Solide Tourproduktion von Evita mit kleinen Schwächen

Dass im Stadttheater Rüsselsheim, als reines Gastspielhaus, mehrmals im Jahr verschiedene Musicals Halt machen, ist kein Geheimnis. Am 27.09. gastierte hier die Tourproduktion von “Evita”, die – wie bereits “Kiss me Kate” in der vergangenen Spielzeit – vom Eurostudio Landgraf produziert wurde. Ob sich ein Besuch lohnt und wie diese Produktion im Vergleich zu den unzähligen anderen “Evita”-Produktionen im deutschsprachigen Raum abschneidet, erfahrt ihr hier.

“Evita”, welches 1978 in Großbritannien uraufgeführt wurde, ist schon lange zu den Klassikern des Musicalgenres aufgestiegen. Verwunderlich ist es also nicht, dass Evita ein gern gespieltes Stück in den Theatern überall auf dieser Welt ist – nicht nur in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Dass das Stück gerade im deutsprachigen Raum ein kleines Wiedererblühen erlebt, spricht eindeutig für die wirklich einzigartige Musik des Stücks und war gewiss auch einer der Gründe, deswegen das Stadttheater bis auf wenige Plätze voll besetzt war.

Das Musical erzählt vom kurzen Leben der aus ärmlichen Verhältnissen stammenden Argentinierin Eva Duarte, die durch geschickten Einsatz ihrer “physischen Talente” zur Liebschaft Oberst Perons und später – an dessen Seite – sogar zur Präsidentengattin aufsteigt. Bereits im Alter von 33 Jahren starb Evita.

Dabei schafft es das Musical, mit der von lateinamerikanischen Tangorhytmen dominierten Komposition von Andrew Lloyd Webber und den messerscharfen Texten von Tim Rice, nicht nur den heute noch lebenden Evita-Mythos zu bekräftigen, sondern im gleichen Atemzug auch zu hinterfragen.

Behilflich dabei, ist ein besonderer Kunstgriff: die Erzählerrolle des Che. In dieser Produktion als junger Student mit kahlgeschorenem Kopf angelegt, schafft es Manuel Lopez spielerisch mit einer gehörigen Portion Zynismus und einer angenehmen Tenorstimme, das Publikum zu begeistern.

Die Rolle des Oberst Peron spielt, der Rolle eher untypischen, mit kräftiger Stimme Michael Hiller. Wirkliche Höhepunkte sind hier “Das Handwerk des Möglichen”, in denen er metaphorisch mit verschiedenen anderen Ensemblemitgliedern in Uniform Bündnisse schließt und letztlich seinen letzten Kontrahenten attackiert, als dieser es nicht erwartet.

Stephanie Theiss singt und spielt hier die Titelrolle der Eva Peron. Während sie stimmlich und schauspielerisch angenehmerweise nicht – wie viele andere, die diese Rolle im Laufe der Jahre gespielt haben – die höhen Töne mehr schreit als singt, passt sie optisch nicht immer überzeugend in die Rolle. Besonders deplatziert wirkt sie da am Anfang des Stücks, da ihr das kindliche der Rolle einfach fehlt. Zum Ende hin scheint sie jedoch wahrlich aufzublühen und zeigt, dass sie die Facetten der von der Krankheit gebeutelten, aber noch immer willensstarken Evita wirklich beeindruckend beherrscht.

Eine angenehme Überraschung waren Alice Macura, in der Rolle von Perons Geliebter, und Ramin Dustdar, als stimmlich souveräner Magaldi. Beide erhielten, trotz ihrer kurzen Auftritte, in diesen Rollen lauten Beifall.

Auch der Ton scheint manchmal etwas unglücklich abgestimmt worden zu sein. Hier wurde mit einer Mischung aus vorgefertigter Musik, Keyboards und echten Instrumenten gewählt. Leider waren gelegentlich die echten Instrumente unpassend laut im Verhältnis zur eingespielten Musik und sogar lauter als das Gesungene. Wer das Stück oder sogar den Film nicht vorher schon kannte oder sich mit der Materie auseinandergesetzt hat, hat hier gewiss einige Lücken erlebt. Auch das Spotlight war – vor allem im ersten Akt – sehr träge. Manuel Lopez stand häufig einige Sekunden im Dunkeln, ehe der Spot auf ihn gerichtet wurde.

Trotz all dieser kleineren Schwächen, die man bei einer Tourproduktion aber durchaus erwarten und in Kauf nehmen sollte, schaffte es das Stück, einige wirklich schöne Bilder zu erschaffen. Gerade das Ende, als Stephanie Theiss zur “Wehklage” erneut auf dem Balkon steht und singt, war durchaus ein Moment, der noch lange in Erinnerung bleiben wird. Das Publikum dankte es den Darstellern mit stehenden Ovationen.
Wer das Musical gerne einmal kennenlernen möchte, der kommt bei dieser Produktion gewiss auf seine Kosten. Es wird eine solide Tourproduktion mit kleineren Abstrichen geboten.

Das Stadttheater Rüsselsheim zeigt auch in dieser Spielzeit noch weitere Musicals. Darunter “Daddy Cool” und “Oliver! Tu doch was dein Herz dir sagt”.

Informationen und Tickets gibt es hier.