Jesus oder Judas – „Jesus Christ Superstar“ in Wiesbaden

Jesus und seine Jünger © Karl Monika Forster

In Wiesbaden sind die Musicals meistens eher dem “Jungen Staatsmusical” vorbehalten, wo zuletzt Erfolge wie “The Addams Family” oder “Our House” im kleinen Haus über die Bühne gingen. In dieser Spielzeit zeigt das Staatstheater Wiesbaden jedoch auch “Jesus Christ Superstar” im großen Haus. Was diese Inszenierung auszeichnet und für wen diese Inszenierung sehenswert ist, erfahrt ihr wie immer bei uns.

 

“Jesus Christ Superstar” ist wohl eines der bekannteren Musicals von Andrew Lloyd Webber, der auch für Musicalerfolge wie “Evita”, “Cats” oder “Das Phantom der Oper” verantwortlich ist. Während viele seiner Musicals noch immer En-Suite in immer den gleichen Inszenierungen gespielt werden, kommen immer mehr seiner älteren Werke auch auf die  Spielpläne kleinerer Stadt- und Staatstheater. Das Musical von Andrew Lloyd Webber und Tim Rice feierte 1971 seine Uraufführung in New York und wurde seitdem in unzähligen Inszenierungen fast überall auf der Welt gespielt und sorgte aufgrund seiner Handlung auch für die ein oder andere Kontroverse. Unter anderem in Weißrußland ist das Musical verboten, da es Judas als sympathische Figur darstellt. Dennoch wurde das Musical inzwischen zwei Mal verfilmt, eine Aufzeichnung der Arena-Tour von 2012 existiert auch und eine NBC-Live-Version erwartet uns vermutlich Ostern 2018. Wer das Musical sehen will, findet also ganz bestimmt irgendeine Möglichkeit, entweder auf dem heimischen Fernseher oder eben live auf einer Bühne.

Das Musical handelt von der biblischen Erzählung der letzten Tage von Jesus von Nazareth von Palmsonntag bis zur Kreuzigung am Karfreitag. Erzählt wird die Geschichte jedoch nicht aus der Sicht von Jesus, sondern von dessen Verräter Judas. Dabei werden auch die Motive der jüdischen Hohepriester beleuchtet und die inneren Zweifel von Pontius Pilatus. In der Inszenierung von Iris Limbarth wird aus der biblischen Figur Jesus von Nazareth jedoch mehr und mehr ein Revolutionär, der einen überschwingenden Personenkult um sich aufgebaut hat. Das fängt bereits damit an, dass zur Ouvertüre verschiedene Nachrichtenmeldungen aus aller Welt eingeblendet werden. Krisenbilder wechseln sich mit Choreografien ab. So ist es nicht verwunderlich, dass die jüdischen Hohepriester Flatscreens haben und – fast schon ein wenig makaber – sensationsgeile Zuschauer Selfies mit dem ausgepeitschten Jesus machen.

Nyassa Alberta, die zuletzt in Köln als Rachel Marron in “Bodyguard” die Zuschauer begeistert, schafft dies auch mühelos durch ihre ausdrucksstarke und einzigartige Soulstimme in der Rolle der Maria Magdalena. Ulrich Rechenbach spielt einen sehr emotionsgeladenen Judas, der von Anfang an sehr überzeugt vom nahenden Untergang wirkt. Stimmlich überzeugt auch er, wenn auch die Tontechnik an dieser Stelle ein wenig zu leise eingestellt war am Anfang. Jesus von Nazareth wird von Björn Breckheimer gespielt, der einen sehr überforderten Jesus darstellt, jedoch hinter den Möglichkeiten etwas zurückbleibt. Sein Jesus wirkt bei fast jeder Äußerung überfordert oder gar erschrocken, was den Zuschauer nicht wirklich mit der nahenden Dramatik mitfühlen lässt. Herodes, gespielt von Uwe Kraus, wirkt in seiner Rolle fast schon wie eine Persiflage auf Donald Trump und bringt mit seinem Auftritt ein wenig Leichtigkeit in die Handlung, ehe es danach ordentlich zur Sache geht.

Nyassa Alberta (Mitte) als Maria Magdalena © Karl Monika Forster

Die Auftritte der jüdischen Hohepriester in ihren langen schwarzen Roben und ihren streng gebundenen Haaren mitsamt blasser Vampirhaftigkeit sind jedoch immer wieder ein echter Genuss für die Augen und Ohren und sorgen das ein oder andere Mal für Gänsehaut. Manchmal könnte man sich allerdings dabei erwischen, dass man eher mit den Hohepriestern und Judas mitfühlt oder sich gar auf deren Seite schlägt. Und ob dies das Gefühl ist, das dieses Musical transportieren soll ist fraglich.

Ein großes Manko ist die deutsche Übersetzung. Jesus Christ Superstar ist eines der wenigen Musicals, die übersetzt zu viel ihrer ursprünglichen Doppeldeutigkeit und Scharfzüngigkeit einbüßen. Da es sonst ohnehin keine Dialoge gibt, wäre es vielleicht sinnvoller gewesen, die englische Originalfassung mit deutschen Über- oder Seitentiteln zu spielen.

Immerhin das Bühnenbild ist in sich stimmig und zeigt durch die gewählten Bilder den Personenkult rund um Jesus von Nazareth, der hier wie eine Anlehnung von Che Guevarra wirkt. Durch gezielte Lichtstimmungen verwandelt sich die eher dem rechten Publikum zugewandte Konstruktion in kürzester Zeit auch in einen Nachtclub für die Tempelszene oder durch herabfahrbare Prospekte auch in Pilatus‘ Schlafzimmer oder die Räume der jüdischen Hohepriester.

Das Stück ist noch bis 22.06.2018 in Wiesbaden zu sehen. Informationen und Tickets sind hier zu finden.