„Our House“ zieht ins Kleine Haus des Staatstheaters Wiesbaden um

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Felicitas Geipel, Tim Speckhardt und Ensemble © Sven-Helge Czichy

Musicals in Wiesbaden haben vor allem beim JUST (junges Staatsmusical) eine besondere Tradition. Nachdem vor Kurzem bereits “The Addams Family” im kleinen Haus Premiere feierte (wir berichteten) folgt nun auch “Our House” im kleinen Haus. Und dabei hat dieses Stück einen besonderen Hintergrund für Wiesbaden. Es wurde nämlich zunächst in der Wiesbadener Wartburg aufgeführt und schaffte nun den Sprung von der kleinen Bühne der Wartburg auf die Bühne des kleinen Hauses. Das schaffte zuvor nur “Ein kleiner Horrorladen”. Ob es erfrischende Änderungen hab und ob das Stück hält was es verspricht, erfahrt ihr – wie immer – bei uns.

Zunächst ist es wichtig zu wissen, worum es beim Musical “Our House” gehen soll, wenn es ausschließlich aus Musik der Ska-Band Madness besteht. Es ist eines der wenigen gelungenen Jukebox-Musicals, die gerade zu Anfang der 2000er und nach dem durchbrechenden Erfolg von “Mamma Mia” wie Pilze aus dem Boden schossen. Einige behaupten sogar, es sei die britische Antwort auf das Musical “Rent” von Mastermind Jonathan Larson. Das halten wir für ein wenig hochgegriffen. Dennoch ist die Handlung nicht halbgar und verbirgt sogar eine nette Botschaft: Das Musical beginnt mit einem Date von Kath Casey und ihrem zukünftigen Ehemann, die gemeinsam einen Tanzwettbewerb gewinnen. Jahre später hat diese einen Sohn, Joe Casey, den sie allein großziehen muss, weil Joes Vater zuerst ins Gefängnis musste und nach seiner Freilassung nicht zurück zur Familie kehrte und später verstarb. Nun feiert Joe seinen sechzehnten Geburtstag und bringt seine Freundin Sarah mit nach Hause. Zur Feier des Tages bekommt er nicht nur ein Kondom geschenkt, das in bester Midi-Manier “The power of love” spielt, sondern führt Sarah aus – auf das Dach eines im Bau befindlichen Hauses. Prompt wird die Polizei auf diesen Einbruch aufmerksam und Joe steht vor einer Entscheidung: weglaufen oder sich stellen. Es erscheint hierfür sogar der Geist seines Vaters und die Handlung führt sich nun auf zwei Ebenen fort. Auf der einen hat sich Joe dazu entschieden, sich zu stellen, bekommt dafür zwar eine Strafe und wird nirgends mehr ernst genommen, führt aber ein ehrliches und rechtschaffenes Leben. Auf der anderen Ebene ist er mit dieser kleinen Straftat davon gekommen, begeht daraufhin aber weitere Straftaten, wird korrupt und berechnend. Bis das ein äußerst tragisches Ende nimmt.

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Tim Speckhardt und Peter Emig © Sven-Helge Czichy

Joe Casey wird hier von Tim Speckhardt gespielt, der in “The Addams Family” bereits als Gomez zu überzeugen wusste und dem diese Rolle hier wirklich gut steht. Er schafft es die Zerissenheit seiner Rolle darzustellen und von Szene zu Szene sogar die Persönlichkeit seiner Rolle zu wechseln, als sei es die Kleidung, die er hierfür ablegt und wieder anzieht. Felicitas Geipel, die in Wiesbaden bereits in unzähligen Rollen zu überzeugen wusste, spielt hier die Mutter Kath Casey mit einem besonderen Fingerspitzengefühl für die Feinheiten dieser kleinen, aber wichtigen Rolle. Als Kommentator und Gewissen im Hintergrund, ist hier Peter Emig als Joes Vater zu sehen. Ebenso wie Felicitas Geipel macht sich seine Erfahrung in verschiedenen Rollen auch hier bemerkbar, auch wenn bei dieser Rolle das Zusammenspiel mit den anderen Charakteren ein wenig auf der Strecke bleibt. Gelernt mit Toten zu reden hat in diesem Stück nämlich niemand und ist gewiss besser bei der Addams Family aufgehoben. Anna Heldmaier ist hier als Joes Freundin Sarah zu erleben, die im zweiten Akt für einige emotionale Momente sorgt. Zum großen Unsympath des Abends entwickelt sich Benjamin Geipel in seiner Doppelrolle. Zum einen spielt er Reecey, den großen schlechten Einfluss für Joe und Mr. Pressmann, das vermutlich falscheste Vorbild, dass ein junger Mann wählen kann. Ein besonderes kömödiantisches Talent bringen Johannes Kastl als Lews und David Rothe als Emmo mit. Fragwürdig ist, weshalb im Stück Personen im Spielalter von etwa 16 Jahren Alkohol ausgeschenkt bekommen – dennoch ist gerade die Szene besonders sehenswert!

Wer große Änderungen am Bühnenbild erwartet, wird hier gewiss etwas enttäuscht sein. Das aus der Wartburg bekannte Bühnenbild des Casey-Hauses in der Casey-Street wird hier übernommen. Einzig und allein die Räumlichkeit der größeren Bühne wird hier mit Leben gefüllt, was einen ganz anderen Aspekt ins Licht rückt, als es in der Wartburg möglich gewesen wäre.

Es bleibt zu sagen, dass jeder, der bereits in der Wartburg Fan vom Stück war, hier gewiss wieder auf seine Kosten kommt und dem verdienten Sprung von der Wartburg ins kleine Haus unbedingt beiwohnen sollte. Wer das Stück zum ersten Mal sieht, wird eine durchdachte Handlung und ein engagiertes Ensemble erleben.

Tickets und Infos sind hier zu finden.