Ein ganz besonderes Event braucht einen ganz besonderen Bericht. Bereits im Dezember präsentierten Mark Seibert und Thomas Smolej in Wien einen ganz außergewöhnlichen „Männerabend“ und wir waren dabei..
Eigentlich ist es ein ganz durchschnittlicher Tag im Dezember. Es schneit und der normale Mensch sitzt bei diesen Temperaturen vor dem warmen Kamin und freut sich aufs Abendessen. Eben! Eigentlich! Heute ist irgendetwas anders. Der scharfe Beobachter bemerkt, dass genau heute der übliche Tagesrhythmus gestört wird. Vor einem scheinbar ganz normalen – zugegeben schicken – Wohnhaus hat sich bereits eine kleine Schlange gebildet, die zwar noch nicht bis St. Pölten reicht, jedoch langsam aber stetig anwächst. Es ist kalt, aber die in der Reihe ausharrenden Gestalten scheinen bester Laune. Sie plaudern wartend vor einem kleinen Gartentörchen, das nach kurzem Abwägen für den Eingang gehalten wird. Dem Rätsel weiter auf der Spur, kommt der Beobachter der Lösung ein Stückchen näher, als sich nach einiger Zeit die Pforte öffnet und die Wartenden eingelassen werden. Viele stürzen sich mit großem Enthusiasmus sofort auf die noch leeren, aus einem alten Theater oder Kino stammenden Klappstuhlreihen, die einen Raum, nicht größer als ein Wohnzimmer, beinahe komplett ausfüllen. Lediglich, ein Flügel, der scheinbar zwischen sämtlichen Stühlen platziert ist und einer aus dickem Glas bestehenden Erhöhung, die augenscheinlich eine Art Bühne bildet, unterbrechen die Stuhlparade. Es ist aber ein hübscher Rahmen für solche eine Menschenansammlung, wenn man sich umschaut. Der Flur, in dem sich außer den Leckereien nun so langsam alle Besucher einfinden, verfügt über eine große Treppe, mit einem massiven Holzgeländer, die hinauf in den ersten Stock führt. Ein imposanter Kronleuchter, der alles in ein heimeliges Licht taucht, hängt von der Decke und dreht man sich ein wenig, gibt der Raum den Blick durch ein zum Stil passendes Sprossenfenster auf die – zugegeben, Tageszeit bedingt – im Dunklen liegenden Terrasse des Hauses – frei.
Noch etwas fällt auf: zwischen die doch sehr damenlastigen Gäste haben sich tatsächlich ein paar männliche Wesen gemogelt. Gleichzeitig wird ein Gerücht lauter: Hier soll es sich um einen Männerabend handeln. Ein Männerabend bei dem fast 95 Prozent weiblichen Geschlechtes sind? Das Ganze ist leicht verwirrend. Die Spannung löst sich auch erst, als drei gutgelaunte Herren den Raum betreten. Der geneigte Beobachter, der sich noch immer im Hintergrund hält, erkennt zum ersten Christian Frank, der sich inmitten von Stühlen, Gästen und Füßen derselben hinter dem Flügel platziert, gefolgt von Thomas Smolej und Mark Seibert, die die beiden aufgestellten Barhocker besetzen. Im Kopfe des Beobachters beginnt es zu arbeiten. Er versucht die ihm durchaus geläufigen Namen den Orten zuzuordnen wo sie ihm schon einmal begegnet sind. Dann fällt es ihm ein.
Thomas Smolej ist der gebürtige Kärntner, der sich nicht nur als Darsteller einen Namen gemacht hat, sondern ebenso als Regisseur verschiedenster Musicals, Theaterstücke, Kabarett- und Comedy Programme, Shows und Events seit Jahren tätig ist. Außerdem lehrt er an der Universität Wien „Einführung in die theoretische Sprechtechnik“ und arbeitet als Sprecher für Werbung, Dokumentation und Hörbücher. Ebenfalls coacht er in den Bereichen professionelles Auftreten, Sprache und Stimme. Im Zusammenhang mit dem Namen Mark Seibert fallen ihm spontan Musicals wie „Elisabeth“, „Mozart“, „Schikaneder“ oder „Tanz der Vampire“ ein, wo er mit seinen Rollen in jedem einzelnen die Damenwelt auf andere Art und Weise in Aufruhr versetzte. So langsam wird dem Beobachter auch klar, weshalb es am heutigen Abend einen solchen Damenüberschuss gibt… Auch den Musiker am Flügel sortiert er noch gedanklich ein: Christian Frank ist gleichfalls als Musical Director, Komponist und Arrangeur bekannt. Es gibt also durchaus eine Schnittmenge aus allen dreien. Smolej und Seibert spielten zusammen im Musical „Bonnie & Clyde“ im Theater in Baden bei Wien, Seibert und Frank bestritten bereits einige Konzerte, sogar in Shanghai, miteinander und nun haben alle drei zusammen gefunden, um dem Publikum einen ganz besonderen Abend zu bescheren. Nicht nur der stille Beobachter ist gespannt, denn nun ist endlich auch die Katze aus dem Sack. Eine Lesung soll es werden, eine mit lustigen Texten und dramatischen Liedern oder umgekehrt oder beides…
Weder lustig noch dramatisch, dafür aber sehr stimmungsvoll startet der Abend mit einer Darbietung der Künstler von „Let it snow“, passend zu den weißen Flocken, die draußen schon die ganze Zeit ungehindert vom Himmel schweben. Lehrreich geht es weiter. Wer hat nicht schon einmal einen Newsletter bestellt oder ungewollt zugestellt bekommen? Allein die Überschrift entlockt den Zuschauern im Saal eifriges Kopfnicken. Wohin es allerdings führen kann, wenn man versucht einen solchen, in unserem Fall einen der Schaubühne Berlin abzumelden, schildern Seibert und Smolej; in unterschiedliche Personen schlüpfend, sehr erheiternd. Eigentlich kein großes Problem, sollte man meinen – in diesem Fall entwickelt sich nach Absendung der Abmeldung eine spaßige Konversation verschiedenster Newsletter-Kunden, die letztendlich schon gar nicht mehr mit dem Theater mailen, sondern untereinander kommunizieren. Als der Newsletter schließlich zu einer Partnerbörse mutiert, weiß man gar nicht so genau, ob man diese Informationen jetzt wirklich nicht mehr bekommen möchte… Etwas ruhiger geht es dann wieder zu als Thomas Smolej „Titanium“ von David Guetta und Mark Seibert „Fields of gold“ von Sting zum Besten geben. Allein mit Christian Frank am Flügel bekommen die Songs noch einmal mehr einen ganz besonderen Charme.
Jäh aus seiner feierlichen Stimmung gerissen, steht unser Zuhörer nun vor einem neuen Problem. Es erschließt sich ihm nicht, warum man ein Brot von gestern heute nicht schon vorbestellen kann. Schließlich ist es doch heute schon da. Dem Herrn im Gespräch mit der Bäckereifachverkäuferin ergeht es ähnlich. Das Publikum kann indessen das Schmunzeln genauso wenig unterdrücken, wie die beiden Protagonisten auf der Bühne, die dennoch mit halbwegs ernster Miene versuchen nicht vom Text abzukommen. Ganz und gar nicht komisch ist der Inhalt des Songs, der gleich darauf folgt. „Sarah“, dessen Text Mark Seibert eigens ins Deutsche übersetzen ließ, stammt aus dem Musical „Civil War“ von keinem geringeren als Starkomponist Frank Wildhorn und handelt von einem letzten Liebesbrief eines Soldaten an seine Freundin. Kaum ist der letzte Ton dieses wunderbar traurigen Liedes verklungen, geht es mit dem Strapazieren der Lachmuskeln weiter. Thomas in der Rolle des Sohnes skypt mit Mark der den Part des Vater übernimmt. Schon der Beginn macht es den Zuschauern schwer nicht dem offensichtlichen Drang laut loszulachen nachzugeben. Mark Seiberts Bemerkung, eine solche Situation wie in der Geschichte, kenne er auch aus dem Privatleben, trägt ebenfalls nicht dazu bei irgendeine Form von Ernsthaftigkeit walten zu lassen.
Die Songs zwischen den Geschichten, haben gleich einen doppelten Zweck. Sie verdeutlichen nicht nur mit welch großem Talent die Künstler gesegnet sind, sondern vermutlich, so überlegt unser Beobachter, um sowohl Darsteller als auch Publikum einen Raum zu geben, um wenigstens für einen Augenblick das beiderseitige, breite Grinsen aus dem Gesicht zu bekommen. Nun kommt der Zeitpunkt an dem auch Christian Frank zeigen kann, dass er nicht nur für die musikalische Untermalung der beiden Herren auf der Bühne zuständig ist. Mit der Bemerkung, dass er sich eigentlich nicht vorgestellt hätte, dass das Publikum so nah hinter ihm sitzen würde, dass die Besucher seine Aufzeichnungen zu sehen bekämen, bietet er ein gekonnt zusammengestelltes Medley verschiedenster Weihnachtslieder, das zumindest einen kleinen Einblick in sein Können gewährt. Die wunderbare Stimmung weiterführend übernimmt Thomas Smolej mit „The One“ aus dem Musical „Meine stille Nacht“, das in Salzburg seine Premiere feierte, die musikalische Regie.
Schlag auf Schlag geht es gleich im Anschluss weiter und erreicht mit „Der Ausdruck“ als letzte Geschichte vor der Pause einen weiteren Höhepunkt. Wie reagiert ein Vater, dessen 7-jährige Tochter von ihm den Begriff ‚Ficken‘ erklärt bekommen möchte? Und das nicht zu Hause, sondern auf der Straße, wo die halbe Stadt zuhört? Unser Beobachter wechselt die Gesichtsfarbe in ein dezentes rot. Das weibliche Geschlecht um ihn herum tut es ihm gleich, allerdings augenscheinlich aus einem anderen Grund. Der Dialog zwischen Thomas als Vater und Mark als seine kleine Tochter ist an Komik an diesem Abend schwer zu überbieten und die beiden auf der Bühne haben mindestens so viel Spaß wie das Publikum im Saal.
So vorweihnachtlich wie der erste Teil mit „St. Claus ist coming to town“ endet, beginnt der zweite. Nach einem wundervollen „White Christmas“ gemeinsam von Seibert und Smolej vorgetragen, folgt ein zweiter Song aus „Meine stille Nacht“ – „Any Minute“, den Thomas allein performed. Die beinahe andächtige Ruhe ist jedoch gleich wieder dahin, als die beiden die etwas andere Weihnachtsgeschichte vortragen. „Auszüge aus dem Evangelium nach Facebook“ lässt schon das Eine oder Andere vermuten. Natürlich tragen Seibert und Smolej maßgeblich dazu bei, dass der Text von Paul Bokowski beim Publikum große Erheiterung hervorruft. Leute, die in einer Welt von Computern und Smartphones leben, können sich leicht in die Welt des Autors zu versetzen. Bei Aussagen wie „Jesus von Nazareth via Twitter: Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen? Jesus von Nazareth stirbt. Das Profil von Jesus von Nazareth ist zurzeit nicht erreichbar. Bitte versuchen Sie es zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal“, fällt es schwer ernst zu bleiben – nicht nur dem Publikum.
Kaum wieder zu Atem gekommen dürfen sich die Anwesenden damit vertraut machen, wie man es mit der Family-Card und dem ursprünglichen Wunsch einen Unterschrank fürs Badezimmer zu kaufen, schafft, Teilnehmer der Betriebsweihnachtsfeier von Ikea zu werden. „Weihnachten bei Klippanstads“ heißt die Geschichte, in der eigentlich der Autor, in diesem Fall jedoch Thomas Smolej seiner Nachbarin Frau Brohm, hier dann Mark Seibert, erklärt, wie es dazu kommen konnte. „Naja… Frau Brohm“, bemerkt Smolej auf Seibert gemünzt, als dieser wieder mit wunderbar verstellter Stimme scheinbar jedes ihm zugetragene Wort in sich aufsaugt. Den Zuschauern fällt es sichtlich schwer, dem anschließend von Mark und Thomas sehr gefühlvoll vorgestellten „Dunkles Schweigen an den Tischen“ aus Les Misérables, den nötigen Ernst angedeihen zu lassen. Thomas beginnt einen Schüleraufsatz vorzulesen. „Nun wird es ein wenig seriöser“ glaubt der stille Beobachter „Schüleraufsätze sind unter anderem dazu da den Ausdruck zu schulen – …im Winter haben alle eine Grippe. Wir haben auch eine, aber die schreibt sich mit „K“, dringt an sein Ohr. Vorbei ist es erneut mit Seriosität. Noch skurriler wird es, als dort nun auch noch beschrieben wird, dass diverse christliche Figuren durch gerade in der Spielkiste gefundene ersetzt werden. Immerhin kann nicht jeder, der eine Krippe besitzt, gleichfalls von sich behaupten, anstatt Josef einen Donald Duck oder als Ersatz für einen der drei Könige einen heiligen Batman sein Eigen zu nennen.
Auch Mark gibt eine weitere Geschichte zum Besten in der vorgegeben wird, höchst wissenschaftlich eine Erklärung dafür zu haben, warum es den Weihnachtsmann nicht geben kann. Er ist aufgrund viel zu schneller Reisen mit dem Schlitten längst in der Erdatmosphäre verglüht: „Wenn es einen Weihnachtsmann gab, dann ist er heute tot“, ist Seibert sich sicher. „Stiefel rausstellen bringt also nichts…“ fügt er noch lachend hinzu. Doch dann wird er wieder ernst. „Bring him home“ sei eines seiner Lieblingslieder, gibt er zu und beweist es sogleich in dem er es mit soviel soviel Gefühl vorträgt, dass die Anwesenden gerade noch gegen einen Lachanfall, jetzt mit der Gänsehaut kämpfend, mucksmäuschenstill auf ihren Plätzen verharren. Mit einem letzten Text endet der literarische Teil des „Männerabends“, nicht jedoch der musikalische. Seibert und Smolej lassen es sich nicht nehmen den Abend angemessen gemeinsam mit einer Interpretation von „Holy Night“ ausklingen zu lassen. Allerdings nicht, ohne noch einen weiteren Höhepunkt aus dem Hut zu zaubern. Der Versuch von Mark, im Duett mit Thomas, den Song „Winterzeit in Wien“ von Hape Kerkeling im original Wiener Dialekt zu präsentieren, ruft erneut Begeisterung, vor allem unter den zahlreichen österreichischen Zuschauern, hervor. Sie feiern den „Piefke“, der sich in dieser Situation wacker schlägt. Es bedarf keiner weiteren Erklärungen, warum der Männerabend mit anhaltenden Standing Ovations bedacht wird. Nichts anderes hätten die drei verdient. Den Künstlern ist, ganz nebenbei bemerkt, an diesem Abend die perfekte Gratwanderung zwischen Dramatik und Humor gelungen. Beiderseitiges Feingefühl für die Platzierung der Songs und der Pointen in den Geschichten, zur richtigen Zeit, an der richtigen Stelle, machte jeden einzelnen Augenblick einzigartig.
So langsam wird auch unserem Beobachter klar, dass er gerade heute einem ganz besonderen Abend beigewohnt hat, der ein viel zu schnelles Ende fand. Da kann er nur hoffen, dass es eine Fortsetzung gibt und er die Chance hat, auch dann wieder dabei zu sein. Und beim nächsten Mal, nimmt er sich vor, wundert er sich nicht mehr über Schlangen vor Häusern bei denen man solche nicht erwartet. Beim nächsten Mal wird er sich einfach anstellen und sich auf den Abend freuen.