Urlaubsidylle „Im Weissen Rössl“ zu Gast im Berliner Renaissance-Theater

Andreas Bieber
(c) K. Khawatmi

Im Salzkammergut kann man gut lustig sein…

… dieser Meinung sind zahlreiche Touristen, die Jahr für Jahr das idyllische Örtchen St. Wolfgang am Wolfgangsee besuchen, um dort ihre Ferien zu verbringen. Natürlich hat sich in den Jahren zwischen 1930, wo die Uraufführung des Singspiels ihre Premiere in Berlin feierte, und der heutigen Zeit viel verändert. Schaut man etwas genauer hin, kann man immer noch solch kleine Anekdötchen, die sich damals wahrscheinlich genau wie heute im renommierten „Weissen Rössl“ oder jedem anderen Hotel der Welt abspielen können, erkennen. Das vergnüglichen Singspiel von Ralph Benatzky brach und bricht alle Rekorde. Das von ihm geschaffene Meisterwerk ist das meistgespielte Stück Musiktheater aller Zeiten.

Im Augenblick erlebt das Stück vielerorts eine Renaissance in den Theatern. In Berlin ist der Name sogar Programm, denn dort, im alt-ehrwürdigen Renaissance Theater, wurden zahlreiche Vorstellungen gespielt, die mehr als einmal ausverkauft waren. Darum ist es auch nicht verwunderlich, dass das Erfolgsstück im nächsten Jahr wieder auf dem Plan steht.

Der in drei Akten aufgeführte „Vorläufer des Musicals“ ist zwar keine Neufassung des Klassikers, wurde jedoch in der Jetzt-Zeit angesiedelt. Das ursprünglich als Lustspiel im Jahre 1896 von den beiden Autoren Oskar Blumenthal und Gustav Kadelburg verfasste und später von Hans Müller und Erik Charell zum Singspiel umgeschriebene Stück setzt auf Situationskomik, gepaart mit Liebeleien und Verwirrungen, die sich selbstverständlich jedem zum Gefallen zum Ende hin auflösen.

Winnie Böwe
(c) Kerstin Groh

Im Hotel „Zum weißen Rössl“ ist Hochsaison. Das Personal ist überfordert und der Zahlkellner Leopold (Andreas Bieber) der einzige, der versucht mit Witz und Charme die unzufriedenen Gäste zu besänftigen. Weniger Erfolg mit seinem Charme hat er allerdings bei seiner Chefin Josepha Vogelhuber (Winnie Böwe), bei welcher er immer wieder auf’s Neue erfolglose Annäherungsversuche startet. Sie ihrerseits ist verliebt in den Berliner Rechtsanwalt Dr. Otto Siedler (Tonio Arango), einen langjährigen Stammgast, der im Hotel bereits sehnsüchtig erwartet wird. Sein Erscheinen wird nicht nur von Leopold missbilligt. Der Fabrikant Wilhelm Giesecke (Boris Aljinovic), der nur auf Drängen seiner Tochter Ottilie (Annemarie Brüntjen) dort Urlaub macht und doch viel lieber nach Ahlbeck gefahren wäre, hat ausgerechnet gegen ihn und seinen Mandanten, seinen Erzkonkurrenten Sülzheimer, einen Prozess verloren. Töchterchen Ottilie hindert dies jedoch nicht daran, den vorsichtigen Avancen Siedlers nachzugeben.

Die Sache spitzt sich zu als Leopold sich weigert, den Liebesboten für seine Chefin zu spielen. Als er keinen anderen Ausweg sieht, gesteht er ihr seine Liebe. Der sich daraus entwickelnde Streit endet mit der Kündigung Leopolds, der umgehend das Rössl, nicht jedoch St. Wolfgang, verlässt. Inzwischen ist auch stellvertretend für den Vater der Sohn des Fabrikanten Sigismund Sülzheimer (Ralph Morgenstern) eingetroffen, der im Zug dorthin Professor Dr. Hinzelmann (Walter Kreye) und seine lispelnde Tochter Klärchen (Nadine Schori) kennen und lieben gelernt hat. Das personelle Chaos nimmt seinen Lauf, als sich Josepha im Traum auch noch der Kaiser als Gast ankündigt. Durch ihn bemerkt sie, dass etwas grundsätzlich geändert werden muss. Sie stellt sich vor, dass ausgerechnet Leopold den Kaiser begrüßt und es beinahe dabei zum Eklat kommt, als sie Arm in Arm mit Dr. Siedler auf der Bildfläche erscheint. Der Kaiser jedoch durchschaut die Verwirrungen und rät Josepha dazu, sich einzugestehen, dass auch sie Leopold liebt. Sie entscheidet sich für das einzig Richtige und entlässt Leopold abermals. In seinem Zeugnis vermerkt sie, dass er zwar als Zahlkellner entlassen, dafür aber als Ehemann auf Lebenszeit engagiert ist. Giesecke, inzwischen auch nicht untätig, versucht seine Tochter mit dem Sohn seines Konkurrenten zu verkuppeln. Sie jedoch hat sich längst für Dr. Siedler entschieden, der gleichfalls dafür gesorgt hat, dass ein für beide Seiten akzeptables Angebot den Dauerstreit der beiden Fabrikanten beilegen kann. Aber auch Sigismund Sülzheimer geht nicht leer aus und hat seinerseits um die Hand Klärchens angehalten. So findet sich schlussendlich für jeden Topf ein Deckel.

Annemarie Bruentjen
(c) Sven Dryja

Unter der Regie von Torsten Fischer hat das Stück nun auch seinen, zugegebenermaßen ohne Bergidylle, dafür mit anderen Vorzügen, Weg nach Berlin gefunden. Das Theater an der Knesebeckstrasse beherbergt nun für einen Sommer Urlaubsgefühl pur. Der überschaubare, holzvertäfelte Saal hat den Anschein eines großen Wohnzimmers. Die Bühne findet in einem ausladenden Bogen sein Ende vor den Zuschauern der ersten Reihe, die somit problemlos Teil des Stückes werden. Jedes Stückchen des ohnehin nicht verschwenderisch zu nutzenden Platzes wird ausgenutzt. Der nicht vorhandene Orchestergraben fehlt keinesfalls, wird die Band doch geschickt in das Stück integriert. Lediglich der Schlagzeuger findet seinen Platz in einer ehemaligen Seitenloge.

Die Besetzung ist durchweg hochkarätig. Allen voran, der in Musicalkreisen bestens bekannt und grandios in der Rolle des Leopold auftretende Andreas Bieber. In dieser Rolle beweist er einmal mehr, dass er nicht nur in der Musik, sondern auch im Schauspiel durchaus zu Hause ist. Mit Charme und Witz meistert er gleichermaßen Szenen in denen er den wütenden oder auch den stark angetrunkenen Zahlkellner darstellt. Gesanglich ist seine Rolle wie auch einige andere auf ein Mindestmaß zusammengeschrumpft. Ein Umstand, der durchaus schade ist, hätte man doch gern mehr von ihm gehört.

Zwar darf sich der Zuschauer auf die allseits bekannten Melodien freuen, jedoch traut sich Harry Ermer die Musik durch kurze Einspielungen von Queens Bohemian Rhapsody oder auch Mozarts Zauberflöte etwas zu verjüngen. Diese Sequenzen sind kurz genug, um nicht von den traditionellen Stücken abzulenken und dennoch so eingefügt, dass sie den Zuschauer aufhorchen lassen.

Ralph Morgenstern
(c) Claus Morgenstern

Winnie Böwe schlüpft in die Rolle Leopolds Angebeteten Wirtin Josepha Vogelhuber und kann gleichermaßen mit ihrem Schauspiel, wie auch mit ihrer klassisch ausgebildeten Stimme punkten. Das Multitalent überzeugt in jeder Beziehung. Aber auch die vielseitige Angelika Milster, die als Kathi, die Briefträgerin das Stück begleitet, zeigt, dass man nicht aus Tirol kommen muss um Jodeln zu können. Bekannt geworden durch das Musical Cats in den 1980er Jahren, bringt sie gestern wie heute viel Enthusiasmus und Spielfreude auf die Bühne. Weniger als Sänger, sondern vielmehr als Schauspieler auf vielen Bühnen und auch im Fernsehen unterwegs, ist Boris Aljinovic.

Als Fabrikant Gieseke, bringt er mit seiner Berliner Schnauze das gesamte Publikum immer wieder zum Schmunzeln. Es wartet förmlich in jeder Szene darauf, dass er, nicht müde werdend, wiederholt, dass er eigentlich gar nicht in den Bergen sein möchte, ihm das Essen nicht schmeckt und er sowieso viel lieber im Norden Deutschlands geblieben wäre. Einzig dem Wunsch seiner Tochter Ottilie (Annemarie Brüntjen) gibt er nach und ist deshalb noch nicht abgereist. Den Dauernörgler gibt Aljinovic mit Bravour und nimmt auch dem Zuschauer den letzten Zweifel, dass er trotzdem das Herz am rechten Fleck hat.

 

Annemarie Brüntjen spielt ihm dazu überzeugend und gekonnt die Bälle zu, die ihm immer aufs Neue Wasser auf seine Mühlen geben. Das pfiffige Mädchen, das ihren Vater jederzeit um den Finger wickelt, nimmt man ihr problemlos ab. Tonio Arango ist wiederholt Gast im Renaissance-Theater. 2014 war er, ebenfalls unter der Regie von Torsten Fischer, in „Wir lieben und wir wissen nichts“ zu sehen. Er gibt seiner Rolle des Dr. Siedler einen durchaus modernen Anstrich und kommt sportlich mit dem Fahrrad an den Wolfgangsee. Handys sind ihm eben sowenig fremd, wie die passende Wanderausrüstung oder das Wurfzelt für ein Schäferstündchen mit seiner Angebeteten.

Walter Kreye
(c) Paula Wegner

Natürlich sollte auch Ralph Morgenstern als Sigismund Sülzheimer keinesfalls unerwähnt bleiben. Wunderbar erweckt er den Charakter des völlig von sich überzeugten, jedoch liebenswerten Sigismund zum Leben. Kein Wunder also, dass bei „Was kann der Sigismund dafür…“ der komplette Saal ins Mitsingen gerät und somit beinahe den Chor ersetzt, der dieser Szene sicherlich gut gestanden hätte. Sein Zusammenspiel mit Nadine Schori, die das naiv erscheinende Klärchen mimt, passt wunderbar . Es ist erfrischend mit anzusehen wie beide Figuren sich annähern, obwohl sie doch so verschieden zu sein scheinen. Dem Fernsehzuschauer gleichfalls bekannt, ist Walter Kreye, der einen perfekten Kaiser abgibt. Als er die Szenerie betritt könnte man für einen Augenblick wirklich glauben man sähe dem Kaiser ins Gesicht. Minuten später erscheint er als Professor Dr. Hinzelmann auf der Bildfläche und meistert souverän den völlig anderen Charakter, so dass man zwei mal hinschauen muss um festzustellen, dass es ein und dieselbe Person ist.

Der ganze Abend in diesem heimeligen Theater vergeht wie im Flug und so kann als Schlusswort nur gesagt werden, dass sich ein Anschauen durchaus lohnt. Es ist nicht die klassische Version des „Weissen Rössels“ wie man sie vielleicht erwarten mag, aber dennoch eine absolut sehenswerte Variante. Der Vorverkauf für die Wiederaufnahme ab dem 17.08.2019 bis zum 07.09.2019 hat bereits begonnen. Karten gibt es unter: www.renaissance-theater.de