„West Side Story“ wieder auf großer internationaler Tournee

Kevin Hack als Tony und Jenna Burns als Maria © Johan Persson

Für viele ist es vermutlich die Mutter des modernen Musicals: “West Side Story” vom Komponisten Leonard Bernstein ist gerade wieder auf großer Welttournee und machte hierbei auch Halt in der alten Oper Frankfurt. Ob die hohen Erwartungen erfüllt werden konnten und wie der Gesamteindruck dieses wahren Klassikers war, erfahrt ihr natürlich wie immer bei uns.

Vor beinahe 60 Jahren, am 26. September 1957, brach in der Musicallandschaft dieser Welt ein neues Zeitalter an: West Side Story feierte seine Premiere im Winter Garden Theatre in New York. Bereits 1961 wurde das Musical verfilmt und es vergeht seitdem vermutlich keine Woche, in der das Musical nicht irgendwo auf der Welt aufgeführt wird. Schon längst hat das Stück auch die deutschen Stadttheater erobert und wird dort in den unterschiedlichsten Inszenierungen aufgeführt. BB-Promotion schickt dennoch nun eine Tourversion durch Deutschland, welche das Prädikat “Original” ernstnimmt. Die Tourversion pfeift auf Übersetzungen und wird vollständig in der englischen Originalsprache dargeboten. Für jemanden, der Englisch fließend versteht, ist das kein Problem. Dür diejenigen, die dennoch eine Übersetzung brauchen, wird der Inhalt auf Übertitelungsanlagen wiedergegeben. Dazu später jedoch mehr. Außerdem beansprucht diese Inszenierung von Joey McKneely für sich den Umstand, dass es die weltweit einzige Inszenierung des Musicals ist, das noch die Originalchoreografien von Jerome Robbins zeigt.

Diese Choreografien sind durchaus auch das Kernstück der sonst eher auf das Wesentliche konzentrierten Inszenierung. Die Darsteller bewegen sich wie kleine Zahnräder in einem Uhrwerk und mit katzenhafter Leichtigkeit über die Bühne, was durchaus schön anzusehen ist und bleibende Bilder erzeugt. Dennoch fehlt diesen Choreographien durchaus das Bedrohliche. Wenn man sich den Inhalt des Stücks vor Augen führt, in dem es durchaus um Rassenkonflikte, Mord und Vergewaltigung geht, wirken die Tanzschritte selten so, als könnten die dieser Lage gerecht werden.

„Dance at the gym“ Waldemar Quinones-Villanueva als Ricardo und Keely Beirne als Anita ©Johan Persson

Und dennoch fasziniert die Handlung, die an William Shakespears “Rome und Julia” angelehnt ist, durchaus: Zwei verfeindete Gruppen kämpfen um die Vorherrschaft auf den Straßen der Upper West Side von New York. Auf der einen Seite sind die us-amerikanischen Jets, auf der anderen Seite die aus puerto-ricanischen Einwanderern bestehenden Sharks. Der ehemalige Anführer der Jets verliebt sich in Maria, die Schwester des Anführers der Sharks. Beide vollziehen – ganz im Stile von Romeo und Julia – eine geheime Trauung im Brautmodegeschäft in dem Anita – eines der Shark-Girls – arbeitet. Später kommt es zur handgreiflichen Auseinandersetzung und Tony tötet versehentlich Ricardo, den Anführer der Sharks, der jedoch zuvor Riff, den aktuellen Anführer der Jets getötet hat. Spätestens hier wurde aus einer jugendlichen Streiterei bitterer Ernst, der sich im Laufe des zweiten Aktes nur noch mehr zuspitzt. Wer “Romeo und Julia” kennt, wird ahnen können, wie das Stück ausgeht.

Das Bühnenbild besteht aus einer Rückwand, die oft als Projektionsfläche genutzt wird oder – wie beim Tanz in der Turnhalle – in Farbverläufen erstrahlt. Links und rechts wird die Bühne von beweglichen Stahlgerüsten und Feuerleitern flankiert und je nach Szene können hier noch weitere Lokalitäten herausgefahren werden, wie es beispielsweise beim Brautmodeladen der Fall ist.

Besonders beeindruckend wirkt das Bühnenbild während “Tonight”, als es bis zum Bühnenrand vorgeschoben wird und Tony und Maria auf den Feuertreppen singen. Dies ist jedoch auch für die vorderen Reihen ein großer Nachteil, da man aufgrund der Höhe wirklich sehr den Kopf in den Nacken legen muss und die Szene hierfür auch noch sehr lange dauert. Ebenso muss man in den vorderen Reihen auch den Kopf in den Nacken legen, um etwas von den Übertitelungsanlagen zu sehen. Wer auf die Übersetzungen angewiesen ist, sollte mindestens im mittleren Parkett sitzen, um bequem das Bühnengeschehen und die Übersetzungen im Blick zu haben.

Tony wurde bei der besuchten Vorstellung von Kevin Hack gespielt, der eine durchaus kraftvolle Stimme hat und im Zusammenspiel mit Jenna Burns als Maria eine berührende Leistung abgibt. Ein Höhepunkt des Abends war gewiss seine Darbietung von “Maria”. Jenna Burns verlieh ihrer Rolle einen entzückenden lateinamerikanischen Akzent und spielte ihre Rolle mit der nötigen Unschuld und Zerrissenheit zugleich. Ihr “I feel pretty” bringt im zweiten Akt eine gewisse Heiterkeit auf die Bühne, die die sonst dichte und bedrückende Stimmung ein wenig hebt. Keely Beirne als Anita verlieh durch ihre kraftvolle Stimme der ganzen Szene rund um “America” einen bleibenden Eindruck und ihre charakterliche Wandlung im zweiten Akt, nachdem Anita einschneidende Ereignisse erlebte – mehr wird hier nicht verraten – bleibt nachhaltig im Gedächtnis.

Der Gesamteindruck des Stücks ist durchaus positiv und jedem zu empfehlen, der die Wurzeln des Stücks kennenlernen möchte und bisher keine andere Inszenierung von West Side Story kannte. Die Choreografien könnten etwas bedrohlicher sein, was die durch das ergreifende Schauspiel aller Darsteller erzeugte Stimmung mehr unterstreichen würde. Das Stück ist derzeit für einige Monate nicht mehr in Deutschland zu sehen, da es für die Tour weiter in den asiatischen Raum geht. Für eine kurze Spielzeit kehrt das Stück jedoch im Januar 2018 in den Musical Dome Köln zurück.

Informationen und Tickets sind hier zu finden: http://www.westsidestory.de/