Linie 1 – Das Kultmusical aus dem Berliner Grips Theater im Musiktheater im Revier in Gelsenkirchen

Jeanette Claßen, Dirk Weiler, Joachim Gabriel Maaß, Christa Platzer, Annika Firley, Gudrun Schade, Yvonne Forster, Edward Lee, Jacoub Eisa (Ensemble)
(c) Pedro Malinowski

Die U-Bahn Linie 1 durchfährt in dieser Spielzeit nicht nur das Labyrinth des Berliner Untergrundes, sondern macht auch Station im Musiktheater im Revier in Gelsenkirchen.

Wir haben bei der Premiere mal reingeschaut, um festzustellen, ob und wie viel sich das Stück in den vergangen 30 Jahren weiterentwickelt hat. Es ist schon eine Weile her, dass die zunächst gar nicht als Musical betitelte ‚musikalische Revue‘ von Volker Ludwig (Texte) und Birger Heymann (Musik) am 30. April 1986 im Grips-Theater in Berlin uraufgeführt wurde.

Seitdem hat Linie 1, wenn auch nicht unbedingt immer in den großen Theatern aufgeführt, seinen festen Platz auf nationalen und internationalen Bühnen gefunden. Bis heute wurde es in 15 Ländern inszeniert und gilt somit als erfolgreichstes deutschsprachiges Unterhaltungstheater nach Berholt Brechts „Drei Groschnoper“.

Heute, viele Jahre danach, ist die Story nicht weniger aktuell als zum Zeitpunkt ihrer Entstehung. Carsten Kirchmeier schafft es, trotz der Beibehaltung der authentischen Kleidung aus den 80er Jahren, dem Zuschauer das Gefühl zu geben, dass auch er ein Teil der Bevölkerung ist, der da in der Linie 1 zwischen Ruhleben und Schlesischem Tor pendeln würde.

Das Bühnenbild ist minimalistisch und bedient sich moderner Utensilien, wie Stahlgerüste und LED-Leuchten, die daran angebracht, passend zu jeder Situation in anderen Farben aufleuchten. Die Gerüste werden ebenfalls vielfältig genutzt. Mal sind sie Treppe, mal U-Bahn-Sitze oder mal Bulettenbude. Viel mehr bedarf es aber auch nicht. Spricht die Geschichte doch für sich allein.

Die Band, die im hinteren Teil auf der Bühne untergebracht ist, integriert sich problemlos in das Gesamtbild und leistet gute Arbeit. Auch hier wird der Sound der 80er voll umgesetzt. Zwar wurden einige der Songs im Laufe der Zeit durch andere Kompositionen ersetzt, was dem Musical jedoch nur gut getan hat.

Für die Choreografie zeichnet sich kein geringerer als Paul Kribbe verantwortlich. Auch, oder gerade weil die Bühne eine übersichtliche Größe besitzt, ist es eine große Leistung die vielen verschiedenen Charaktere unter einen Hut zu bringen. So verkörpern gerade mal 11 Darsteller die beinahe 60 unterschiedlichen Partien, die im Laufe des Stückes zu sehen sind.

Das namenlose Mädchen (Yvonne Forster), die auf der Suche nach ihrer vermeintlich großen Liebe, dem Rock-Musiker Johnnie (Edward Lee), aus der Provinz in dem geteilten Berlin strandet. Auf ihrer Fahrt mit der Linie 1 wird sie mit ganz unterschiedlichen Sozialstrukturen konfrontiert. Hin- und hergerissen zwischen Angst und Faszination, zwischen Einsamkeit und Geborgenheit, wird sie unbewusst Teil einer eingeschworenen Gemeinschaft von Menschen, die sich untereinander nicht einmal kennen. Sie trifft, völlig überfordert von der Großstadt, auf Penner und Alkoholiker, auf Sozialverlierer und Wohlstandszombies, auf Deutschnationale, Zuhälter und Bulettenbudenbetreiber. So auch auf Bambi (Benjamin Oeser) einer der vielen Bekanntschaften, die sie auf ihrem Wege begleiten. Er will ihr helfen, Johnnie zu finden und muss ihr darum später erklären, dass ihre Seifenblase vom Traumprinzen geplatzt ist, weil die Adresse worunter er zu finden sein soll, gar nicht existiert.

Benjamin Oeser (Bambi), Yvonne Forster (Mädchen)
(c) Pedro Malinowski

Am Bahnhof Zoo kommt es zum Schluss doch zu einem Wiedersehen zwischen den Beiden, allerdings mit unerwartetem Ausgang…

Das Mädchen lernt….

Ivonne Forster, die junge Nachwuchsdarstellerin, überzeugt sowohl gesanglich als auch schauspielerisch in der Rolle des namenlosen Mädchens. Bereits nach „Sechs Uhr vierzehn – Bahnhof Zoo“, ihrem Einstieg, freut man sich auf weitere Vorträge von ihr. Glaubwürdig mimt sie die Naive vom Land, die, vielleicht auch gerade deswegen, jedem noch so skurrilen Charakter ohne Vorurteile im Labyrinth der Berliner U-Bahn entgegen tritt.

Ebenfalls großartig: Gudrun Schade unter anderem als Lady. Ihre Mimik trifft genau auf den Punkt. Die Kostüme von Andreas Meyer dazu, tun ihr Übriges.

Ein weiteres schauspielerisches Highlight sind sicherlich die Wilmersdorfer Witwen Benjamin Oeser, Joachim G. Maaß, Dirk Weiler und Edward Lee, die, nach dem Zustieg eines jungen Mannes mit Migrationshintergrund, keinen Hehl aus ihrer Gesinnung machen (Wilmerdorfer Witwen).

Benjamin Oeser, Joachim Gabriel Maaß, Dirk Weiler, Edward Lee (Wilmersdorfer Witwen)
(c) Pedro Malinowski

Im Einzelnen genannt werden müssten eigentlich alle Darsteller gleichermaßen, denn sie alle tragen im Wesentlichen zu dieser gelungenen Premiere bei.

Musikalisch sind es durchweg eingängige Melodien, die dem Zuschauer schnell im Gedächtnis bleiben. So ist auch das gesamte Stück kurzweilig. Nicht zuletzt vielleicht auch dadurch, dass die Gesamtspielzeit nur 1 Stunde 45 beträgt und der Spielfluß nicht durch eine Pause unterbrochen werden muss.

Als Fazit bleibt zu sagen: „Fahr‘ mal wieder U-Bahn…“ am besten mit der Linie 1 im Musiktheater im Revier Gelsenkirchen.

Weitere Spieltermine und Karten sind erhältlich unter: www.musiktheater-im-revier.de