Eine schrecklich nette (Addams) Family in Berlin

Ein wenig seltsam… gut, sehr seltsam sind sie schon, die Addams, die vom 17. bis 21. Mai die Bühne des Admiralspalast ihr Zuhause nannten. Die Addams, das sind Morticia und Gomez, Wednesday, Pugsley, Onkel Fester und Grandma. Aber nicht nur die verrückte Familie spielt im Musical eine Rolle – Nein, auch die Beinekes, Mal, Alice und Lucas sind mit von der Partie. Nach der Deutschlandpremiere in Merzig 2014, schickte Produzent Joachim Arnold die verrückte Familie auf Tournee. Nach Stopps in Wien und München, sind die Addams mit Uwe Kröger und Edda Petri in den Hauptrollen nun in Berlin angekommen. Im Beisein der Berliner Prominenz, zu Gast waren unter anderem Katharine Mehrling, Rolf Scheider und Ingo Appelt, feierten die Addams am 17. Mai 2017 ihre Berlin-Premiere.

Ein Haus im New Yorker Central Park und untote Verwandte, wer hat das schon? Richtig, die Addams. Aber sie haben wie jede andere Familie ganz normale Probleme. Wednesday, die Tochter der Familie (Henriette Schreiner), ist verliebt. Und das in einen Jungen, der für den Geschmack ihrer Familie viel zu spießig und normal ist. Während ihre Mutter Morticia (Edda Petri) sich noch versucht mit dem Gedanken vertraut zu machen, dass ihre Tochter verliebt ist, sind Wednesday und ihr Freund Lucas (Benedikt Ivo) bereits heimlich verlobt. Wednesday, ein echtes Papa-Kind, gesteht ihrem Vater Gomez (Uwe Kröger) dieses Geheimnis. Gomez ist hin- und her gerissen zwischen der Liebe zu seiner Tochter und dem Schwur gegenüber seiner Gattin, immer die Wahrheit zu sagen. Als Lucas mit seinen Eltern Mel (Andreas Zaron) und Alice (Franziska Becker) zu Besuch kommt, droht die Fassade jedoch zusammenzustürzen. Wednesday möchte, dass ihre Familie einen möglichst normalen Eindruck macht, aber das ist gar nicht so leicht, wenn Butler Lurch (Gerhard Kanzel) ein wenig aussieht wie Franksteins Monster, Bruder Pugsley (André Haedicke) durchdreht, weil er Angst hat seine Schwester zu verlieren, Onkel Fester (Oliver Mülich) in den Mond verliebt ist und Grandma (Petra Lamy) eine alte, unhöfliche und leicht demente Kräuterhexe ist. Dass ihre Eltern auch eher außergewöhnlich und die restlichen Verwandte Untote sind, macht das Ganze nicht einfacher. Aber auch die Beinekes scheinen nur auf den ersten Blick normal. Vater Mal war früher mal ein wilder Rocker  und ist jetzt zum Spießer mutiert und Mutter Alice spricht fast nur in Reimen. Als Morticia beim Familie Dinner „Das Spiel“ spielen will, droht der Exodus. „Sag die Wahrheit“ bringt Gomez in Bedrängnis und als Wednesday und Lucas schließlich ihr Geheimnis gestehen, weiß sie, dass ihr Gatte ihr etwas verschwiegen hat. Ihre Ehe droht zu zerbrechen. Das von Fester und den Ahnen heraufbeschworene Gewitter macht das Chaos perfekt. Jeder streitet mit jedem mit die Katastrophe scheint vorprogrammiert. Ob alles zu einem guten Ende geführt werden kann bleibt ungewiss.

Uwe Kröger und Edda Petri (c) Lena Gronewold/Maybe Musical

Star des Abends ist Uwe Kröger in der Rolle des Gomez Addams. Mit gekonnt spanischem Akzent stolziert er über die Bühne und regt das Publikum zu manchem Lacher an. Auch wenn sein Gesang, sobald er vom Standard abweicht, teilweise etwas dünner wird, kann Kröger in der Rolle des heißblütigen Ehemannes durchaus überzeugen. Witz, Verzweiflung, aber auch Hingabe zu seiner Familie zeigt er in authentischem Schauspiel indem er auch die Schrägheit des Charakters zu zeigen weiß, aber nie übertreibt. Für einen unfreiwilligen Lacher sorgt Kröger kurz vor Ende des Abends mit einem Versprecher, der solche Lacher und Applaus endet, dass er kurz innehalten muss, bevor er weitermachen kann. Seine Zusammenspiel, besonders mit seiner Morticia Edda Petri, wird deutlich, als nach der letzten Tanznummer ihr Mikro ausfällt und er sich immer wieder galant (und außerhalb der Choreographie) mit ihr dreht, damit sie in sein Mikrofon sprechen kann.

Abgesehen von diesen technischen Schwierigkeiten mimt Edda Petri eine perfekte Morticia. Die Rolle als Familienoberhaupt zeichnet die Schauspielerin fein mit einem perfekt getimten schwarzen Humor, einer guten Portion Ironie und viel Liebe zum Detail. Wenn Petri im engen schwarzen Abendkleid über die Bühne trippelt oder Kröger an ihr ausladendes Dekolleté drückt, spielt sie nicht nur die Morticia, sie ist Morticia.

Das junge Liebespaar Wednesday und Lucas wird in dieser Tour von Henriette Schreiner und Benedict Ivo dargestellt. Schreiner und Ivo, die bereits beide in der vorherigen Tour als Cover für die Rollen dabei waren, können beide nur in Teilen überzeugen. Während beide gesanglich durchaus eine stabile Leistung bringen, bleiben sie im Schauspiel hinter den anderen Familienmitgliedern zurück. Schreiner, in der Rolle der Prinzessin der Finsternis, wirkt für die Rolle der Wednesday viel zu brav. Auch wenn sie wütend ist und furchteinflößend sein sollte, wirkt sie eher brav und lieb als böse und gefährlich. Ivo, der durchaus Potenzial zeigt, scheint sich in der Rolle nicht ausleben zu können. Lucas bleibt eher blass und auch seine Wandlung am Schluss vermag dem jungen Darsteller nicht die Gelegenheit zu verschaffen, sein Können gänzlich zu zeigen.

In stimmlicher Hinsicht, sind die Stars des Abends an zwei unterschiedlichen Enden des Spektrums der Familien zu finden. Bei den Addams dominiert stimmlich André Haedicke in der Rolle des Pugsley. Obwohl er für die Rolle des neunjährigen Sohnes auf den ersten Blick ein wenig alt scheint, spielt er diese mit großer Überzeugung. Auch unvorhergesehene Ereignisse, wie auseinanderfallende Requisiten, überspielt Haedicke, ohne mit der Wimper zu zucken. Gesanglich stark, überzeugt er in jedem noch so kleinen Gesangsteil. Besonders sein Solo „Was wäre wenn“ ist ein Highlight. Ein weiteres gesangliches Highlight bietet Franziska Becker mit „Das Warten“. Dieser Showstopper erhält wohl bei weitem den größten Szenenapplaus. Die Musicaldarstellerin, die bereits aus diversen Stücken bekannt ist und in dieser Tour neu zum Addams Family Ensemble gestoßen ist, spielt ihre Rolle mit viel Witz und Charme. Die sonst ein wenig in den Hintergrund rückende Handlung zwischen ihr und ihrem Bühnenehemann wird durch ihre Darstellung problemlos zu einem der Highlights des Stückes. Dies liegt jedoch nicht nur an Franziska Becker. Andreas Zaron ist eine Idealbesetzung für die Rolle des Oberspießers Mal Beineke. Der Entertainer macht eben jenes, er unterhält mit seiner Spießigkeit, die einige Lacher erntet.

Komplettiert wird „die Familie“ von Oliver Mülich als Fester, Petra Lamy als Grandma und Gerhard Kanzel als Lurch. Wobei… ob Grandma wirklich zur Familie gehört, ist noch ungeklärt. Beide, sowohl Lamy als auch Kanzel, haben Rollen, deren Schauspielaspekt stärker hervortritt als ihr Gesangsanteil. Kanzel hört man beispielsweise in seiner Rolle erst so richtig im Finale, als Lurch endlich mal den Mund aufbekommt. Beide können jedoch auch ohne viele Worte begeistern und erwecken den schrägen Touch ihrer Rollen gekonnt zum Leben. Ein geheimer Star der Familie ist Oliver Mülich als Fester, Bruder von Gomez. Mit den familiär bedingten großen Ohren wirkt er fast, als würde er jeden Moment abheben. Das Aussehen verleiht ihm eine unfreiwillige Komik, die in dieser düsteren Familie deutlich hervorsticht. Vom Rand des Geschehens aus lenkt Mülich geschickt, was passiert und agiert als eine Art Erzähler mit dem Publikum. Stimmlich, wie auch darstellerisch, überzeugt Mülich als schräger Onkel.

Die Untoten Ahnen, die an diesem Premierenabend auf der Bühne stehen, zeigen sich gleich in dreifacher Funktion. Einerseits erzählen sie gemeinsam mit Fester die Geschichte, fungieren als Chor und rücken auf der Bühne die Kulissen hin und her. Dies geschieht auffällig unauffällig und fügt sich perfekt ins Geschehen ein. Das Stück kommt ohne große technische Spielereien aus, überzeugt aber gerade durch diese Schlichtheit. Wenige drehbare Bühnenteile, ein Vorhang und verschiedenste Requisiten lassen ohne Probleme die verschiedenen Handlungsorte des Stücks entstehen.

Großes Manko des Abends sind die großen technischen Probleme im Ton, mit denen die Darsteller zu kämpfen haben. Nicht nur, dass unter anderem bei Edda Petri

Edda Petri (c) Lena Gronewold/Maybe Musical

das Mikro irgendwann gänzlich ausfiel, auch wenn ihr Mikro an war, war sie, wie alle ihre Kollegen schlecht zu verstehen. Die Band großartig, jedoch viel zu laut, übertönt an vielen Stellen die Darsteller. Häufig sind diese, besonders in Sprechszenen, gerade aus den ersten Reihen besser dann zu verstehen, wenn ihre Mikros versagen. So fällt immerhin der unangenehme Wiederhall weg. Dies scheint jedoch auch ein generelles Problem des Hauses, da es auch in vorherigen Produktionen ähnliche Probleme gab. Hierran muss unbedingt gearbeitet werden, wenn die Gastspiele im Admiralspalast gänzlich zu einem Highlight werden sollen.

Alles in allem bietet die Produktion von Joachim Arnold unter der Regie von Andreas Gergen, einen kurzweiligen und unterhaltsamen Abend, der trotz kleinen Schwächen überzeugen kann.