Hollywood – die Traumfabrik. Bereits seit 1911 werden hier Träume aus Licht produziert. Aber wo Licht ist, da ist immer auch Schatten. Wer im Haifischbecken der Filmindustrie bestehen will, muss sich durchsetzen können, schön sein und stets den Lauf der Welt verändern wollen. Wer heute noch ein großer Star ist, kann morgen schon vergessen sein. Sunset Boulevard behandelt genau das. Im Zentrum der Geschichte: der ehemalige Stummfilm-Star Norma Desmond und der junge Drehbuchautor Joe Gillis. Das Musical Sunset Boulevard von Andrew Lloyd Webber, mit den deutschen Texten von Michael Kunze, basiert auf dem Film von Billy Wilder Boulevard der Dämmerung aus dem Jahr 1950. Die Geschichte beginnt mit einem Mord. Der Drehbuchautor Joe Gillis wird leblos im Pool der Stummfilmlegende Norma Desmond aufgefunden. Erschossen. In einer Rückblende erzählt Gilles nun selbst, wie es zu so einem Unglück kommen konnte.
Erfolglos und von Schuldeneintreiber verfolgt, findet sich Joe Gilles auf dem Sunset Boulevard in der Villa von Norma Desmond wieder. Die ehemals sehr erfolgreiche, aber nun schon längst nicht mehr gefragte Filmdiva träumt von einem großen Comeback mit einem eigenen Drehbuch. Als Norma erfährt, was Gilles beruflich macht, bittet sie ihn, ihr Skript zu überarbeiten. Sie will es den Paramound Studios vorlegen, um endlich wieder in die Schlagzeilen zu kommen. Joe wittert das große Geld und zeigt sich einverstanden, gegen Bezahlung sowie Kost und Logis bei Norma und ihrem Butler Max zu bleiben. Die Wochen vergehen und Norma nimmt Joe immer mehr für sich ein. Um aus seinem goldenen Käfig zu entfliehen, schleicht er sich nachts aus dem Haus und arbeitet gemeinsam mit Betty Schaefer, einer Freundin, an seinem eigenen Drehbuch. Doch die beiden verlieben sich über der gemeinsamen Arbeit ineinander. Als Norma davon erfährt, ist sie verzweifelt und droht mit Selbstmord. Doch dann folgt endlich der ersehnte Anruf der Paramound Studios. Doch nichts ist in Hollywood schlussendlich so, wie es zu sein scheint.
“Nur ein Blick” von Norma Desmond (Isabell Dörfler) genügt und jedem im Saal ist bewusst, wer der Star des Abends ist. Mühelos gewinnt sie das Publikum für sich und reißt mit ihrer kraftvollen Stimme, aber auch mit ihrem wunderbar pointierten und ausdrucksstarkem Schauspiel jeden in ihren Bann. Eine wahre Hollywood-Diva, die dort auf der Bühne steht – von verlorenem Glanz keine Spur. Auch in puncto Kostümdesign zeigt sich in jeder Szene das paradiesvogelhafte Besondere der Norma Desmond – die extravaganten Outfits unterstreichen ihre schillernde Persönlichkeit in jeder Hinsicht.
Hardy Brachmann als Joe Gilles steht im Schatten dieses Glanzes und bleibt sowohl stimmlich als auch schauspielerisch hinter seiner Gast-Kollegin zurück. Die Abhängigkeit und Not des Joe Gillis will nicht so richtig beim Publikum ankommen, was wahrscheinlich vor allem daran liegt, dass der eigentlich große Alters- und Erfahrungsunterschied zwischen den beiden Hauptdarstellern in dieser Inszenierung nicht vorhanden ist. Ein jüngerer Kollege hätte es hier sicher einfacher gehabt, seine Notlage und Hörigkeit gegenüber der schillernden Persönlichkeit Norma Desmond darzustellen. Brachmann bleibt hinter seinen Möglichkeiten zurück und so ist es nicht verwunderlich, dass viele im Publikum Sympathien mit Norma entwickeln und zusehends ihrem Hollywood-Glamour nachtrauern. Brachmann muss als Joe Gilles indessen etwas kämpfen, um nicht vollends als Golddigger abgestempelt zu werden, der sich auf Kosten seiner Gönnerin ein angenehmes Leben finanziert.
Eine wunderbar sympathische, wenn auch kleinere Rolle nimmt Max, Norma Desmonds Butler, ein. Heiko Walter spielt die Rolle auf eine äußerst subtile, aber warmherzige Art, die ihn zu einem liebgewonnenen Charakter macht. Auch in seinen wenigen, aber fantastischen Gesangsparts fügen sich wunderbar ins Gesamtbild des Stückes sein. Debra Stanley in der Rolle der Betty Schaefer liefert vor allem gesanglich eine gute Leistung ab, lediglich ihr Akzent ist beim Schauspiel eine kleine Barriere und erschwert es dem Zuschauer deutlich, sie anfangs zu verstehen. Die großen Gesangsstücke des Ensembles sind durchaus hörenswert, aber hin wieder fällt es schwer den Text der Stücke zu verstehen, wenn man das Stück zum ersten Mal sieht.
Die Choreographien des Stücks sind kurzweilig und werden durch Ballettelemente und ein kleines, aber talentiertes Tanzensemble sehr schön ergänzt. Auch das funktionale und opulente Bühnenbild, was sich innerhalb von Sekunden verwandelt, passt gut ins Gesamtbild und kann die einzelnen Handlungsorte passend umsetzen. Der Einsatz der Videotechnik, beispielweise bei der einleitenden Poolszene, ist dabei durchaus geglückt und auch die raffinierte Verfolgungsjagd am Anfang des Stückes wurde kreativ verwirklicht.
Weiter Termine und Karten gibt es unter: www.staatstheater-cottbus.de
– Julia Wagner und Matthias Neumann