Diesen Sommer stand sie als Lotte im Musical Goethe auf der Bühne in Bad Hersfeld, ab Herbst wird sie als Ellen in Miss Saigon im Wiener Raimund Theater zu sehen sein. Etwas ganz Besonderes jedoch ist ihre „Kleine Musical Academy“. Über all dies erzählt sie in unserem Interview:
Corona hat unser aller Berufsleben, eures als Künstler jedoch besonders, ausgebremst. Jetzt wo alles zum Glück wieder langsam startet… Wie fühlt es sich an? Wie groß war die Umstellung wieder in das „Bühnenleben“ einzusteigen?
Ich denke, ich spreche auch für meine Kolleg:innen, wenn ich sage, dass wir alles noch mit Vorsicht genießen. Es ist noch lange keine Normalität in unseren Berufszweig zurückgekehrt und ich fürchte, da müssen wir noch eine ganze Weile Geduld haben. Wir sind dennoch dankbar für jede Produktion, die stattfinden darf. Auch wenn es bedeutet, dass wir uns täglich testen lassen und die Stücke in sogenannten „Corona Versionen“ inszeniert werden. Das bedeutet teilweise, dass man sich während des Stückes nicht direkt ansprechen und -singen darf, teilweise nur mit sechs Metern Abstand. Damit muss man sich erstmal anfreunden, schließlich wollen wir auf der Bühne vom Leben erzählen und Menschen zusammenbringen. Ich hatte während meiner Zeit in Bad Hersfeld das Glück, dass wir auf einer Freilichtbühne ohne Abstände spielen durften. Das hat mir die Umstellung vom Pandemie- in das Bühnenleben sehr leicht gemacht.
Du hast die unfreiwillige Corona-Bühnenpause genutzt und Deine „Kleine Musical Acadamy“ gegründet. Was genau können wir uns darunter vorstellen?
Viele Menschen mussten Monate auf kreative Ventile und den Theater- und Musicalbesuch verzichten. Ich wollte ihnen eine Möglichkeit bieten, ihren Musicals und Leidenschaften so nah wie möglich zu kommen – virtuell. Neben dem Gesangunterricht und der Monologarbeit, die ich anbiete, haben sich viele meiner Kolleg:innen mit jahrelanger Bühnenerfahrung bereiterklärt Musical Workshops zu geben. So entstand eine Plattform, in der Musicalliebhaber ihren Lieblingsmusicals und Musicalstars nahe kommen können. Sobald die Pandemie dies zulässt, plane ich definitiv die Workshops und Coachings in Studios in verschiedenen Städten stattfinden zu lassen, und nicht mehr online.
Hast Du Dir damit einen Traum erfüllt oder ist das ein bißchen „aus der Not“ geboren?
Ich wollte schon immer unterrichten. Es macht mir unheimlich viel Spaß, aber ich habe in den vergangenen Jahren so viel gearbeitet, dass ich nie genug zur Ruhe kam um mir etwas aufzubauen. Die Zwangspause hat mir diesen Raum gegeben und ich habe schon unglaublich liebe Schülerinnen und Schüler.
Viele Darsteller bieten inzwischen Gesangs- oder Schauspielcoaching an. Was unterscheidet Dich von den Kollegen?
Ich denke, jeder von uns hat seine Stärken und eine fundierte Ausbildung. Ich sehe bei meinen Schüler:innen oft, dass ihnen der Mut fehlt ihre Stimme zu erheben. Den Mund aufmachen und laut sein, wird uns von Kindesalter an abtrainiert. Deshalb fehlt vielen der Zugang zu ihrer Stimme. Viele meiner Schüler:innen folgen mir auf einem meiner Social Media Kanäle und dadurch haben sie das Gefühl, mich schon ein bisschen zu kennen. Das erleichtert die Arbeit ein wenig und ich gehe jedes Mal glücklich aus einer Stunde heraus, wenn jemand seine Unsicherheiten überwunden hat und seine Stimme erheben konnte.
Welche Rolle von den beiden glaubst Du war bzw. ist die größere Herausforderung für Dich, Lotte oder Ellen?
Keine leichte Entscheidung. Die Figur der Lotte ist frech, wild und stark und wird von großer Sehnsucht nach dem „mehr“ im Leben getrieben. Sie würde am liebsten mit allen Konventionen um sich herum brechen. Einzig die Liebe und Treue zu ihrer Familie, lässt sie am Ende die schwerste Entscheidung ihres Lebens treffen. Sich gegen die Liebe ihres Lebens zu entscheiden und für die Sicherheit ihrer Familie einen Mann zu heiraten, den sie nicht liebt und dessen Lebensweise sie abstößt, war eine große emotionale Reise. Lottes Schmerz in mir Vorstellung für Vorstellung zuzulassen, war eine riesige Herausforderung für mich. Auch die Rolle der Ellen hat es in sich. Ellen liebt einen Mann mit posttraumatischer Belastungsstörung und tut alles, um ihn mit der Liebe und Sicherheit zu umgeben, die er verdient. Plötzlich wird sie in eine Dreiecks-Geschichte hineinkatapultiert. Ich glaube, es braucht viel Mut, Verständnis und Kraft zu sagen: Du bist nicht mein Eigentum und ich liebe dich so sehr, dass ich dich ziehen lassen werde, wenn es das ist, was du willst. Wenn ich mich zwischen den beiden entscheiden muss, dann würde ich wahrscheinlich Lotte als größere Herausforderung benennen. Die Gesangsparts von Lotte haben mich allabendlich zum Schwitzen gebracht!
Welcher der beiden Charaktere glaubst Du ist „näher“ an Abla?
Jede Rolle, die ich verkörpere, hat sehr viel von meiner Gefühlswelt. Schließlich bedeutet Schauspiel seine eigenen Emotionen, Reaktionen und Gedanken mit denen der Rolle zu verschmelzen. Wenn meine Lotte sauer ist, dann bin ich sauer mit ihr und für sie. Wenn Ellen traurig und verzweifelt ist, lacht und Spaß hat, dann sind das meine Emotionen. Ich denke, dass man immer einen großen Teil der eigenen Gefühlswelt für Rollen offenlegen muss, damit sie authentisch werden. Beide Frauen haben viel von mir, deshalb wurde ich wahrscheinlich auch für sie besetzt.
Für die „Lotte“ war im letzten Jahr Sabrina Weckerlin vorgesehen. Hatte man da nicht das Gefühl als „Ersatz“ gesehen zu werden und dem Publikum besonders beweisen zu müssen, dass man das nicht ist?
Vorneweg: Ich bin ein absoluter Sabrina Fan! Diese Frau ist einfach nur der Wahnsinn! Zur Frage: Ich wurde als „Ersatz“ gesehen, weil ich im Grunde der Ersatz war. Ich kenne die Interpretation der Lotte von Sabrina, weil ich das Glück hatte 2016 mit ihr am Reading mitzuwirken – und ich liebe ihre Lotte! Aber das ist es eben: Es ist ihre Lotte. Ich musste dieses Bild der Lotte komplett aus meinem Kopf löschen und meine eigene Lotte finden. Ich denke, dass jeder, der mich und Sabrina mal auf der Bühne erlebt hat, weiß, dass wir zwei komplett verschiedene Darstellerinnen sind. Keine dieser beiden Versionen ist schlechter oder besser. Es ist lediglich einmal Lotte Weckerlin und einmal Lotte Alaoui. Ob einige Zuschauer:innen sich Sabrina gewünscht haben und sie besser finden, ist absolut erlaubt und liegt nicht in meiner Macht.
Gil Mehmert ist bekannt für seine erfolgreichen Inszenierungen. War Bad Hersfeld Deine erste Zusammenarbeit mit ihm? Welche Erwartungen stelltest Du an seine Arbeit?
Bei mir stand und steht Gil ganz oben auf der Liste der Regisseur:innen, mit denen ich zusammenarbeiten möchte. Ich war so froh, das erste Mal mit ihm zusammenarbeiten zu können. Ich bin weniger mit Erwartungen als mit ganz viel Vertrauen in unsere Arbeit gegangen. Sein Name ist ein Garant für hervorragende Inszenierungen. Gil weiß genau was er will, hat aber ebenso Raum sich von anderen Interpretationen überzeugen zu lassen. Das hilft in der Zusammenarbeit ungemein.
Worauf hast Du Dich in Bad Hersfeld am meisten gefreut?
Ich hatte schon viel von der familiären Atmosphäre und Qualität der Stücke in Bad Hersfeld gehört und mich sehr auf eine harmonische Zeit nach der langen Zwangspause gefreut. Ich wurde nicht enttäuscht. Die Wärme und Herzlichkeit, die uns von den Festspielen und Bewohner:innen Bad Hersfeld entgegen gebracht wurde, hat mich täglich gerührt und begeistert. Auch die Größe des Orchesters ist für Freilichtbühnen bemerkenswert und selten. Die Energie, die wir auf der Bühne von unseren großartigen Musiker:innen bekommen haben, hat die Vorstellungen und Spielzeit wie im Fluge vergehen lassen. Ich hoffe, bald wieder in Bad Hersfeld spielen zu dürfen. Diese Stadt hat alles, was man für einen tollen Sommer braucht!
Jetzt ab Herbst spielst Du dann wieder in Wien. Deine Rolle der „Ellen“ in Miss Saigon ist ja nicht die erste, die Du in Wien übernimmst. Was ist für Dich das Besondere daran, dort zu spielen?
Wien ist eine Traumstadt. Ich liebe das kulturelle Angebot, den Lifestyle und die Menschen, die in den Theatern der Vereinigten Bühnen Wien arbeiten. Es wird sich anfühlen, wie nach Hause kommen. Die Kolleg:innen auf und hinter der Bühne, und im Vorderhaus kennen sich teilweise seit vielen Jahren. Da geht es wahnsinnig familiär zu. Hinzu kommt, dass „Miss Saigon“ die erste Produktion nach den kürzlich fertiggestellten Renovierungsarbeiten ist und das Theater in neuem Glanz erstrahlt. Vergangenen November dürfte ich auch die meisten meiner Kolleg:innen kennenlernen und freue mich sehr auf unseren Probenstart!
Miss Saigon ist im Gegensatz zu Goethe ein deutlich gereifteres Stück. Wird die Kreativität eine Rolle anzulegen dadurch eher eingeschränkt als bei einem Stück, welches noch „neuer“ ist und somit noch nicht so häufig auf die Bühne gebracht wurde?
Ich denke, als Darsteller:in in Großproduktionen geht man immer mit einem Kompromiss auf die Bühne – egal, ob Uraufführung oder nicht. Es gibt zu viele Stimmen, die etwas zur Rolle beitragen dürfen, als dass man alles uneingeschränkt selbst entwickeln könnte. Da gibt es neben Regisseur:innen noch die musikalische Abteilung, die maßgeblich an der Entwicklung einer Rolle beteiligt ist. Es gibt Produzent:innen, die sich einschalten können, Kostüme, die dein Gefühl der Rolle ebenso beeinflussen wie die Kolleg:innen, das Licht oder das Bühnenbild. Es ist eine große Maschinerie. Selbst bei einer Uraufführung, hat jeder bereits ein Bild von der Rolle, das man einbringen möchte.
Mit Oedo Kuipers hast Du ja bereits bei Mozart! die Bühne geteilt. Ist es für Dich leichter, wenn man sich schon kennt oder fördert es die Kreativität wenn man mit dem Kollegen oder der Kollegin noch nicht zusammengearbeitet hat?
Für mich hat beides seinen Reiz. Es ist schön mit jemandem zu spielen, den man noch nicht kennt und neuer Input ist immer spannend. Ich denke aber nicht, dass es die Kreativität nennenswert mehr fördert, wenn man mit jemandem zusammenarbeitet, den man nicht kennt. Schließlich entwickeln wir uns alle weiter und sind bei der nächsten Produktion an einem ganz anderen Punkt in unserem Leben. Wir lernen Tag für Tag neue Dinge und entdecken neue Seiten an uns, die wir in unser Spiel mitnehmen. So ist die Zusammenarbeit mit jemandem, den man bereits kennt, ebenso herrlich. Es braucht zudem keine Zeit um Vertrauen und Nähe aufzubauen und man kann sich schnell auf die emotionale Beziehung der Rollen einlassen. Ich freue mich auf die Zeit mit Oedo. Während Mozart! habe ich unter Anderem seine Schwester gespielt und da ist die Rolle seiner Frau natürlich etwas ganz anderes. Es wird neu und bekannt zu gleichen Maßen sein.
Vielen Dank für dieses angenehme Gespräch. Wir freuen uns, Dich bald in dieser Rolle auf der Bühne erleben zu können.