In Bad Hersfeld setzt man in dieser Spielzeit auf ganz besondere Klassiker. So wird neben dem bekannten Cabarat ein wahrer Evergreen in der Stiftsruine aufgeführt: “My Fair Lady” . Was man sich in Bad Hersfeld einfallen gelassen hat, um aus diesem Musical etwas Einzigartiges zu machen und ob das Gesamtkonzept überzeugen konnte, erfahrt ihr selbstverständlich bei uns.
Im Sommer verwandelt sich die Stiftsruine in Bad Hersfeld nun erneut wieder zu einer beliebten Musicalbühne. Wo in den letzten Jahren bereits “Sunset Boulevard” und “Cabaret” aufgeführt wurden, folgt in diesem Jahr das Musical “My Fair Lady”.
Das Blumenmädchen Eliza Doolittle gerät durch einen sonderbaren Zufall an den Sprachwissenschaftler Henry Higgins, der damit angibt, dass er aus ihr eine Herzogin machen könne. Als Eliza dieser Prahlerei Taten folgen lassen will, weil sie nun selbst davon träumt, eine Lady mit eigenem Blumenladen zu werden, sträubt sich Higgins zunächst, geht daraufhin jedoch eine Wette mit seinem Freund Oberst Pickering ein.
Gespickt mit bekannten Songs wie “Ich hätt’ getanzt heut’ Nacht”, “Wundascheen” und “Es grünt so grün” wird daraus ein Märchen mit tiefsitzender Botschaft: Es reicht nicht nur die Sprache zu beherrschen, man muss sie auch richtig einsetzen können, um in der Gesellschaft zu bestehen.
Eliza Doolittle wird hierbei gespielt von Sandy Mölling, die Anfang der 2000er mit den “No Angels” und nach deren Trennung als Solo-Künstlerin Erfolge feiern konnte. Mit einer reiferen Stimme beweist sie nun hier, dass sie mehr ist als ein ehemaliges Casting-Sternchen und durchaus schauspielern kann. So berlinert sie perfekt in den Lumpen als Blumenmädchen und hat keinerlei Berührungsängste beim Umgang mit ihren erfahrenen Bühnenkollegen. Darunter ist auch Cusch Jung, der hier als Henry Higgings auftritt aber auch gleichzeitig die Regie übernimmt. Er überzeugt mit einer angenehmen Stimme und ergänzt sich gerade im konfliktgeladenen Spiel mit Sandy Mölling.
Oberst Pickering, hier gespielt von Gunther Emmerlich, bringt dabei eine väterliche Komponente ins Spiel. Auch hier scheint sich das Spiel ein wenig um Sandy Mölling als Eliza Doolittle zu drehen. Als Alfred P. Doolittle ist hier Ilja Richter zu erleben, der zwar von der Rolle her der Vater von Eliza sein müsste, hier jedoch ein wenig unsympathisch rüberkommt. Es ist ebenso eine Überraschung, dass Ilja Richter in seinen wenigen Gesangsparts doch auch hier überzeugen kann. Überraschend ist außerdem, dass auch hier Jessica Kessler als Mrs. Pearce zu erleben ist. Jessica Kessler spielte im letzten Jahr bereits in “Cabaret” Fräulein Kost und bewies dort bereits, dass mehr in ihr steckt als Sarah aus “Tanz der Vampire”.
Diese Inszenierung wird nicht nur “draußen” unter freiem Himmel aufgeführt, sondern auch die Bühne verwandelt sich hierfür in einen englischen Garten, samt perfekt getrimmtem Rasen und Pavillons. Der zentrale Pavillon ist hierbei drehbar und kann sich bei Bedarf sogar öffnen und schließen, was die verschiedenen Ortswechsel möglich macht. Auf der rechten Bühnenseite, vom Publikum aus betrachtet, spielt sich hierbei das Leben der Unterschicht ab, die in einer Gartenhütte als Kneipe oft vor einer Kohlenpfanne sitzen.
Am 17.07. – in der Vorstellung, die wir besuchten – kam es während der Pause und darüber hinaus übrigens zu schweren Regenschauern. Während die Zuschauer aufgrund der Überdachung der Stiftsruine größtenteils trocken blieben, wurde die Bühne jedoch regelrecht unter Wasser gesetzt, sodass der Orchestergraben mit Spritzschutzen geschützt werden musste.
Es spielte außerdem ein 23-köpfiges Orchester, unter der Leitung von Christoph Wohlleben. Das ist sowohl für eine Open-Air-Veranstaltung ungewöhnlich und beweist erneut, dass man in Deutschland für bezahlbare Kartenpreise sowohl den imposanten Klang eines Orchesters und eine gelungene Inszenierung sehen kann.
“My Fair Lady” wird noch bis zum 07.08.2016 gespielt. Informationen und Karten gibt es hier.