Wer bei diesem Titel sofort das Bild von wilden Piratenschlachten, Männern mit Augenklappe und Holzbein vor Augen hat, die nichts anderes tun als zu rauben, morden und Whiskey zu trinken, irrt gewaltig. Pirate Queen hat natürlich auch mit solchen Dingen im weitesten Sinne zu tun, aber die Geschichte, um die es geht, ist eigentlich eine andere…
Die im 16. Jahrhundert in Irland lebende Grace O’Malley (Corinna Ellwanger) hat den Wunsch einmal Kapitän auf dem Schiff ihres Vaters, der Pirate Queen, zu werden – undenkbar zu dieser Zeit. Um jedoch an Bord bleiben zu können und sich ebenfalls nicht von ihrem Liebhaber Tiernan (Jan Rekeszus) trennen zu müssen, verkleidet sie sich als Junge und rettet sogar das Schiff in einem Sturm vor dem Untergang. Damit fliegt ihre Tarnung allerdings auf. Trotzdem erlaubt ihr Vater Dubhdara (Thomas Kohl) ihr zu bleiben. Als sie zusammen mit Tiernan das Schiff gegen englische Krieger verteidigen muss und dabei ihrem Vater das Leben rettet, wird sie nun endlich auch vom Rest der Besatzung akzeptiert.
Dies alles gefällt Königin Elisabeth I. (Désirée Brodka), die zu dieser Zeit herrscht, gar nicht. Ihr Untergebener Sir Richard Bingham (Marian Kalus) wird von ihr zum Lord Gouverneur ernannt und erhält den Auftrag, in Irland die Rebellen zu besiegen. Er sieht dies als eine leichte Aufgabe an und möchte der Königin damit imponieren.
In Irland indessen soll aus politischen Gründen Grace mit Donel (David Johnson), dem Sohn des Clans der Flaherty, verheiratet werden. Obwohl sie Tiernan liebt und er sie, fügen sie beide in ihr Schicksal, ohne sich jedoch völlig aus den Augen zu verlieren.
Bei einer weiteren Schlacht besiegen die Frauen des Clans durch eine List Lord Bingham, womit sein Ansehen bei Königin Elisabeth I. nicht gerade steigt. Dann gelingt es ihm und seinen Gefolgsleuten jedoch, bei einer weiteren Schlacht auf See Grace, die gerade erst ihr erstes Kind zur Welt gebracht hat, gefangen zu nehmen. Grace wird von ihrem Sohn getrennt und verbringt viele Jahre im Kerker. Ihren Sohn zieht ihre Amme (Anja Daniela Wagner) auf, immer auch beobachtet von Tiernan. Dieser wagt dann auch, den Schritt zu Königin Elisabeth zu gehen und sich im Tausch gegen Grace anzubieten. Sie lässt sich darauf ein. Tiernan und Grace begegnen sich und sie weiß nun, wem sie ihre Freiheit zu verdanken hat.
Sie sieht ihre Sohn wieder, kann aber nicht anders als weiter zu kämpfen. Sie verlässt ihren Ehemann, der nicht länger bereit ist, sie zu unterstützen und begibt sich zur Königin, um selbst bei ihr vorzusprechen. Bei einem Gespräch unter 4 Augen beginnen die beiden, sich gegenseitig zu verstehen und beschließen sich nicht länger zu bekämpfen.
Nun am Ziel angelangt, ist der Weg auch frei für ihre Liebe zu Tiernan. Die beiden heiraten.
Das Musical „The Pirate Queeen“ entstand nach einer für Jugendliche geschriebene Neuauflage des gleichnamigen Romans der Autorin Morgan Llywelyn im Jahr 2006. Claude-Michel Schönberg und Alain Boubill, die sich für die Musik verantwortlich zeichnen, feierten bereits Jahre zuvor mit „Les Misérables“ und „Miss Saigon“ Welterfolge. Diese Vorgeschichte ist auch nicht spurlos an der „Pirate Queen“ vorbeigegangen. Glaubt man doch gleich zu Anfang musikalische Parallelen zu Les Misérables erkennen zu können. Dies verliert sich jedoch recht schnell und irische Töne treten deutlich in den Vordergrund. Unterstützt wird dies durch imposante Steptanz-Szenen, die Michael Flatley in nicht viel nachstehen.
Die Bühne ist mit recht einfachen, aber effektiven Mitteln ausgestattet. Mal ist sie Schiff, mal Thronsaal der Königin, mal düster, mal hell. Das Auge glaubt viel mehr Details wahrzunehmen als da sind, was das Ganze belebt und nicht langweilig werden läßt.
Die Mischung der Cast, die sich aus Musical-Darstellern, Opern-Ensemble und Opernchor des Theaters zusammensetzt, ist gut auf einander eingespielt. Das Orchester, das anfänglich noch kleinere Hürden, was die irischen Melodien anbelangt zu überwinden hat, ist spätestens im 2. Akt so eingespielt, dass man von der Musik förmlich mitgerissen wird.
Zwar kann das ganze Stück nicht mit einem einzigen Titel aufwarten, der einem sofort im Ohr bleibt, aber das schmälert den Gesamteindruck der schönen Melodien keineswegs.
Corinna Ellwanger, die die Grace verkörpert, besticht durch ihre klare, angenehme Stimme und ihr ansteckendes Temperament, das sie mit auf die Bühne bringt. Sie lebt ihre Rolle auf der Bühne und hat sichtlich Spaß am Spielen.
Jan Rekeszus, der an diesem Abend seine Premiere als Tiernan feiert (sonst gespielt von Patrick Stanke), ist sicherlich gut besetzt in dieser Rolle, brillieren kann er allerdings in einer anderen: nämlich in der des Donel, Sohn des O’Flaherty-Clans. Seine dort an den Tag gelegten Stepeinlagen sind absolut sehenswert.
Anja Daniela Wagner, eigentlich mit verschiedenen kleineren Rollen besetzt, fällt immer wieder während des Stückes durch ihren einfühlsamen Gesang, mal in deutsch, mal in gälisch auf. Davon würde man gerne mehr hören.
Fazit: Dieses Stück hat es nicht verdient, übersehen zu werden, nur weil es am Broadway nach kurzer Zeit wieder abgesetzt wurde. Sicherlich muss man sich in die Geschichte erst einmal einfühlen. Dazu ist es in der Tat hilfreich, sich vorher etwas damit vertraut zu machen oder es sich sogar mehr als einmal anzuschauen. Das bei vielen Vorstellungen fast ausverkaufte Haus gibt dem Theater Nordhausen Recht, den Schritt gewagt zu haben, Pirate Queen auf eine deutsche Bühne zu holen. Nicht umsonst wird es auch in der kommenden Spielzeit ab dem 22.10.2016 erneut auf dem Spielplan stehen.