„Ich war noch niemals in New York“ begeistert bei der Premiere in Essen

Karim Khawatmi, Ann Mandrella
Karim Khawatmi, Ann Mandrella

Ich war noch niemals in New York ist ohne Zweifel eines der erfolgreichsten Musicals der letzten Jahre, wenn nicht sogar Jahrzehnte. Nicht ohne Grund reißt der Zuschauerstrom auch nach einer doch nun schon recht langen Spielzeit nicht ab. Im Jahr 2007 in Hamburg in einem festen Haus gestartet, ist es nun seit einiger Zeit auf Tour, durch viele verschiedene Städte im In- und Ausland. Seit dem 04.11.2016 liegt das Schiff nach New York mit all seinen Mitreisenden nun im Essener Colosseum vor Anker, bevor es seine große Fahrt am 16.122016 in die Alte Oper in Frankfurt fortsetzt.

 

Dass an der Geschichte um die Songs von Udo Jürgens nach wie vor großes Interesse besteht, zeigt ein so zu wie ausverkauftes Haus am Tag der Premiere. Trotzdem dass es in erster Linie ja ein „Gute-Laune-Musical“ sein soll, kann der Inhalt seinen stellenweise doch gesellschaftskritischen Hintergrund nicht ganz verstecken. Auch wenn das vielleicht auf den ersten Blick nicht zu erkennen ist. Da gibt es beispielsweise Maria (Gisela Kraft), die Mutter der berühmten Fernsehmoderatorin Lisa Wartberg (Ann Mandrella), die nur ein Ziel hat: den Fernsehpreis zu gewinnen. Sie wird begleitet von ihrem Maskenbildner Fred Hoffmann (Uli Scherbel), der in einer Beziehung mit Costa Antonidis (Gianni Meurer) lebt. Auf der anderen Seite Otto (Gunter Sonneson), Vater des so mehr oder weniger in den Tag hinein lebenden, alleinerziehenden Vater eines Sohnes und seines Zeichens Wildtier-Fotograf, Axel Staudach (Karim Khawatmi). Beide Kinder haben weder die Lust noch die Zeit, sich um ihre Eltern zu kümmern und so verbringen Maria und Otto, abgeschoben und dort nicht gerade freundlich behandelt, ihren Lebensabend gemeinsam im Seniorenheim. Bis sie beschließen sich einen Traum zu erfüllen: Ausreißen und mit dem Schiff nach New York fahren, um unter der Freiheitsstatue zu heiraten.

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Gianni Meurer, Uli Scherbel

Von der Heimleitung alarmiert, treffen Axel und Lisa das erste Mal aufeinander. Im Reisebüro erfahren sie, dass das Schiff mit den beiden Senioren bereits abgelegt hat und versuchen es – aus der Not geboren – gemeinsam mit dem Auto zu erreichen, was ihnen nach einer ziemlichen Irrfahrt auch gelingt. Die älteren Herrschaften landen inzwischen, aufgrund einer Verwechselung, anstatt in der von ihnen gebuchten kleinen Kammer bei den Schiffsschrauben in der Hochzeitssuite. Dieser Umstand dauert allerdings nur so lange, bis Axel und Lisa das Schiff erreichen. Nach einigem Hin und Her nähern auch Axel und Lisa sich an („Bleib doch bis zum Frühstück“). Was kann man da zum Schluss anderes erwarten als ein Happy End?

 

Auf den ersten Blick eine Geschichte wie aus einem Kitschroman. Beim genaueren Hinschauen fallen aber doch Feinheiten, wie der Umgang mit dem Alter in der heutigen, schnelllebigen Zeit oder, obwohl deutlich an Akzeptanz gewonnen, für viele dennoch die „Unmöglichkeit“, dass gleichgeschlechtliche Paare zusammengefunden haben („Das ehrenwerte Haus“). Das ganze Musical ist vollgepackt mit dererlei kleinen Andeutungen. Es könnte den Eindruck erwecken, dass Udo Jürgens selbst auf seine Art mit der Gesellschaft abrechnet. Dennoch verliert es an keiner Stelle dadurch an Unterhaltungswert.

Die auf die verschiedenen Bühnen der Tour angepasste Kulisse ist nunmehr vielseitig wandelbar. Das Schiff wird nun nicht mehr von rechts nach links bewegt, sondern befindet sich auf einer Drehbühne, womit die Ansicht auf vielfältige Art und Weise verändert werden kann. Damit ist es relativ leicht ohne großartige Umbauten auszukommen. Das Ensemble ist gar nicht sonderlich groß. Bietet jedoch durch häufigen Kostümwechsel und äußerst gelungene Tanzszenen etwas für’s Auge.

Mit großer Bühnenpräsenz liefern sich Axel Staudach und Lisa Wartberg kleine Wortgefechte, die den Zuschauer immer wieder zum Schmunzeln bringen. Die angenehme, überraschend tiefe Stimme von Ann, ist ein Hörgenuss und passt perfekt zu der von Karim, der zeitweilig stimmlich sogar ein wenig an Udo Jürgens erinnert. Besonders zum Tragen kommt dies bei dem Lied Vater und Sohn. Insofern könnte die Besetzung nicht besser sein. Überhaupt harmonisieren die beiden Darsteller sehr gut miteinander.

 

Ensemble, Karim Khawatmi, Ann Mandrella
Ensemble, Karim Khawatmi, Ann Mandrella

Ebenfalls eine Bereicherung des Ganzen ist Florian, Axels Sohn, gespielt von Marlon. Nicht nur das Tanzen scheint ihm äußerst leicht zu fallen, sondern auch sein „Mit 66 Jahren“ bringt er mit Bravour hinter sich und wird dafür mit großem Applaus vom Publikum belohnt.

Gisela Kraft (Maria Wartberg) hingegen zeigt bei ihren wenigen Songs einige Unsicherheit in der Stimme. Besonders zu Anfang der Songs, die fast ausschließlich ohne das Orchester starten, hat man das Gefühl sie suche nach dem passenden Einstieg. Dies macht sie allerdings durch ihre durchweg hervorragende darstellerische Leistung schnell wieder wett.

Eine nahezu Idealbesetzung scheint man auch mit Uli Scherbel als Fred und Gianni Meurer als Costa gefunden zu haben. Den beiden nimmt man die Rollen als verliebtes Pärchen sofort ab und spätestens nachdem die beiden „Griechischer Wein“ zum Besten gegeben haben, zweifelt auch niemand mehr daran, dass beide nicht nur singen, sondern auch tanzen können.

So ist es auch kein Wunder und durchaus berechtigt, dass die Essener Premiere mit Standing Ovations und tosendem Applaus bedacht wird. Wer die illustre Gesellschaft auf ihrer Reise begleiten möchte, kann dies in Essen noch bis zum 11.12.2016 tun.