Vom Musical-Sommer in Fulda ist er kaum noch wegzudenken: Lutz Standop. Der Tenor mit der Ausnahmestimme gab in diesem Jahr zum zweiten Mal den Prior Rabanus in dem Fuldaer Erfolgsmusical „Die Päpstin“. Dass er jedoch musikalisch weitaus mehr zu bieten hat als diese Rolle, darüber hat er mit uns gesprochen.
MaybeMusical: Was verbindet Dich mit Fulda?
Ich war als Kind mal hier im Zeltlager! (lacht). Nein, im Ernst: seit 7 Jahren war ich fast jeden Sommer hier, so dass Fulda für mich wie ein zweites Zuhause auf Zeit ist. Sowohl beruflich und menschlich, als auch von der Stadt her. Erstmals habe ich hier im Musicalsommer 2012 gespielt. Ich war damals in Potsdam bei „Friedrich“ im Ensemble und Zweitbesetzung für Kronprinz Friedrich und wurde gefragt, ob ich Lust hätte danach weiter mit nach Fulda zu kommen und die Erstbesetzung Anastasius in „Die Päpstin“ zu übernehmen. Danach ging es mit weiteren Päpstin- Spielserien und auch anderen Spotlight Stücken weiter. Von nochmal Friedrich über Squire Trelawney in der „Schatzinsel“ bis zur Uraufführung von „Der Medicus“, in der ich die Rolle des Mirdin kreieren durfte. Insoweit verbinde ich mit Fulda viele schöne Produktionen und abwechslungsreiche Rollen. Als dann im letzten Jahr „Die Päpstin“ wieder auf dem Spielplan stand, wurde ich gefragt, ob ich mir vorstellen könnte, den Rabanus vom wunderbaren und leider viel zu früh verstorbenen Dietmar Ziegler zu übernehmen. Das war für mich einerseits eine große Ehre, andererseits aber auch eine wahnsinnige Verantwortung. Zum Glück wurde die Rolle neu entwickelt, so dass ich Rabanus zu meinem eigenen machen konnte. Das hat mir sehr geholfen.
MaybeMusical: Ich finde, die Rolle des Rabanus passt wunderbar zu Dir. Ich mag die Rolle auch unglaublich gern. Aber das Tolle an dem Beruf ist ja, dass man ganz viele verschiedene Rollen spielen kann. Dieses Verschlagene von Anastasius war auch einfach toll zu spielen. Dennoch glaube ich, dass Rabanus inzwischen eigentlich viel besser zu mir passt. Man wird auch schließlich nicht jünger! (lacht).
MaybeMusical: Eigentlich bekleidest du ja drei Rollen. In zweien davon, Fulgentius und der Statue, sorgst Du ja immer mal wieder für Lacher im Publikum. Was genau ist für Dich Humor?
Das ist aber eine schwierige Frage! Als Schauspieler sollte man, jedenfalls so wie ich das sehe, immer versuchen Figuren nah an sich heranzuziehen. Wenn man seinen persönlichen Humor dafür benutzt etwas zu erzählen, dann ist das oftmals hilfreich. Das habe ich bei Fulgentius probiert. Fulgentius ist eher spaßbetont und ein liebenswerter Kerl. Für mich fungiert er als Kontrapunkt zu dem mitunter schweren und sonst oft sehr dramatischen Inhalt.
MaybeMusical: Welches ist denn die Lieblingsrolle von den dreien, Rabanus, Fulgentius oder die Statue? Was gefällt Dir besonders an den Rollen? Das wechselt auch schon mal je nach Tagesverfassung. Eigentlich aber der Rabanus, weil Dennis Martin mit „Hinter hohen Klostermauern“ ein absolutes Highlight geschrieben hat, und ich sehr dankbar dafür bin, es singen zu dürfen.
MaybeMusical: Du spielst einen Prior. Bist du ein gläubiger Mensch?
Ja, aber möglicherweise habe ich mir eher meinen Kinderglauben bewahrt, auch wenn das vielleicht ein wenig naiv klingt. Aber Glaube ist etwas sehr Persönliches. Deshalb finde ich es schwierig, wenn Leute, wie wir sie auch hier in unserem Stück sehen, den Glauben anderer Leute ausnutzen, um stramm ihre Überzeugung auf Kosten anderer durchzuziehen. Man sollte immer im Gespräch miteinander bleiben können und ich finde es ziemlich anmaßend, wenn jemand von sich behauptet, er hätte die absolute Wahrheit für sich gepachtet. Ich brauche für mich keine fremde Instanz um mit Gott sprechen zu können und keine Regeln, wie dies zu geschehen hat.
MaybeMusical: Du brauchst also nicht unbedingt das „Gebäude Kirche“ als Anlaufpunkt, sondern machst das mit dir selber aus?
Ich finde Kirchen oft unglaublich meditativ. Zum Beispiel die Sagrada Familia in Barcelona, weil sie einfach so menschlich ist. Ich mag Kirchen, die einem ein gutes Gefühl geben, wie der Dom in Siena in der Toscana. Er hat eine riesige Kuppel in blau mit goldenen Sternen. Man hat das Gefühl, man ist geborgen unter dem Himmel. Eine Kirche kann durch ihre Atmosphäre helfen zur Ruhe zu kommen. Aber ein Sternenhimmel oder eine beeindruckende weite Landschaft und vor allem das Meer schaffen das bei mir ebenso.
MaybeMusical: Welche der verschiedenen Rollen aus der Päpstin würde Dich besonders reizen, auch wenn es nicht die sind, die du gerade spielst?
Die Entwicklung, die Johanna durchmacht, finde ich wahnsinnig toll. Wäre ich eine Frau, wäre das sicher eine super Rolle.
MaybeMusical: Welches gespielte Stück Deiner Karriere hat Dich Deiner Meinung nach am stärksten geprägt?
Das sind mehrere, aber ich nenne mal zwei: Zum einen „Friedrich – Mythos und Tragödie“ – Ich konnte an meiner Rolle unglaublich wachsen und lernen. Ich musste vorher verletzungsbedingt ein Jahr pausieren und hatte am Ende dieser Zeit einen Filmschauspielkurs gemacht. Von dem, was ich dort gelernt habe, konnte ich viel auch für die Bühne nutzen und war sehr stolz, nach einem Jahr Pause den Wiedereinstieg auf die Bühne zu schaffen. Und der Song „Sanssouci“, berührt mich noch heute sehr. Zum anderen: „Der Besuch der alten Dame“ an den Vereinigten Bühnen Wien. Ich hatte mit dieser Produktion die großartige Möglichkeit an diesem erstklassigen Theater und in der Stadt zu spielen, in der ich studiert habe. Damit ist ein Traum in Erfüllung gegangen.
MaybeMusical: Hast Du in Film und Fernsehen auch schon gespielt oder jetzt nur diesen Kurs
gemacht?
Ich drehe immer wieder Werbespots fürs Fernsehen und habe in einer ganzen Reihe von Kurz- und Imagefilmen für Festivals und verschiedene Firmen mitgespielt. Außerdem hatte ich eine kleine Rolle in einem ARD/ORF-Film, hätte aber nichts dagegen, öfter zu drehen und auch mal im Kinozu sehen zu sein. (lacht)
MaybeMusical: Wenn Du Dich selbst besetzen dürftest. Welchen Charakter würdest Du einmal
spielen wollen?
Ich kann jetzt gar nicht genau sagen, was jetzt die ultimative Rolle wäre, die ich unbedingt spielen muss. Wenn ich einfach eine schöne Geschichte erzählen und dabei noch schöne Musik singen kann, dann freue ich mich. Und ich mag Uraufführungen, da kann man sich oft stärker mit einbringen, weil es noch keine ganz klar geformte Vorstellung gibt.
MaybeMusical: Welche Rollen magst Du lieber? die „bodenständigen“ (z. B. bei der Päpstin) oder die etwas „skurrilen“ wo du dich so richtig austoben kannst?
Also ich finde, das ist wie im Leben: Abwechslung hält frisch. Und alles wird spannender, wenn ein bisschen Humor drunter liegt. Ich finde, selbst die dramatische Szene von Rabanus im Kloster hat einen gewissen Humor. Trotz Schmerzen und Auspeitschung freut er sich insgeheim, dass er es geschafft hat, die Obrigkeit ausgetrickst und die Abschriften in Sicherheit gebracht zu haben.
MaybeMusical: Hast Du ein musikalisches Vorbild?
Ich finde Dennis Martins Musik wirklich toll. Ich bin auch ein großer Fan von Stephen Schwartz. Seine Musik von „Children of Eden“ aus den 90er Jahren ist großartig. Aber eigentlich höre ich alles Querbeet.
MaybeMusical: Mit wem würdest Du gerne einmal zusammen auf der Bühne stehen?
Anke Engelke! Mit ihr würde ich wirklich sehr gerne mal auf einer Bühne stehen oder noch lieber etwas drehen. Ich vermute, dass sie wahnsinnig genau und diszipliniert arbeitet, ähnlich wie es Loriot nachgesagt wird. Das könnte jedenfalls ein Grund sein, warum die Sketche so präzise und lustig sind. Und vieles davon trifft ziemlich genau meinen Humor.
MaybeMusical: Welchen Beruf hättest Du ergriffen, wenn Du nicht Darsteller geworden wärst?
Als ich mich damals auf die Aufnahmeprüfung vorbereitet habe, dachte ich: „Wenn das jetzt nicht funktioniert, was mach ich dann?“. Dann hätte ich vermutlich Deutsch und Geschichte studiert und wäre als Lehrer in der Schule gelandet. Ich habe in einer Schule für Kinder mit Beeinträchtigungen meinen Zivildienst geleistet und fand das toll. Bei Kindern kann man noch extrem viel anstoßen und viel Begeisterung wecken. Insoweit finde ich, gerade Grundschullehrer ist ein wunderbarer Beruf. Wahrscheinlich wäre es darauf hinausgelaufen. Aber wer weiß das schon genau?
MaybeMusical: Wie weit würdest Du gehen um eine Traumrolle zu bekommen?
Ich investiere vorab immer ordentlich Arbeit in eine bestmögliche Vorbereitung, bevor ich vorspreche. Wenn ich die Rolle dann bekomme, freue ich mich. Aber wenn du darauf hinaus willst, „wie weit“ ich gehen würde, etwa ob ich mich zum Beispiel ausziehen würde, oder etwas in der Art: Nein, nicht um eine Rolle zu bekommen. Und wenn man auf der Bühne nackt sein soll, dann braucht es, finde ich, eine gute Begründung, sonst behalte ich meine Klamotten sehr gerne an. Bei „Hair“ zum Beispiel, habe ich nackt gespielt. Als es 1968 aufgeführt wurde, war das ein Protest, um zu zeigen: Seht her! Unter der Kleidung sehen wir alle mehr oder weniger gleich aus und sind einfach nur verletzbare Menschen. Ihr schickt diese Menschen in den Krieg, damit sie sich bekämpfen. Warum eigentlich? Das war ein klares Statement und das war ein Protest, aber wen juckt das denn heutzutage noch, wenn da ein paar nackte Leute auf der Bühne stehen? In Basel, als wir „Hair“ gespielt haben, war das so ähnlich wie im Film: die Hippies gehen einfach nackt nachts im Central Park baden, weil sie sich frei fühlen. Auch das machte Sinn. Das haben wir aber nicht gemacht um jemanden zu schockieren, sondern es war Teil der Geschichte und Ausdruck des Freiheitsgefühls der Hippies.
MaybeMusical: Einige Deiner Kollegen geben auch Konzerte. Machst Du so etwas auch? Ja, mach ich. Ich habe neulich mit einer Freundin eine kleine Zeitreise durch die Welt des Musicals auf die Bühne gebracht. Damit treten wir auch hoffentlich bald wieder auf. Ansonsten habe ich letztes Jahr für das Online-Magazin „DaCapo“ mit weiteren Kollegen wie Yngve Gasoy Romdal und Friedrich Rau ein Konzert gegeben, auf das nächstes Jahr weitere folgen werden.
MaybeMusical: Was machst Du in Deiner Freizeit? Hast Du Hobbies?Ich gehe nach wie vor gerne ins Theater und Kino und ich verreise sehr gern. Da kommt mir der Beruf entgegen, man kommt rum. Ich habe zum Beispiel auch in Bozen/Südtirol gespielt. Wenn ich dort mal einen freien Tag hatte, konnte ich mich mit Kollegen entspannt ins Auto oder auch mal alleine in den Zug setzen und einfach irgendwo hinfahren. So etwas finde ich spannend. Fremde Städte ansehen, bummeln und einfach nur auf mich wirken lassen, eine Mischung aus Kultur und Kulinarik – das liebe ich!
MaybeMusical: Was kommt beruflich nach Fulda?
Im Winter spielen wir nochmal „Die Päpstin“ in Hameln. Davor werde ich die Komödie „Venedig im Schnee“ in Hamburg spielen und für das nächste Jahr stehen bereits einige Konzerte fest. Mal sehen, was danach kommt…