Die Bösen machen immer mehr Spaß – Interview mit Scott Davies

Scott Davies beim West End Live 2016 (c) Lena Gronewold/Maybe Musical

Englische Version des Interviews

Man sollte sehr vorsichtig sein, wenn man vom Phantom in dessen Rückzugsort eingeladen wird, schließlich hat der Mann eine ungesunde Ader, wenn es darum geht, Frauen zu kidnappen und sie mit in sein unterirdisches Versteck zu nehmen. Wenn er aber die Maske abnimmt, ist Scott Davies, Stand-by für die Rolle des Phantoms in der Londoner Produktion des Musicals, ein weitaus besserer Gastgeber. Aber eines hat er mit seinem Alter Ego gemein, beide teilen diese faszinierende und charmante Ausstrahlung, wenn auch das Phantom diese sehr schnell ablegen kann. Während das Phantom jedoch ebenso düster, gefährlich, grüblerisch wie auch wütend ist, scheint Scott keiner jener Eigenschaften mit dem Phantom zu teilen. Während er über seine Rolle und sein Leben als Musicaldarsteller spricht, ist er lebendig und voller Energie. Ein Lachen liegt meist auf seinen Lippen. Der schottische Darsteller wurde in Glasgow geboren, wo er auch seine Ausbildung an der Royal Scottish Academy of Music and Drama absolvierte. Während seiner außergewöhnlichen Karriere stand er sowohl in der West End als auch in der englischen Tourversion von Phantom of the Opera auf der Bühne und spielte hier alleine die Rolle des Phantoms mehr als 2.000 Mal. Er stand jedoch auch in anderen Erfolgsproduktionen auf der Bühne. Zu seinen Erfolgen zählen unter anderen Cats (UK Tour als Gus, Bustopher Jones und Growltiger), Carousel (West End als Mr. Snow) und Chess (International Tour). Zudem steht er regelmäßig als Solist in Konzerten sowohl in England, aber auch in ganz Europa auf der Bühne.

Direkt nach einer schweißtreibenden Fahrradfahrt durch die Londoner Hitze ins Theater, hat sich Scott Zeit genommen, uns zu treffen und über seine Arbeit und seine anhaltende Begeisterung für das Phantom der Oper zu sprechen.

Lena Gronewold: Heute stehst du als Stand-by für die Rolle des Phantoms regelmäßig in dieser Rolle auf der Bühne. Zu Beginn deiner Laufbahn beim Phantom, hast du jedoch auch als Raoul auf der Bühne gestanden. Welche der Rollen magst du lieber?

Scott Davies: Zu Beginn, als ich den Raoul gecovert habe, dachte ich niemals daran, dass ich je das Phantom spielen könnte. Ich dachte, das wäre ein zu großer Druck. Also habe ich Raoul gespielt und es geliebt. Es war großartig. Bis ich die Maske aufgesetzt habe, anschließend wollte ich nie mehr Raoul sein.

Lena Gronewold: Ich würde voll zustimmen, zum #TeamPhantom zu gehören…

Scott Davies: Oh ja! Es macht so viel mehr Spaß! Die Bösen machen immer mehr Spaß. Raoul ist einfach zu lieb und nett. Das Phantom hat einfach alles. Du hast die verführerische Seite, die manische, die kindische und du musst alle Parts zusammenbringen und die Charakter des Phantoms mit all seinen Facetten darstellen.

Lena Gronewold: Wenn man die verschiedenen Darstellungen des Phantoms vergleicht, sind alle irgendwie unterschiedliche.

Scott Davies: Ja, jeder bringt etwas anderes in den Charakter ein und interpretiert ihn unterschiedlich. Und so soll es auch sein. Jeder muss „sein“ Phantom finden. Es gibt bestimmte Fixpunkte in der Show, die du in deiner Darstellung erreichen musst, aber wie du da hinkommst, liegt bei dir. Und genau so sollte es auch sein. Nur dann kannst du eine authentische Darbietung abliefern.

Lena Gronewold: Stimmt, die Show ist wirklich jedes Mal etwas anders, wenn man sie sieht. Abhängig von Cast, Wochentag und auch vom Publikum.

Scott Davies: Du weißt nie, wie das Publikum an einen Tag reagiert, wenn du auf die Bühne gehst. Und das macht jede Show zu einem unvergleichbaren Erlebnis. Gestern zum Beispiel, war es während der Show sehr ruhig. Du machst nichts anders, als sonst und trotzdem gibt es kaum Szenenapplaus. Du denkst dann bloß die ganze Zeit: „Was passiert hier?“ und dann ganz plötzlich am Ende explodieren sie förmlich und brechen mit der letzten Note in Standing Ovations aus. In einer anderen Show dagegen bekommst du quasi für jeden Satz den du sagst Applaus und am Ende nur noch ein müdes Klatschen. Wahrscheinlich sind sie dann schon alle müde, weil sie während der Show so viel applaudiert haben. Aber alleine das verändert die gesamte Stimmung während der Show und beeinflusst diese. Manchmal hängt es auch einfach vom Wochentag ab; an dem man eine Show spielt. Samstagabend ist das Publikum meist am schwierigsten zufrieden zu stellen. Oft bekommst du da nur höflichen Applaus und das, obwohl du alles genauso gemacht hast, wie am Abend zuvor, wo du bejubelt worden bist.

Lena Gronewold: Das Phantom der Oper zieht seit mehr als 30 Jahre die Massen in die Theater rund um den Globus. Was denkst du, warum ist die Show so ein riesiger Erfolg?

Scott Davies: Die Show ist der Star, wir sind der Bonus.

Lena Gronewold: Also lasst ihr bloß die Show im richtigen Licht erscheinen?

Scott Davies: Genau, du passt dich ihr an und darfst nicht zu sehr daran arbeiten, selber der Star zu sein. Die Show steht im Mittelpunkt und genau so sollte es sein. Alles an dieser Show ist einfach großartig. Von der Umsetzung, der Musik bis hin zum Design, es sollte alles so sein, wie die Menschen es kennen und lieben. So ist das Stück bekannt und erfolgreich geworden und das ist es, was sie groß und erfolgreich macht. Manchmal gibt es Leute, die meinen, sie sind der Star und nicht die Show. Zum Beispiel wird sich erzählt, dass Michael Crawford entsetzt war, als die Show weiterhin ein Erfolg war, nachdem er ausgeschieden war. Er konnte das nicht verstehen. Er dachte, der Absturz würde mit seinem Abgang beginnen, aber die Show ging einfach weiter als wäre nichts passiert. Einfach alles an der Show ist so genial, dass sie genauso seit 30 Jahren Erfolge feiert. Jedes Mal, wenn die Kerzenleuchter aus dem Boden nach oben fahren, spüre ich die Magie, die die Show umgibt. Ich hoffe immer, dass die Menschen im Publikum wahrnehmen, wie wunderschön und magisch diese Momente sind. Alleine die Musik ist brillant und ich liebe sie immer noch so wie am ersten Tag. Ich liebe es in der Maske zu sitzen und die ersten Takte des Stückes zu hören.

Lena Gronewold: Ist deine Darstellung jedes Mal anders, wenn du auf die Bühne gehst? Hängt das vom Publikum ab?

Scott Davies: Ich versuche meine Darstellung nicht davon beeinflussen zu lassen, was das Publikum will und jedes Mal etwas zu ändern, wenn ich auf die Bühne gehe. Du musst vertrauen in dich selbst und deine Darstellung haben, sonst wird das Ganze auf Dauer nicht funktionieren. Ich habe die Rolle nun deutlich mehr als 2.000 Mal gespielt, also denke ich, dass ich weiß, was ich tue.

Lena Gronewold: Mit so einer Anzahl an Shows kennst du wahrscheinlich jedes Wort, jeden Schritt und das, ohne groß darüber nachzudenken.

Scott Davies: Also fasst, aber nicht immer. Vor ein paar Tagen stand ich auf der Bühne, habe gesungen und dachte plötzlich: „Was zur Hölle singe ich hier gerade?“ Einige denken, dass sie mit jeder einzelnen Show, die sie spielen, härter an sich und ihrer Darstellung arbeiten zu müssen, aber du musst dich selber beruhigen. Du musst Vertrauen in die Show, deine Darstellung und vor allem auch deine Stimme haben. Du darfst dich nicht immer härter pushen und etwas Neues, etwas Anderes mit jeder Performance probieren, damit verlierst du dich und deine Interpretation der Rolle. Du begibst dich damit in einen Teufelskreis und verlierst dich darin.

Lena Gronewold: Was ist dein liebster Moment in der Show?

Scott Davies: Das ist ohne Zweifel das Finale. Ich liebe es! Die Szene hat einfach alles. Oh mein Gott, wirklich alles. Wahre Einschüchterung, aber dann auch der Bruch. Es gibt einen großen Knall und er ist vollkommen gebrochen. Wenn er im ersten Akt zum ersten Mal die Maske heruntergerissen bekommt, zeigt er auch Wut, aber einige Darsteller geben bereits da alles und ich frage mich immer, wohin sie das noch steigern wollen im Finale. Ich zeige zu Beginn gerne, dass er zwar wütend ist, aber die richtige ungefilterte Wut spare ich mir immer fürs Finale, damit ich dort richtig explodieren kann. Es spitzt sich quasi alles in dem Moment zusammen. Ich liebe es, das so zu spielen. Es ist einfach eine großartige Szene. Einfach brilliant. Dort passiert so viel zwischen Christine und dem Phantom und dann der Hass auf Raoul, das ist einfach… Ich liebe es! So viel passiert und kann passieren in dieser Szene. Gerade gestern, als ich zu Christine gesagt habe: „Wait my dear, I think we’ve got a guest!“ (A.d.R.: „Einen Augenblick, ich glaube wir haben einen Besucher!“), passierte einfach nichts. Es war kein Raoul da, wo er sein sollte. Er war gefangen unter der Bühne und die Lucke, durch die er normalerweise auf die Bühne kommt, klemmte und er saß fest. Du weißt also nie, was passiert. Es ist live und du reagierst dann einfach, das macht großen Spaß. Als ich auf der Tour die Rolle gespielt habe, waren die Requisiten alle computergesteuert und dann eines Abends ging plötzlich nichts mehr. Die Technik hatte versagt. Es gab keinen Thron, kein Piano, keine Kerzen, einfach nichts. Nur die leere Bühne mit dem Phantom und Christine darauf. Irgendwann mitten im Song habe ich dann gesehen, wie der Stage Manager den Thron mit Hilfe eines Besens auf die Bühne schob. Das war alles sehr verrückt, aber wir mussten das Beste daraus machen.

Lena Gronewold: Ich habe gelesen, dass deine Traumkarriere eigentlich eher in Richtung der Oper ging. Genießt du es gerade deshalb ein Teil dieses Stückes zu sein, weil es so viele Opernelemente beinhaltet?

Scott Davies: Ja, absolut. Dieses Stück verlangt es, dass du „ordentlich“ singst. Du brauchst eine sichere Technik und musst kontinuierlich an deiner Stimme arbeiten, um so einen Show jeden Tag zu spielen. Wenn du das nicht tust, dann findet die Show sehr schnell deine Schwächen. Und wenn du einmal gemerkt hast, dass du nicht durchhältst, dann ist diese Angst zu versagen immer da. Sie ist immer in deinem Kopf und blockiert dich. Du hast im Kopf diese Ich-kann-das-nicht Barriere und auch wenn du dir einen Auszeit nimmst, denkst du bist anschließend wieder fit, kommst du zurück und die Angst ist sofort wieder da. Du musst dich am Riemen reißen oder du wirst nie wieder diesen Part singen können, einfach aus der irrationalen Angst heraus, zu versagen. Die Rolle erlaubt es dir nicht, dich zu verstecken. Vom ersten Moment im Spiegel musst du voll da sein.

Lena Gronewold: Welchen Rat würdest du jungen, aufstrebenden Künstler geben, die Musicaldarsteller werden wollen?

Scott Davies: Falls mich jemals jemand um Rat fragen würde, würde ich ihm oder ihr sagen, dass sie eine vernünftige Ausbildung und einen Abschluss brauchen, bevor sie in diesem Bereich arbeiten. Auf diese Weise hast du immer etwas, um darauf zurückzukommen, wenn das mit der Bühnenkarriere mal nichts mehr ist.

Lena Gronewold: Bei so vielen Darstellern, die um die verfügbaren Jobs kämpfen und immer mehr und mehr jungen Darstellern, die jedes Jahr in den Markt strömen, wird es sicher auch nicht einfacher einen Job zu bekommen, oder?

Scott Davies: Das ist eigentlich das Problem, oder? Überall werden Schulen eröffnet, die sich damit brüsten eine gute und fundierte Ausbildung zu bieten, die den jungen Leuten den idealen Einstieg in den Markt bieten. Als ich in dem Alter war, gab es vielleicht sieben oder acht Schulen in ganz London. Heute gibt es unzählige dieser Einrichtungen und jede von ihnen bringt 60 bis 70 Nachwuchsdarsteller pro Jahr auf den Markt, die Musicaldarsteller werden wollen. Woher soll Arbeit für all diese Leute kommen? Und es eröffnen immer noch neue Schulen von denen keiner weiß, wie gut sie sind. Die meisten werden einen oder zwei Studenten vorweisen können, die direkt nach dem Abschluss einen Job im West End bekommen habe. Aber was ist mit all den anderen? Diejenigen, die sofort einen Job bekommen haben, sind normalerweise Ausnahmetalente. Die haben den Job nicht wegen der Schule bekommen, sondern einfach weil sie Talent haben. Du kannst also nicht sagen, dass eine Schule gut ist, nur weil sie einen Absolventen haben, der jetzt erfolgreich ist. Oft höre ich die Schüler, die auf solchen Schulen waren singen und denke: „Wenn du so weitermachst, dann wirst du in 20 Jahren nicht mehr singen.“ Als Sänger machst du dir deine Stimme kaputt, wenn du nicht die richtige Technik hast. Du musst im Laufe deiner Karriere deine Stimme immer weiter trainieren und darfst nicht nachlassen. Nur dann kannst du auch später noch singen. Aber viele machen eben das nicht. Sie denken, nur weil sie eine Rolle im West End haben, brauchen sie nichts mehr tun, nicht mehr an sich arbeiten. Selbst wenn du eine schöne Stimme hast, aber eine falsche Technik oder einfach nicht weiter an dir arbeitest, wirst du diese schöne Stimme verlieren. Es gibt hunderte, wenn nicht sogar tausende, die jedes Jahr nach London kommen, um es hier zu schaffen und ein Star zu werden. Normalerweise gibt es einen wirklichen Star, aber nur einmal in einer Million Darstellern. Alle anderen müssen wirklich hart arbeiten, um sich in diesem Bereich behaupten zu können und einen Job zu bekommen. Es ist kontinuierliche Arbeit gefragt, um diesen Traum leben zu können. Du bist kein Star, wenn du eine Show gespielt hast. Du musst dein Handwerk Schritt für Schritt lernen. Nur so kannst du dich langfristig behaupten und endest nicht als Lehrer an irgendeiner dieser Schulen.

Lena Gronewold: Wolltest du immer auf der Bühne stehen oder hast du einen anderen Karrierewunsch gehabt, bevor du auf die Royal Scottish Academy of Music and Drama gegangen bist?

Scott Davies: Ich war fast soweit Medizin zu studieren, aber ich habe überlegt, dass es nichts für mich ist, so lange nur über Büchern zu hocken und zu studieren. Mein Vater war Musiker, Violinist, um genau zu sein, und ich bin dann auch erst mal hingegangen und wollte Violinist werden. Aber schon nach drei Monaten Studium habe ich gemerkt, dass mir das Singen liegt. Zuerst habe ich dann beides gemacht, aber irgendwann war es dann nur noch der Gesang. Aber bevor ich zur Musik gekommen bin, war ich wirklich bereit alles dafür zu tun, um fürs Medizinstudium zugelassen zu werden. Ich liebe Musik und wollte seit ich die Entscheidung getroffen habe nie wieder etwas anderes machen. Ich habe zudem wirklich Glück gehabt. In all den Jahren im Musicalbusiness hatte ich nur einmal ein paar Monate in denen ich ohne Job war. Das sagt mir ich habe die richtige Entscheidung getroffen.

Lena Gronewold: Und jetzt bist du hier und bist das Phantom, das muss also wirklich das Richtige für dich gewesen sein.

Scott Davies: Vor 14 Jahren habe ich geschworen, dass ich nie wieder als Phantom auf die Bühne gehen würde. Ich hatte zu dem Zeitpunkt viereinhalb Jahre lang die Rolle gespielt und dachte einfach, dass ich genug habe. Ich habe die Show damals verlassen. Neun Jahr später hat mich Cameron Mackintosh dann angerufen und gefragt, ob ich nicht zurückkommen will. Ich habe bloß gesagt, dass ich nicht wieder das Phantom als Erstbesetzung spielen will. Sie haben mir dann eben diese Position als Stand-by angeboten, die ich auch jetzt noch habe. Und das ist genau das, was ich gerne machen möchte. Ich habe die Show so lange Zeit jeden Abend gespielt und abgesehen vom Finanziellen ist es mir nicht mehr wichtig, jeden Abend auf der Bühne zu stehen. So kann ich meine Kinder aufwachsen sehen und bin Zuhause. Das ist mir wichtiger, als jeden Abend auf der Bühne zu stehen.

Lena Gronewold: Neben dem Phantom hast du in verschiedensten Shows wie Cats, Carousel oder Chess auf der Bühne gestanden. Hast du abgesehen vom Phantom eine Lieblingsrolle?

Scott Davies: Ich habe in einer Show namens „Pacific Overtures“ von Sondheim mitgespielt. Zu Beginn habe ich das Stück gehasst. Ich konnte nicht verstehen, worum es geht und hatte Probleme, mich in meinen Charakter einzufinden, aber sobald es „Klick“ gemacht hatte und die Show spielte, habe ich es geliebt. So eine clevere Show. Ich liebe Sondheim einfach. Das Problem mit Stücken von Sondheim ist aber, dass sie so wortreich sind. Ich liebe sie im Hinblick auf die Musik, aber es ist quasi unmöglich, sich diese ganzen wortreichen Texte zu merken. Ich hatte einen Song, bei dem ich mit den Texten absolut nicht klar kam, also habe ich das Stage Management gefragt, ob sie mir den Text nicht auf den Brief schreiben könnten, den ich während des Songs „schreiben“ musste. Das hat geholfen und ich konnte, wenn ich nicht weiter wusste einfach ablesen. An meinem letzten Tag haben sie dann den Brief ausgetauscht und ich hatte absolut keine Ahnung, was ich singen muss, so sehr habe ich mich auf den Text verlassen. Als ich aufgeschaut habe, standen alle an den Seiten der Bühne und haben sich totgelacht.

Scott Davies mit Jeremy Secomb und Peter Lockyer (v.l.) beim West End Live 2016 (c) Lena Gronewold/Maybe Musical

Lena Gronewold: Das Phantom ist vermutlich eine Traumrolle. Hast du noch andere Rollen, die du gerne mal spielen würdest?

Scott Davies: Das ist schwierig. Im Musicalbereich eher nicht. Das Phantom hat einfach alles, von dem ich immer geträumt habe. Die Rolle hat so viele verschiedene Facetten und ich kann mich austoben. Aber im Bereich Oper, da gibt es noch Traumrollen. Ich würde sehr gerne mal Don José in Carmen spielen. Er ist ein ähnlicher Charakter wie das Phantom. Ein romantischer Tenor, aber ein vollkommen Irrer am Ende. Ich möchte diese Entwicklung in meinen Rollen, das hast du aber nicht so häufig. Was ich mir im Musicalbereich vielleicht noch vorstellen könnte, ist der Fred in Kiss me, Kate. Ich liebe diese Rolle, auch wenn sie in keiner Weise zu mir passt. Aber ich denke es würde Spaß machen, sie zu spielen. Es gibt aber einfach nicht viele Musicalrollen in die du so sehr deine Seele legen kannst wie in das Phantom. Deshalb bin ich auch immer noch dabei.

Lena Gronewold: Wenn du gerade mal nicht die Maske des Phantoms aufsetzt, was machst du dann?

Scott Davies: Ich arbeite momentan viel im Film, gebe aber auch immer wieder Konzerte in ganz Europa. Für Filme mache ich zurzeit viele Voice-overs. Was ich nie machen wollte, ist Unterrichten, wie es viele meiner Kollegen tun. Dafür habe ich einfach keine Geduld. Ansonsten liebe ich es zu kochen und mich fit zu halten für die Show. Das sind beides Sachen, die mich entspannen.

Lena Gronewold: Ich denke, so eine Show hält fit.

Scott Davies: Je fitter du bist, desto besser kannst du eine Show spielen. Wenn ich fit bin, klinge ich während dem Finale nicht, als würde ich meinen letzten Atemzug tun. Es macht also einen großen Unterschied, ob du fit bist oder eben nicht. Du wirst schnell Probleme bekommen, wenn du es nicht bist. Du wirst es durch die Show schaffen, aber du kannst nicht lange mithalten.

Lena Gronewold: Genießt du es, als Musicaldarsteller deiner Freizeit andere Stücke anzuschauen?

Scott Davies: Sehr, sehr selten. Ich bin sehr kritisch, wenn ich mir etwas anschaue. Ich sehe deshalb lieber ein Theaterstück. Ich würde von mir aus kaum in ein Musical gehen. Ich gehe immer nur dann, wenn mir jemand sagt, dass ich kommen soll. Ich persönlich würde immer eher ein Theaterstück, eine Opera oder ein Ballett anschauen. Ich mag diese Musicals nicht, die keine Geschichte haben und einfach nur eine Aneinanderreihung von Songs irgendwelcher Band sind. Es gibt einige gute Musicals, aber ich sehe eigentlich lieber Dinge die ich nicht jeden Tag selber mache.

Lena Gronewold: Verrückte Welt: Stell dir vor, du könntest dir eine Frauenrolle aussuchen und diese spielen. Welche würdest du nehmen?

Scott Davies: Oh Gott, das ist schwierig. Welche würde ich nehmen. Wahrscheinlich Julie Jordan aus Carousel. Ich liebe diese Rolle. Sie ist wunderbar und wenn sie ihren Job gut macht, dann weint am Ende das ganze Publikum. Dann hält sie die Leute in der Hand. Das würde ich wirklich gerne mal spielen. Du kannst die Leute damit anrühren.

Lena Gronewold: Für die letzte Frage kehren wir zum Phantom zurück. Was ist der Unterschied ob du eine Rolle als Erstbesetzung oder eben als Stand-by spielst? Magst du es Stand-by zu sein?

Scott Davies: Ich liebe es. Wie schon gesagt, habe ich das Phantom schon weit über 2.000 Mal gespielt. Ich habe es immer geliebt in dieser Rolle auf der Bühne zu stehen, aber es verdrängt alles andere aus deinem Leben. Du verbringst den einzigen Tag der Woche an dem du frei hast damit, deine Stimme zu schonen, damit du für die kommende Woche fit bist. Jetzt wo ich drei Kinder habe, ist das kaum machbar. Nicht jeden Tag auf der Bühne zu stehen, gibt mir zudem die Freiheit auch andere Dinge zu tun, wie Beispielsweise im Januar Tosca. Das ist großartig! Oh! Das ist noch eine Rolle, die ich gerne mal spielen würde: Scarpia in Tosca. Er wird quasi verrückt während des zweiten Akts. Er ist charmant, charismatisch aber wird komplett verrückt. Aber zurück zu eigentlichen Frage: Ich liebe es Stand-by zu sein, weil es den Druck rausnimmt. Du musst nicht jeden Tag auf der Bühne stehen, denn dann gibt es kein Ausruhen. Du musst jeden Tag abliefern. Und wenn dann mal etwas mit deiner Stimme ist und du eine Woche krank geschrieben bist, denkst du spätestens donnerstags daran, dass du in der nächsten Woche wieder fit sein musst. Als Stand-by ist das Ganze eben etwas entspannter und das passt mir gut.

Wenn ihr einen Eindruck bekommen wollt, wie sich Scott als Phantom anhört, kann man ihn hier begleitet vom BBC Scottish Symphony Orchestra, Music oft he Night singen hören.