Das Publikum tobt dennoch – „Daddy Cool – Das Musical“

Jukebox-Musicals gibt es spätestens seit “Mamma Mia” wie Sand am Meer und eigentlich ist der große Boom auch schon lange wieder vorbei. Nachdem es mittlerweile Musicals mit den Hits von Queen, Falco, Udo Jürgens und Udo Lindenberg gibt, reiht sich nun auch “Daddy Cool – Das Musical” pünktlich zum 40-jährigen Jubiläum der Gruppe „Boney M.“ in diese, unter Musicalliebhabern umstrittene Gattung, ein. Die derzeit gerade beendete Tour zog von Stadttheater zu Stadttheater und war gerade bei den reinen Gastspielhäusern, wie es das Stadttheater Rüsselsheim nun einmal ist, sehr gefragt. Und auch im Stadttheater Rüsselsheim waren bis auf wenige Plätze alle Sitze belegt.

Wie der Name verrät, handelt es sich hierbei um ein Musical mit den Songs der Popgruppe “Boney M.”, die vor allem in den 1970ern und 1980ern aktiv war. Die Handlung beginnt damit, dass die alleinerziehende Mutter Pearl (Jennifer Kohl) mit ihrem Sohn Sunny (Anthony Curtis Kirby) nach England zu Pearls Freundin Leila zieht, die eben eine klischeehaft überdrehte Britin ist. Dort verbringen die beiden 10 Jahre, denn in einem Szenenwechsel feiert der eben noch 15 Jahre alte Sunny seinen 25. Geburtstag. Sunny und seine Sunshine Crew wollen bei einem Tanzwettbewerb gegen die rivalisierende Thunder Crew unter dessen Anführer Benny (Michael Hinterhauser) gewinnen. Doch als die “Thunder Crew” der “Sunshine Crew” den Proberaum streitig macht, zieht es die Gruppe, rund um Sunny, in eine benachbarte Kirche, die ihnen freundlicherweise von Leila zur Verfügung gestellt wird. Nebenbei kommt es zum Wiedersehen von Rose (Nadine Kühn) und Sunny, die sich zuletzt vor 10 Jahren auf einer Parkbank gesehen und gemeinsam gesungen haben. Doch Rose ist noch mit Benny zusammen und möchte nicht nur tanzen, sondern auch singen und schließt sich deswegen der Sunshine Crew an, da diese ihr das ermöglichen würden.

Doch Rose ist die Tochter von Eveline, einer alten Rivalin von Sunnys Mutter Pearl, die nun als Ma Baker den Club Rasputin führt. Dieser gehörte ursprünglich einem Mann, der sich Daddy Cool (Philippe A. Blair) nannte. Wie sich später herausstellt, war dieser Mann der Freund von Pearl, die auch ein Kind von ihm erwartete, ihn jedoch auf Anraten von Eveline verlassen hatte. Erst später erfuhr Daddy Cool davon, dass Sunny sein Sohn ist und wollte ihn unbedingt noch vor seinem Tod sehen. Doch dazu kam es nicht, da er vorher verstarb. In einem Geflecht aus Lügen und Intrigen rund um Ma Baker, Rose, Pearl und Sunny kommt es schließlich zum Höhepunkt und die Frage, wem der Club Rasputin denn nun gehört. Und beinahe nebensächlich entschied sich auch der Ausgang des Tanzwettbewerbs.

Die ohnehin schon sehr stolpernde Handlung wird von den eher erzwungen eingefädelten Songs nur noch verwirrender, als sie es vertragen würde. Der Dramatik, die sich stellenweise versucht aufzubauen, wird durch diese Unterbrechungen der Wind aus den Segeln genommen, was der Inszenierung nicht gut tut. Die Dialoge sollten deutlich gestrafft werden und die Auswahl der Songs würde auch eine Überarbeitung verdienen.

Die Musik, die größtenteils – wenn nicht sogar hauptsächlich – aus der Konserve kommt, wummert viel zu laut und basslastig aus den großen Lautsprechern. Das macht es vor allem in den vorderen Reihen unmöglich, den Text zu verstehen, wenn man diesen nicht vorher schon kannte. Immerhin wurde – soweit man es beurteilen konnte – die Originaltexte der Songs verwendet und entsprechend auf Englisch wiedergegeben. Es macht es leider auch schwer, die stimmliche Qualität der Darsteller zu genießen. Diese ist gewiss vorhanden, wie Nadine Kühn in einer der leiseren Szenen beispielsweise beweist.

Leider sind auch die Rollen sehr flach angelegt, was es den Darstellern schwierig gestaltet, das dramatische Potenzial voll auszuschöpfen. Einzig Agneta Olivia Hanappi bringt die maßlos überdrehte Britin Leila so überzeugend und komödiantisch auf die Bühne, dass sie die nötige Leichtigkeit in die Situation bringt.

Das Bühnenbild ist schlicht gehalten: Eine animierte Bühnenrückwand stellt mittels Projektionen die jeweilige Szenerie dar, während bewegliche Bühnenteile, wie beispielsweise Kirchenbänke, auf die Bühne gefahren werden. Die Lichttechnik bringt jedoch größtenteils die gewünschte Stimmung, könnte für die dargestellten Szenerien wie beispielsweise dem Club Rasputin noch viel mehr bringen.

Witzige Kleinigkeit zum Schluss: Während der Szenen im Park läuft immer wieder ein als Charlie Chaplin verkleideter Pantomime durch die Menge mit einem kleinen Schild mit der Aufschrift “Coming Soon”. Dies ist eindeutig eine Anspielung auf die demnächst startende Tour von “Chaplin – Das Musical”, das auch vom selben Veranstalter produziert wird. Wir hoffen, dass dieses Musical – ähnlich wie “Hair” im vergangenen Jahr – wieder mehr bietet als dieses Musical.

Dem Publikum in Rüsselsheim hat die Show dennoch gefallen, sie honorierten den Einsatz und die Spielfreude der Darsteller mit langem Applaus und Standing Ovations.