Schon längst ist das Theater Magdeburg in Musicalkreisen kein unbekanntes mehr. Im Gegenteil, denn seit einigen Jahren wächst die Popularität unter den Fans des Genres stetig. Ein Auslöser dafür sind sicher die alljährlich stattfindenden, musikalischen OpenAir-Produktionen auf dem Domplatz, die auch inzwischen weit über die Stadtgrenzen hinaus geschätzt und geliebt werden. Dahinter brauchen sich die räumlich etwas beschaulicheren Vorstellungen im Theater selbst jedoch keinesfalls zu verstecken.
In der Spielzeit 2019/20 ziehen nun die „3 Musketiere“ dort ein. Schon im Vorfeld zeugten zahlreiche Berichte unterschiedlichster Medien von dem großen Interesse, welches der Produktion zuteil wird. Allein dies nimmt den Druck, der bei jeder Premiere auf dem gesamten Team liegt, nicht gerade heraus. Umso gespannter wurde diese am Wochenende vom zahlreich erschienenen Publikum erwartet. Es sei vorweg genommen, dass die Anwesenden nicht enttäuscht wurden.
Die nah an der Literaturvorlage Alexandre Dumas angelegte Inszenierung, nimmt die Zuschauer zusammen mit den Musketieren Aramis (Dániel Rákász), Athos (Lucius Wolter), Porthos (Benjamin Eberling) und natürlich d’Artagnan (Florian Peters) mit in die Welt von Machtspielen zwischen Klerus und Krone, Intrigen, Hass und natürlich Liebe. D’Artagnan bricht auf nach Paris, um wie einst sein Vater ein Musketier und somit Leibgarde des Königs zu werden. Schon kurz nach seiner Ankunft gerät er in einige gefährliche, aber auch zeitweise komische Situationen und lernt dabei drei Musketiere kennen. Von dem Zeitpunkt an versuchen sie gemeinsam den Schergen Kardinal Richelieus (Patrick Stanke) Paroli zu bieten und der Intrigen Milady de Winters (Katja Berg) Einhalt zu gebieten. Allerdings wird d’Artagnan auf eine harte Probe gestellt, als er Constance (Katia Bischoff) begegnet und sich unsterblich in sie verliebt…
Die ursprüngliche Fassung, die im Auftrag der Stage Entertainment eigentlich für den niederländischen Markt entwickelt wurde und dort 2003 uraufgeführt wurde, ist in etwas abgeänderter Form nun schon seit einiger Zeit auch in Deutschland zu sehen. Regissieur Ulrich Wiggers ist ein Meister seines Fachs und versteht es immer wieder aufs Neue, das Publikum mit seiner Kunst zu begeistern. Mit der Neuinzenierung für das Theater Magdeburg ist ihm, gemeinsam mit dem bewährten Team, nämlich dem musikalischen Leiter Damian Omansen und Ausstatter Leif-Erik Heine, erneut ein großer Wurf gelungen. Dabei kommt es ihm auf die Authentizität an, in welcher Zeit die Geschichte spielen soll. Kulisse und Kostüme passen demnach perfekt dazu. Gleich ob es der Hinterhof in Paris oder der Palast des Königs ist. Mit wenigen Handgriffen, beinahe „im Vorübergehen“ unterstützt das überaus wandelbare Bühnenbild den Gesamteindruck verschiedener Örtlichkeiten. Ebenso die Kostüme, die größtenteils der Kleidung des 17. Jahrhunderts nachempfunden sind und durch kleine Details einzelne Szenen noch mehr unterstützen.
Mit Florian Peters, der die Rolle des d’Artagnan bekleidet, hat man sich einen jungen Nachwuchsdarsteller auf die Bühne geholt, der trotz seiner jungen Karriere bereits auf eine beachtliche Anzahl an Engagements zurückblicken kann. Als schüchterner Liebhaber Johann in „Schikaneder“ überzeugte er genauso wie als Student Marius in „Les Misérables“ oder Chevalier in „Gefährliche Liebschaften“. Er verleiht der Figur des jungen, ungestümen und auch etwas naiven d’Artagnan genau die richtige Mischung an Tollpatschigkeit, gepaart mit Mut und scheinbar unerschütterlichen Glauben an das Gute, die sie benötigt um sich sogleich in die Herzen der Zuschauer zu schleichen.
Obwohl er gar nicht die eigentliche Hauptrolle bekleidet, stiehlt Patrick Stanke dem Ensemble mit seiner grandiosen Darstellung des Kardinal Richelieus fast die Show. Er schafft es, beinahe jede, sei es auch nur die kleinste der Figur zustehende Emotion herauszuholen. Im Wechselspiel zwischen einem machhungrigen, wenn es seinem Ziel dienlich ist, auch skrupellos über Leichen gehenden Priester und einem ängstlichen, verletzlichen Menschen hinter der Maske, durchlebt er in kürzester Zeit die gesamte Bandbreite sämtlicher Gefühle. Er schafft es genau, dies alles ins Publikum zu transportieren, das gebannt seinem „Oh Herr“ und „Nicht aus Stein“ lauscht.
Aramis (Dániel Rákász), Athos (Lucius Wolter), Porthos (Benjamin Eberling) könnten charakterlich unterschiedlicher nicht sein, aber dennoch passen sie zusammen. Die drei Herren harmonieren hervorragend auf der Bühne – sei es im Schauspiel oder im Gesang. Hervorstechend ist dabei der Solopart von Lucius Wolter, der mit „Engel aus Kristiall“ seiner verlorenen Liebe nachtrauert.
Milady de Winter, von der er in diesem Fall spricht, wird von keiner Geringeren als Katja Berg darstellt, zuletzt als Magenta in der Rocky Horror Show im österreichischen Amstetten zu sehen. Die Powerfrau mit der kraftvollen Stimme besticht ebenfalls und läßt gleich zu Anfang mit „Ich bin zurück“ keine Zweifel daran, dass sie durchaus weiß, was sie will und eben dies auch versucht durchzusetzen. Der weibliche Gegenpart kommt Katia Bischoff zu, die in diesem Jahr erst ihre Ausbildung abschließen konnte. Von ihr wird man in Zukunft sicher auch noch einiges hören.
Überhaupt ist das Stück wunderbar besetzt. Die Gesangssolisten werden tatkräftig vom Ballett Magdeburg, der Statisterie und des Opernchores unterstützt. Wobei letzterer mit Jeanett Neumeister (Königin Anna), sogar mit einer Solo-Rolle stimmgewaltig vertreten ist. An dieser Stelle darf auch bemerkt werden, dass das Theater Magdeburg über eine hervorragende Akustik verfügt. Kleinere Tonprobleme zu Anfang, bei denen die Balance zwischen Lautstärke des sonst phantastischen Orchesters und den Darbietungen der Solisten ins Ungleichgewicht geraten ist, werden in kurzer Zeit behoben, sodass dem abendlichen Hörerlebnis nichts mehr im Wege steht. Weitere Highlights des Abends sind ebenfalls die hochprofessionell performten Fechtszenen. Klaus Figge, der sich für die Kampfchoreographie verantwortlich zeigt, hat ganze Arbeit geleistet. Von dem überaus sehenswerten Gesamtergebnis darf man sich gerne selbst bei einem Besuch überzeugen. Denn als Fazit bleibt zu bemerken: Prädikat: Absolut sehenswert!
Für diejenigen, die dazu eine Gelegenheit nutzen möchten gibt es bis zum 31. Mai 2020 noch einige Vorstellungen. Tickets dazu unter: www.shop.theater-magdeburg.de