Der Glöckner von Notre Dame schwingt durch Berlin

Bereits vor 15 Jahren verzauberten der Glöckner von Notre Dame und seine Freunde sowie Gegenspieler in Berlin das Publikum. Vom 9. April bis 4.November 2017 kehrt die Geschichte um Glöckner Quasimodo, Zigeunerin Esmeralda, Hauptmann Phoebus und Erzdiakon Frollo nun zurück nach Berlin. Im Anschluss ist ein Umzug ins Deutsche Theater München geplant. Dort läuten die Glocken ab dem 12. November.

Wir schreiben das Jahr 1482. Quasimodo (David Jakobs), von Geburt an missgebildet, wird vom Erzdiakon der Kathedrale von Notre Dame, Claude Frollo (Felix Martin), aufgenommen, nachdem zuerst seine Mutter Florika (Kristina Love) und kurz darauf Jehan (Tim Reichwein), der Bruder von Frollo, verstorben sind. Der Erzdiakon schämt sich ob der Sünden seines Bruders, der mit der Zigeunerin davongelaufen war und versteckt seinen Neffen im Glockenturm von Notre Dame. Hier wächst Quasimodo abgeschieden von jeglichem menschlichen Kontakt heran und wird zum Glöckner der Kirche. Nur mit seinen Freunden, den Steinfiguren und Glocken als Gesellschaft, sehnt sich Quasimodo jedoch nach der Welt da draußen vor sich. Am Tag als die Gaukler und Zigeuner in der Stadt ihr Narrenfest feiern, wagt sich Quasimodo schließlich aus seinem Käfig auszubrechen. Auf dem Fest begegnet er zum ersten Mal der schönen Zigeunerin Esmeralda (Sarah Bowden), die ihn drängt am Fest teilzunehmen. Quasimodo wird schließlich von Clopin Touillefou (Jens Janke), dem Anführer der Zigeuner, zum König des Festes gekürt. Die Freude darüber ist jedoch nur von kurzer Dauer. Das Volk verspottet ihn und er flieht in Begleitung des neuen Hauptmann der Domwache, Phoebus de Martin (Maximilian Mann), zurück in seinen Glockenturm. Esmeralda folgt ihm und will sich entschuldigen, trifft jedoch auf Frollo, der Gefallen an der schönen, jungen und wortgewandten Zigeunerin findet. Aber auch Phoebus hat gefallen an ihr gefunden. Frollo, der ansonsten einen Kreuzzug gegen die Zigeuner führt, gefällt die Zurückweisung nicht.

Seine Obsession, die Stadt von den Zigeunern zu befreien, wird zu Frollos einzigen Ziel. Er macht mit seiner Domwache und den Soldaten des Königs (Alexander Zamponi) erbarmungslos Jagd auf die Narren. Phoebus, der die Jagd anführen soll, ist jedoch nur mit halbem Herzen bei der Sache. Er hat sich verliebt in die schöne Esmeralda und will sie und ihre Leute in Sicherheit wissen, sodass er schließlich selber zum Gejagten wird, als Frollo der rasend eifersüchtig ist, hinter die Liebe der beiden kommt. Als Quasimodo und Phoebus unabsichtlich die Domwache unter ihrem neuen Hauptmann, Frederic Charlus (Milan van Waardenburg), zum Versteck der Zigeuner führen, werden Phoebus und Esmeralda festgenommen und Quasimodo zurück in seinen Turm gebracht, wo er wie ein Tier angebunden wird. Lediglich Clopin gelingt mit einem seiner Gauklertricks die Flucht. Frollo stellt die gefangengenommene Esmeralda vor die Wahl, entweder sie bleibt bei ihm und rettet so Phoebus oder sie wird als Hexe auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Esmeralda weigert sich, Frollo zu Diensten zu sein und landet so schließlich auf dem Scheiterhaufen. Quasimodo, der nicht untätig mit ansehen kann, wie seine einzig wahre Freundin verbrennt, rettet sie, aber sie ist bereits zu schwach und stirbt in seinen Armen. Traurig, wütend und enttäuscht von den Taten seines Meisters ist es schließlich Quasimodo, der Frollo vom Dach stürzt und so die Menschen und sich selber von Frollos Tyrannei befreit.

„Viele Jahre später entdeckte man unter der Krypta von Notre Dame zwei Menschen, die Skelette in inniger Umarmung. Das eine war das einer Frau mit einem geflochtenen Band um den Hals, das andere eines Mannes mit verkrümmter Wirbelsäule. Als man versuchte das eine Skelett von dem anderen zu trennen, zerfielen beide zu Staub.“

Stage Entertainment bringt mehr als 15 Jahre nach der Weltpremiere des Stückes, damals im Theater am Potsdamer Platz im Jahr 1999, den Disney Klassiker erneut, in einer überarbeiteten Version, auf die Bühne. Nachdem das Stück 2014, nach der amerikanischen Uraufführung, den Sprung an den Broadway nicht geschafft hatte, versucht man sich nun erneut an dem Stoff. Mit den bekannten Tönen der damaligen Produktion und neuen Elementen aus den Federn von Stephen Schwartz und Alan Menken, gelingt es hier, eine neue Seite des Stoffes, basierend auf dem Buch von Victor Hugo, zu schaffen. Die jetzt gezeigte Version verbindet die fröhlichen und farbenfrohen Zigeunerelemente mit den eher düsteren Szenen und Charakteren, die ihr Dasein im Schatten des Doms fristen. Wie schon in der amerikanischen Produktion, setzt Stage Entertainment auf einen Live-Chor, der das ganze Stück hindurch auf der Bühne ist und die Darsteller stimmgewaltig unterstützt. Gänsehautmomente sind so garantiert.

Auch das zweistöckige Bühnenbild, welches auf den ersten Blick recht schlicht wirkt, sich aber als unglaublich wandelbar entpuppt, trägt dazu bei, den Theaterabend zu einem Erlebnis für Augen und Ohr zu machen. Das Orchester des Stage Theater des Westens unter der Leitung von Bernhard Volk, der auch den Chor zu Höchstleistungen antreibt, spielt hervorragend. Zudem ist das Orchester im Vergleich zu vorherigen Produktionen mit 17 Musiker recht stark besetzt. Eine solche Entwicklung wäre generell wünschenswert.

Mit der Besetzung ist Stage Entertainment endlich wieder ein Coup gelungen. Deutschsprachige Erstbesetzungen der Hauptdarsteller, mit Ausnahme von Australierin Sarah Bowden, machen es möglich, dass man die Komplexen, von Michael Kunze übersetzten Texte, relativ problemlos versteht und sich so zurücklehnen und die Show genießen kann.

Allem voran muss im Ensemble natürlich die Leistung von Quasimodo Darsteller David Jakobs gewürdigt werden. Vom Darsteller, der vor kurzem noch in Das Wunder von Bern und Evita zu sehen war, wird stimmlich wie auch körperlich alles gefordert. Nicht nur, dass er die gesamte Vorstellung hindurch in einer gebückten Körperhaltung spielt und dabei auf Geländern und in der Luft herum turnt, nein, Jakobs verzieht auch permanent das Gesicht, um die Entstelltheit Quasimodos nachzuahmen. Stimmlich bringt er zudem Meisterleistungen, wenn er die Töne meistert, ohne dabei Rücksicht darauf zu nehmen, dass er gebückt steht und das Gesicht verzieht.

Nicht minder begeistert Felix Martin als Erzdiakon Claude Frollo. Dem Berliner Publikum bereits als Tod in Elisabeth und Dan in Next to Normal bekannt, legt Martin all seine Stimmgewalt in die Darstellung des düsteren Zeitgenossen. Zerrissenheit, Eifersucht aber auch die Bedrohung die von seinem Charakter ausgeht, bringt Martin meisterhaft auf die Bühne.

In der Rolle des Phoebus steht ebenfalls ein Elisabeth-Alumini auf der Bühne. Maximilian Mann, der im vergangenen Jahr u.a. in Berlin als Kaiser Franz-Josef in Elisabeth, aber auch als Erzbischof in Mozart zu sehen war, steht hier nun in einer größtenteils weniger ernsthaften Rolle auf der Bühne. Gerade zu Beginn gelingt es Mann sehr gut, die verschiedenen Züge von Phoebus Charakter herauszuspielen. Gesanglich gibt es bei Mann nichts auszusetzen, außer vielleicht, dass man sich wünschte, er hätte mehr Lieder im Stück. Besonders im zweiten Akt, in seinem Duett mit Esmeralda, brilliert Mann stimmlich.

Sucht man in dieser Produktion das Haar in der Suppe, kann man vielleicht den Akzent von Sarah Bowden nennen. Während sie sich schauspielerisch Weltklasse präsentiert, tritt ihr Akzent gegenüber den deutschsprachigen Hauptdarstellern in den Dialogen besonders hervor. Singt sie, tritt dieser jedoch in den Hintergrund, sodass anzunehmen ist, dass der Akzent für den Gesang abtrainiert wurde. Ein wenig mehr Übung beseitigt also vielleicht auch dieses kleine Manko.

Heimlicher Star der Produktion ist eindeutig Jens Janke als Zigeunerkönig Clopin Touillefou. Der erfahrene Darsteller besticht sowohl stimmlich als auch schauspielerisch mit seinem Können und mausert sich so vom ersten Moment an zum Star auf der Bühne. Auch Tim Reichwein und Milan van Waardenburg, beides ehemalige Herbert Darsteller aus Tanz der Vampire, begeistern in ihrer Darstellung. Beide wirken erwachsener und angekommen. Vor allem bei van Waardenburg tritt sein niederländischer Akzent deutlich weniger hervor, als noch vor knapp einem Jahr, als er ebenfalls auf der Bühne vom Theater des Westens sein Debüt als Herbert gab. Stimmlich wie auch darstellerisch bietet beide, wenn auch in kleineren Rollen zu sehen, einen Hochgenuss. Die Vorfreude van Waardenburg auch als Zweitbesetzungen in der Rolle des Quasimodo zu sehen, ist hier definitiv berechtigt.

Auch das restliche Ensemble leistet großartige Arbeit, ob als Gemeinde, Steinfiguren oder Zigeuner. Jeder von ihnen ist wandlungsfähig und schlüpft von einer Sekunde zur anderen in eine neue Rolle. Während zu Beginn das Ensemble als Steinfiguren noch etwas gewöhnungsbedürftig sein mag, vergisst man dies schnell durch die Spielfreude und Stimmgewalt, die man hier zu sehen und hören bekommt.

Stage Entertainment bringt hier wieder ein Meisterwerk aus dem Hause Disney auf die Bühne und lässt die Zigeuner meisterhaft die Geschichte des Glöckners von Notre Dame erzählen. Tickets für die Spielzeiten in Berlin und München sind HIER erhältlich.