zu vergleichen. Natürlich fällt dieser jedem als erstes ein und die Geschichte ist und bleibt auch die Geschichte, aber hier ist sie ganz anders erzählt „Sie ist in erster Linie – und das ist wichtig heutzutage – entstaubt, entmufft. In der Ursprungsfassung gibt viele Elemente, die man heute nicht mehr so lassen könnte. Diese sind grauenvoll, frauenfeindlich, furchtbar – unerzählbar in der heutigen Zeit“, erklärt er uns, „das Element ist in unserer Fassung zwar noch da, wird aber mit einem anderen Inhalt und da mit einem Augenzwinkern erzählt. Die moderne Fassung verzichtet jedoch nicht auf Bauerntheater, Comedy und Parodie. Dies ist auch bewusst so gewollt, schließlich möchte man das Stück ja nicht kaputt machen, sondern es nur modernisieren“.
Ob dies bei einem Singspiel, wie es bezeichnet wird, leichter fällt, ist schwer auszumachen. Der Unterschied zum Musical oder zur Operette ist nicht so groß. „Es so zu benennen ist ein bisschen kleinkariert und wird auch eher in Deutschland so differenziert“, versucht Bieber zu erklären, „bei einer Operette, denken die Leute gleich es ginge Richtung Oper und es würden dort klassische Stimmen zu hören sein. Bei einem Singspiel wird das nicht erwartet, sondern es ist klar, dass es es auch Schauspieler sein können, die singen. Es ist eben ein Theaterstück bei dem auch gesungen wird.“
Übrigens in diesem Fall in einem sehr passenden Rahmen. Das Renaissance-Theater mit seiner ungewöhnlichen Bühne und dem familiären Ambiente passt hervorragend zu diesem Stück. Immer kann man dies natürlich nicht gewährleisten. Die Theater sind meist auch schwerlich zu vergleichen. Somit gibt es auch für Andreas Bieber nicht „das“ Lieblingstheater. Speziell hier ist es eine unglaublich tolle Familie, schwärmt er, „wir als Ensemble haben wirklich Glück gehabt. Hier passt alles. Natürlich ist es nicht so luxuriös wie im Theater des Westens wo es zum Beispiel Solo-Garderoben gibt. Es ist dort halt alles netter gemacht, auch weil mehr Geld dahintersteckt. Aber genau dort sind wir wieder an dem Punkt: die Abwechslung macht’s. Immer wenn ich in einem Hinterhof gespielt habe, freue ich mich danach wieder eine Rolle spielen zu dürfen, wo ich mich nicht um Kleinigkeiten kümmern muss. Umgekehrt genieße ich es wenn ich eine Weile in einem großen Haus gespielt habe, wieder am Detail zu arbeiten oder selbst Kulissen schieben.“ Dann fügt er noch hinzu: „Wien, ich spiele total gerne in Wien. Dort ist es eigentlich eine tolle Mischung, große Häuser mit einem familiären Hintergrund. Die Leute hinter, unter, neben und auf der Bühne kenne ich seit 5000 Jahren. Da ist auch viel Freundschaft dabei.“
Wenn man die Abwechslung so liebt wie Andreas Bieber stellt sich die Frage, ob es überhaupt Rollen gibt, die er noch einmal annehmen würde. Dazu fällt ihm als erstes „Hedwig and the angry inch“ ein. Dieses Stück liebt er wirklich. Dadurch, dass es jedoch ein in gut zwei Stunden Monolog mit Songs eingebetteter Psychotrip ist, ist es auch körperlich wahnsinnig anstrengend. „Dennoch reize es ihn“, führt er aus, „weil es ein Stück mit Substanz ist. Es löste bei mir das Kopfkino aus“, dennoch käme eine erneute Spielzeit eher nicht in Frage, stellt er nach kurzer Überlegung fest.
Eine Rolle mehrfach in verschiedenen Produktionen anzunehmen, möchte er nicht gänzlich ausschließen. „Gerade kam die Frage, ob ich in der nächsten Sommerproduktion in Thun nochmals den Fred in „Ich war noch niemals in New York“ übernehmen würde. Dies geht nun aufgrund meines anderen Engagements nicht. Ich würde es nun nicht mehr für Jahre spielen wollen, aber wenn ich gerade Leerlauf habe und ein Angebot kommt, warum nicht?“
Nun möchten wir genauer wissen wonach er seinen Rollen aussucht und was für ihn eine Rolle ausmacht. Die Musik? Der Rollen-Charakter? Oder etwas ganz anderes? Auch hier ist es nicht einfach schwarz oder weiß oder nur ein einzelner Punkt. Es kommen viele Dinge zusammen. Es ist quasi so ein „Allround-Paket“ und oftmals hat es mit ganz banalen Sachen zu tun. „Zunächst einmal meine Verfügbarkeit“ erklärt Bieber „und dann kommen Dinge hinzu wie wer wird gesucht. Da steht an ganz erster Stelle Typ, Typ, Typ. Oft wird schon vorab aussortiert, weil zu groß, zu klein, zu jung, zu alt, Stimme zu hoch, zu tief. Außerdem habe ich auch keine Lust mehr wegen jedem Job umzuziehen. Das alles schränkt das Feld des „sich etwas aussuchen können“ doch etwas ein. Wenn ich jedoch die Wahl habe, dann geht es mir sicher um das Inhaltliche. Eine Rolle, die ich noch nicht gespielt habe oder in der man mich so nicht kennt. Das ist dann aber schon eher das Luxusdenken, wenn man die anderen Hürden überhaupt genommen hat.“ Freier ist man beim Thema „Konzerte“ und da beginnen seine Augen zu leuchten „Ich liebe Konzerte und habe mir da über die Jahre auch ein gutes zweites Standbein aufgebaut, so dass ich auch lieber mal eine Weile nur Konzerte machen würde, als dass ich umziehen müsste.“
Aber bevor nun das „Weisse Rössl“ in 2019 wieder aufgenommen wird, geht es im Herbst für Andreas Bieber gleich mit dem nächsten Projekt weiter. Der Friedrichstadtpalast in Berlin startet am.11. Oktober 2018 nach zahlreichen Previews mit der Premiere seiner nächsten „Grand Show“. Nach der überaus erfolgreichen Show „The One“ kommt nun „Vivid“ ins Programm. In der Revue, die Bieber sehr an den Cirque de Soleil erinnert, werde Geschichten anhand von Bildern mit vielen Tänzern, Akrobaten und tollen Kostümen erzählt. „Ein optisches Wahnsinnsspektakel, das immer ein Konzept, einen roten Faden hat“, beschreibt er die Show „ Bei Vivid geht es um eine Figur, die junge Androidin R´Eye. Sie bricht immer mehr aus ihrer Welt der Synchronizität aus und lernt so das „wahre Leben“ kennen. Das Leben mit allen Facetten. Mit den guten Seiten, mit den schlechten Seiten und entwickelt sich dadurch zum reifen Menschen. Ich bin da der Entertainer und ich führe die Hauptfigur so ein bisschen dadurch. Ich zeige ihr sowohl den Spaß, als auch den Abgrund am Leben. Wobei ich sage, dass der Abgrund durchaus Spaß machen kann. Der Entertainer ist so ein bisschen derjenige, der ihn auf der einen Seite in Versuchung führt, auf der anderen Seite aber auch der beste Freund ist, der will dass er das Gesamtpaket des Lebens kennenlernt“ erzählt er weiter „man folgt bei dieser Show keiner Story im klassischen Sinne, sondern einem Konzept, das die Geschichte durch ganz tolle Bilder, Songs und Tanz- oder Akrobatik-Nummern darstellt.“ Nicht nur das Publikum, auch Andreas Bieber ist gespannt. „Ich bin zwar ein Showpferd und mag das, aber diese Dimension kenne ich auch noch nicht“ gibt er lachend zu.
Für die Rolle des Entertainers konnte man auch keinen perfekteren als Andreas finden. Sie scheint ihm auch in anderen Bereichen zu liegen. So nimmt er auch gern bei Konzerten die Zügel auf Moderatorenebene in die Hand und begleitet die Songs mit viel Wortwitz und scheinbar mühelos durch den Abend. Von akribischer Vorbereitung der Texte hält er jedoch eher weniger. „Das meiste kommt spontan“, erläutert er und das nimmt man ihm auch ohne Zweifel ab. Der rote Faden und eine gewisse Logik sollte, genau wie bei Vivid, laut seinter Meinung zwar vorhanden sein. „Schließlich geht es ja darum den Leuten zu erzählen was das für ein Song ist und warum dieser gerade jetzt kommt,“ ansonsten plappere er meist spontan. „Die Leute wollen mich oder uns bei einem Konzert ja nicht in einer Rolle sehen, sondern den Andreas. Das ist der Punkt. Text auswendig lernen kann man auch wenn man eine Rolle spielt. Darum geht es bei einem Konzert ja nicht“.
Auf die Frage hin, ob er sich vorstellen könnte selbst einmal in die Rolle des Autors eines Musicals zu schlüpfen, schüttelt er energisch den Kopf. „Ein bisschen Texte schreiben ginge sicherlich, aber ich kann nicht komponieren“, gibt er zu bedenken. „Selbst wenn jemand den Part der Musik übernehmen würde, gäbe es noch viel zu viele andere Dinge zu beachten. Die Architektur des Musicals zum Beispiel. Es sind so viele Bausteine, die zu einem großen Ganzen zusammengefügt werden, dramaturgische Gedanken, wann genau welche Ballade an welcher Stelle stehen muss… Einen einzelnen Song zu schreiben ist sicher machbar, aber kein ganzes Musical. Das interessiert mich auch nicht so. Das sollen andere machen“. Wohingegen inszenieren durchaus für ihn vorstellbar wäre. „Ich habe schon Ideen, Visionen und diese umzusetzen wäre sicher sehr spannend.“