Amadeus – Zwischen Genie und Wahnsinn

Mozart schreibt wie vom Wahnsinn ergriffen – Die Venticelli und Salieri schauen zu (c) Volker Beinhorn

Wir schreiben das Jahr 1823. Komponist Antonio Salieri verbreitet das Gerücht, er habe Wolfgang Amadeus Mozart umgebracht. In den Gassen der Stadt fragt man sich: War er es oder war er es nicht? Hat Salieri Mozart umgebracht? Die Geschichte erzählt von Salieris Kampf mit Gott und seinem Verlangen, mehr als nur das Mittelmaß zu sein. In seiner letzten Premiere der Saison zeigt die Landesbühne Nord im Stadttheater Wilhelmshaven das Drama von Oscarpreisträger Peter Shaffer unter der Regie von Markus Röhling.

In einem Zwiegespräch führt Antonio Salieri (Simon Ahlborn) sein Publikum zurück ins Jahr 1781. Salieri lebt mit seiner Frau in Wien und dient am Hof des Kaisers (Helmut Rühl) als Mozart (Ben Knop) in die Stadt kommt. Salieri, vom Menschen Mozart beunruhigt, lauscht bei einem Konzert des jungen Komponisten und erkennt dessen Genie. Salieri, durch die Angst getrieben, versucht mit immer drastischeren Mitteln, Mozart zu bekämpfen. Als er den Verdacht schöpft, Mozart könnte ein Verhältnis mit Salieris Lieblingsschülerin Katherina Cavalieri (Aida-Ira El-Eslambouly) haben, beschließt er, sich zu rächen, indem er Mozarts Frau Constanze (Johanna Kröner) verführt. Als er sie bei einer Abendgesellschaft alleine antrifft, klagt sie ihm die Geldnot des Paares. Salieri bietet ihr an, Mozart gegen eine Gegenleistung ihrerseits eine Stelle bei Hofe zu verschaffen. Wütend verlässt Constanze Salieri und dieser wird sich seiner eigenen Mittelmäßigkeit, verglichen mit Mozart, bewusst. Er schwört Gott seine Rache und will diese erlangen, indem er Mozart zerstört.

Trotz dem sich Constanze ihm noch anbietet, empfiehlt Salieri einen anderen Mann für die Stelle bei Hofe. Die Venticelli, Salieris Informanden (Aida-Ira El-Eslambouly und Patrick Kramer), tragen ihm immer mehr Informationen über Mozarts zusehends desolatere Situation zu. Kaum Schüler, keine Stellung und ein Kind unterwegs. Mozart versinkt immer mehr in der Verzweiflung während Salieri zum Hofkapellmeister ernannt wird. Trotz seiner verzweifelten Situation und einer vermeindlichen Syphilis-Erkrankung, komponiert Mozart noch wie besessen. Der Tod seines Vaters inspiriert ihn schließlich zu „Don Giovanni“. Mit dem Kammerherrn des Kaisers, Graf von Strack (Metin Turan), und Graf Orsini-Rosenberg, dem Direktor der Nationaloper (Dominik Bliefert), an seiner Seite, tut Salieri alles, um Mozart das Leben schwer zu machen. Schließlich verschafft Salieri Mozart eine Stellung bei Hofe als Kammerkomponist. Auf Salieris Geheiß hin verdient dieser jedoch nur einen Bruchteil des eigentlichen Lohnes. Mozart, dank Baron von Swieten (Johannes Simons) inzwischen genau wie Salieri Mitglied der Freimaurer, wird von diesen ob seiner Not unterstützt. Salieri spinnt eine Intrige, um Mozart auch diese Unterstützung zu entziehen. Dieser komponiert unterdessen für Schikaneders Volkstheater in der Wiener Vorstadt „Die Zauberflöte“. Auf Salieris Vorschlag hin nutzt er die Rituale der Freimaurer für das Stück. Als van Swieten nach der Premiere davon erfährt entzieht, er Mozart sämtliche Unterstützung. Zu allem Überfluss verlässt ihn zudem seine Frau Constanze. Gerüchte gehen um, dass Mozart verrückt geworden sein. Salieri sieht sich am Ziel. Er sucht Mozart auf und offenbart sein Tun. Mozart, zu diesem Zeitpunkt bereits ein gebrochener Mann, stirbt kurze Zeit später in den Armen seiner Frau.
Als die Venticelli Salieri die Nachricht von Mozarts Tod überbringen, wird diesem bewusst, dass er Mozart in den Tod getrieben hat. Ihm wird schnell bewusst, dass Gott ihn dafür straft. Mozarts Werke erlangen schnell nach dessen Tod Weltruhm, während Salieris Werke immer mehr in Vergessenheit geraten. Mit dieser Erkenntnis beendet Salieri seine Reise in die Vergangenheit. Als alter gebrochener Mann, gepeinigt durch die eigene Mittelmäßigkeit, beschließt er das Gerücht verbreiten zu lassen, dass er Mozart getötet habe. Anschließend versucht er sich das Leben nehmen und als Mörder von Wolfgang Amadeus Mozart in die Geschichte eingehen.

Salieri (Simon Ahlborn) und Constanze (Johanna Krömer) (c) Volker Beinhorn

Die Landesbühne zeigt mit dieser Inszenierung von Amadeus wie es trotz einem kleinen Ensembles gelingen kann, „großes Kino“ auf die Bühne zu bringen. Eine raffinierte Ausstattung mit herrlichen Kostümen und ein sehr gelungener Bühnenaufbau (Eckhard Reschat) zeigen, dass großes Theater auch an kleinen Häusern möglich ist. Dazu trägt vor allem einer bei: Simon Ahlborn zeigt als Antonio Salieri eine herausragende Leistung. Auf seinen Schultern lastet die gesamte Geschichte. Er führt mit klarer und deutlicher Stimme durch den Abend. Fast permanent auf der Bühne leistet er Großes. Sein Salieri scheint unglaublich wandlungsfähig. In einem Moment ist er noch der verzweifelte alte Mann, im nächsten ist er der junge aufstrebende Komponist, der sich Hoffnung auf einen hohen Posten am Hofe des Kaisers machen kann. Diese Wandlung bleibt immer glaubhaft und auch an Stellen, in denen das Ganze Stück schnell entgleiten könnte, gelingt es Ahlborn hervorragend die Aufmerksamkeit des Publikums zu fesseln und sie durch die Abgründe von Salieris Rachefeldzug zu führen.

Ahlborn nichts nachstehend präsentiert sich Ben Knop als Wolfgang Amadeus Mozart. Ihm gelingt es, sowohl den kindlich-albernen jungen Mozart, aber später auch den späteren Mozart auf die Bühne zu bringen. Knop, eigentlich gelernter Musicaldarsteller, brilliert in der Rolle es verrückt gewordenen Genies und zeigt, dass ihn vier Jahre am Mehrspartenhaus in Wilhelmshaven zu einem hervorragenden Charakterdarsteller gemacht haben. Eines verleiht Knop noch zusätzlichen Charme: Wer außer ihm könnte bunte Kostüme von lachsfarben, über gelb bis hin zu einem Flamingo Muster mit einer solchen Selbstverständlichkeit tragen, ohne allzu lächerlich zu wirken?

Aida-Ira El-Eslambouly und Patrick Kramer brillieren in den Rollen der beiden Venticelli. Durchtrieben, hinterlistig und schön verschlagen, zeigen die beiden wunderbar ihr schauspielerisches Können. El-Eslambouly besticht zudem in der Rolle der Katherina Cavalieri mit beeindruckend schnellen Kostümwechseln.

Johanna Krömer zeigt, dass Frauen schon immer die Geschicke in der Hand hatten. Trotz der vergleichsweise wenigen Zeit auf der Bühne, beeindruckt sie vor allem in ihren opulenten Kostümen, in denen sie trotz allem wie selbstverständlich durch die Gegend stürmt und auf den Flügel klettert. Auch Schauspielerisch steht sie ihren Kollegen in nichts nach. Egal ob als naive junge Frau oder später als verzweifelte Ehefrau. Krömer überzeugt mit jeder Facette ihrer Rolle.

Der Kaiser und seine Untergebenen (c) Volker Beinhorn

Bestens ergänzt werden die Hauptakteure durch Johannes Simons als Baron van Swieten, Metin Turan als Graf von Strack und Dominik Bliefert als Garf Orsini-Rosenberg. Obwohl alle drei den einen oder anderen Lacher auf ihrer Seite haben, wirken ihre Darstellungen nie überzeichnet. Herrlich stellt Helmut Rühl Kaiser Joseph II. dar. Sein Wiener Dialekt unterstreicht die unfreiwillige Komik seiner Rolle und wirkt nie überzeichnet, sondern wird von Rühl genau wie die gesamte Rolle gekonnt zur Geltung gebracht.

Der langanhaltende Applaus für die Darsteller ist am Ende des Abends mehr als verdient und macht deutlich, dass der Landesbühne hier erneut eine großartige Inszenierung gelungen ist. Lea Redlich als leitende Dramaturgin des Hauses hat mit diesem Stück noch einmal ein Ausrufezeichen unter ihre Karriere am Haus gesetzt. Sie verabschiedet sich ebenso wie die Darsteller mit langanhaltendem Applaus von „ihrem“ Wilhelmshavener Publikum. Das Stück läuft noch bis Saisonende neben den Vorstellungen am Stadttheater auch im gesamten Spielgebiet. Alle Termine und Karten gibt es hier!