Sherlock Holmes ermittelt in Köln Ehrenfeld

v.r.n.l. Anna Maria Kaufmann, Richard Bargel, Claus Wilcke
(c) Sherlock – Das Musical

Es gibt mehr davon als man denkt und viele davon sind es wert, entdeckt und besucht zu werden. Gerade weil hinter ihnen Macher stehen, die mit viel Enthusiasmus und oftmals kleinem Budget versuchen, sie am Leben zu erhalten. Die Rede ist von den kleinen Theatern, die nicht deshalb, weil sie nicht auf große Kulissen, pompöse Ausstattung und teure Produktionen zurückgreifen können, schlechte Arbeit abliefern – ganz im Gegenteil! Gerade dort, wo die Liebe zum Theater und nicht das rein Kommerzielle im Vordergrund steht, kann man oft wunderbare Abende erleben. Einfach darum, weil sich alle auf das Wesentliche zurück besinnen.

Eine dieser Spielstätten, mit einer inzwischen fast 90-jährigen Geschichte, gibt es in Köln Ehrenfeld. Das Gebäude gleicht auf den ersten Blick mit seinen beiden nostalgisch angehauchten großen Glasfenstern eher einem Café als einem Theater. Sieht man hinein, verstärkt sich dieser Eindruck zunächst noch, da die kleine, aber gemütliche „Bargels Bar“ dem Saal vorgelagert ist. Diese Gemäuer haben in seiner Vergangenheit auch schon vieles erlebt. 1930 unter dem Namen „Lichtburg“ als Kino eröffnet, wurde es nach Zerstörung im 2. Weltkrieg wieder aufgebaut und erstmalig als Theater genutzt. Lange hielt sich dieses jedoch nicht und so zog 1970 für beinahe 15 Jahre ein Verbrauchermarkt dort ein. 1985 war dann die Geburtsstunde des Urania, des ersten Kölner Stadtteil-Theaters, gekommen. Seit dieser Zeit wurde es mehrfach umbenannt und wechselte den Besitzer, bis es im Sommer 2017 zunächst gänzlich seine Pforten schloss. Allerdings nicht für all zu lange, denn das Kölner-Tournee-Theater Ensemble Phönix Bühnenspielgemeinschaft e.V., unter der Leitung von Regisseurin Bettina Montazem, Schauspieler Richard Bargel und dem kaufmännischen Leiter Frank Oppermann, erweckte die Spielstätte erneut zum Leben.

Schon beim Übertreten der Schwelle in das Gebäudeinnere fühlt man sich wie in einer anderen Welt. Zunächst fallen ein paar kleine Tische und Stühle und eine Theke ins Auge. Wie schon von außen zu vermuten, scheint nach der Wiedereröffnung nicht viel verändert worden zu sein. Das alles verleiht dem Ganzen allerdings etwas regelrecht beschaulich, familiäres. Folgt das Publikum dem kurzen Weg in den Saal, darf es bereits im Vorfeld einen Blick auf die Requisiten werfen, die einsatzbereit in einer Ecke platziert wurden. Der Zuschauerraum hält ebenfalls eine Überraschung bereit. Anders als üblich gibt es keine Bühne für die Darsteller, sondern eine Tribüne für das Auditorium, welches somit von beinahe überall eine gute Übersicht über das Geschehen behält.

Richard Bargel mit den Tänzern der internationalen Delattre Dance Company
(c) Sherlock – Das Musical

Die neueste Produktion „Sherlock – Das Musical“ feierte nun am 13. September 2019 in den altehrwürdigen Mauern seine umjubelte Premiere. Wer kennt sie nicht? Die berühmten Geschichten um den etwas skurrilen, den Drogen nicht abgeneigten Detektiv Sherlock Holmes aus der Londoner Bakerstreet, der mit Freund Dr. Watson die eigenartigsten Fälle löst. Wie schon so oft ist auch in diesem einmal mehr sein, wie er von sich selbst behauptet, messerscharfer Verstand gefragt. Die gesamte Story ist gleichermaßen verworren, wie letztendlich auch simpel. Eine Kriminalgeschichte, in der auch eine Romanze Ihren Platz findet.

Die Geschichte spielt im frühen 20. Jahrhundert. Ein französischer Professor für Luftfahrttechnik wird entführt und Holmes ist nach anfänglicher Ablehnung froh, endlich die Durststrecke nach einem neuen Fall unterbrechen zu können. Nach Ausbruch des 1. Weltkrieges wird er vom englischen Geheimdienst beauftragt, den Professor zu finden. Der deutsche Spion Peter weiß ebenfalls von den kriegsentscheidenen Plänen, die der Professor besitzt und was auch den Grund für seine Entführung darstellt. Ein Wettrennen zwischen Holmes und Peter entbrennt, bei dem keiner von den beiden ahnt, dass das Schicksal eine ganz andere Wendung nimmt.

Richard Bargel, Theaterbetreiber und Sherlock in personalunion wird von keinen Geringeren als Claus Wilcke, in der Rolle des Dr. Watson und Anna Maria Kaufmann als Mata Hari, unterstützt. Wilcke, der in diesem Jahr seinen 80sten Geburtstag feiern durfte, steht nach wie vor mit augenscheinlicher Freude auf der Bühne. Gleichfalls sichtlich Spaß an ihrer Rolle findet auch Anna Maria Kaufmann, die ihren Durchbruch an der Seite von Peter Hofmann in der Hamburger Inszenierung von „Phantom der Oper“ erleben durfte.

Richard Bargel gibt einen souveränen Sherlock ab, dem man seine dargestellten Charakterzüge ohne Schwierigkeiten abnimmt und die er wunderbar projiziert. Einerseits ein wenig weltfremd, jedoch gleichermaßen mit einer außerordentlicher Portion genialer Beobachtungsgabe ausgestattet, macht es Freude ihm zuzusehen. Claus Wilcke steht der Part des Dr. Watson ebenfalls ausgezeichnet. Er ist der eher ruhende Pol der beiden und versucht Sherlock immer wieder auf den Boden der Tatsachen zurückzuholen. Dennoch kann auch er mit der sprichwörtlichen Faust auf den Tisch hauen, wenn es nötig ist. Dieses Wechselspiel der Gefühle, mit dem er seine Figur darstellt, gelingt ihm problemlos.

Die kleinen Pausen zwischen den Szenen entbehren einem Vorhang und werden durch sechs Profi-Tänzer der internationalen Delattre Dance Company, die sich in hautengen Kostümen schlangengleich bewegen, gekonnt ausgefüllt. Sie transportieren gleichermaßen Gedanken und Fortlauf des Stücks und der einzelnen Figuren. Ein geschicktes Element, das allerdings an verschiedenen Stellen schon beinahe zu sehr in den Vordergrund rückt.

Ensemble
(c) Sherlock – Das Musical

Das gesamte Stück ist unterhaltsam und kurzweilig. Etwas ungleich fällt die Rollenverteilung zwischen Gesang und Schauspiel aus. Entgegen den üblicherweise vorherrschenden Gepflogenheiten kommt der Gedanke auf, dass das gesprochene Wort, zumindest im ersten Teil, überwiegt, was in dem Fall dem Stück jedoch nicht schadet.

Für die Musik, die einem Singspiel vielleicht noch besser als einem Musical stehen würde, zeichnen sich die Komponisten Vladislav Bakhanov und Eric Arndt verantwortlich. Hier darf angemerkt werden, dass bei den deutschen Texten etwas mehr Kreativität an der einen oder anderen Stelle sicher nicht als Nachteil angesehen worden wäre.

Dennoch darf insgesamt festgestellt werden, dass das Gesamtpaket mit dem Ensemble, bestehend aus elf Solisten, gepaart mit der stimmigen Location, absolut passte. Hier wird wieder einmal klar, dass es nicht immer das große Theater oder die große Bühne sein muss um gut zu unterhalten, was das ausverkaufte Haus an diesem Abend beweist. Wer nun auch einmal die Londoner, nein, Kölner Luft schnuppern möchte, darf sich auf den Weg in das Urania Theater machen. Es gibt noch ein paar Vorstellungen in den nächsten Wochen und auch Karten sind noch zu haben!