Dresden tanzt den Time Warp!

Femke Soetenga und Dietrich Seydlitz zusammen mit dem MusicalChorDresden

Die Rocky Horror Show – längst schon DAS Kult-Musical und die einzige Show, bei der es keine Grenzen zwischen Publikum und Darstellern gibt. Kein anderes Musical hat so hartgesottene Fans, die zu jeder Zeit das passende Utensil oder den entsprechenden Zuruf parat haben. Auch am 21. Mai strömten viele von ihnen wieder in die Staatsoperette Dresden – zusammen mit vielen anderen Besuchern. Vor einem fast ausverkauften Haus, hob sich der Vorhang zu der skurrilen Geschichte rund um Brad, Janet und den ausgeflippten Frank’n’Furter.

Femke Soetenga stimmt den ersten Ton im Stück an und zieht das Publikum innerhalb von Sekunden in ihren Bann. Als Magenta klingt sie frech und freaky, voller Power schlüpft sie in die skurrile Rolle und lässt ihren Charakter lebendig werden. Kleine Variationen und Improvisationen machen die Magenta an diesem Abend zu einem ganz besonderen Vergnügen.

Nach dem Opener „late night double feature“ von Magenta und Columbia (Inka Lange) auf Rollschuhen, verwandelt sich das Bühnenbild in die Hochzeit von Betty Monroe und Ralph Hapshatt. Brad (Marcus Günzel) macht seiner angebeteten Janet (Olivia Delauré) einen etwas unbeholfenen Antrag, bevor sich die frisch Verlobten auf den Weg machen, um Doctor Scott – Who? – zu besuchen.

Die beiden Hauptdarsteller gehen voll in ihren Rollen auf und zeigen nicht nur stimmlich Qualität. Auch ihr Spiel wirkt authentisch und komisch, ohne jemals ins Lächerliche abzurutschen. Besonders Marcus Günzel spielt mit großem Eifer und legt seinen Charakter schüchtern und sympathisch, mit einem leichten „Deppen-Faktor“, an. Olivia Delauré ist eine wunderbare, von Konventionen eingeschüchterte Janet. Eingeführt in die skurrile Welt des Frank’n’Furters, lebt sie auf und zeigt bei ihrem Solo „touch me“, was in ihr steckt.

Ganz und gar nicht „boring“, ist Gerd Wiemer als Erzähler. Mit stoischer Ruhe und alle Rufe ignorierend, trägt er seinen Teil der Geschichte vor und fängt auch gerne noch einmal von vorne an, falls es dem Publikum zu schnell ging. Sein sensibles Gespür für die Zuschauer erlaubt ihm immer wieder kleine Improvisationen, die großen Spaß machen.

Lars Redlich als Frank'n'FurterLars Redlich, als Frank’n’Furter, begeistert nicht nur durch seine Fähigkeit, vollkommen sicher auf hochhackigen Stiefeln zu laufen, zu rennen und zu springen. Seine Darstellung ist in keiner Szene zu abgedreht, sondern findet immer punktgenau die Balance. Auch gesanglich sind seine Interpretationen nicht übertrieben, sondern wirken stimmig und zeigen das Androgyne seiner Rolle, ohne zu einer Seite zu kippen.

Rocky, geschaffen um seinem Herrn Frank’n’Furter zu Willen zu sein, hat schnell seinen eigenen Kopf. Statt Frank’n’Furter fasziniert ihn die sanfte Janet, welche sich ebenso dem einfühlsamen Rocky zuwendet. Jannik Harneit zeigt als Rocky die weiche und verletzliche Seite seines Charakters. Wenn er auch aus der Welt des Skurrilen stammt und dort erschaffen wurde, gehört er doch nicht dahin. Dies wird besonders in den ruhigeren Momenten deutlich. Stimmlich zeigt Harneit sich gewohnt souverän.

Riff-Raff, der bucklige Diener, hat körperlich wohl eine der schwersten Rollen. Doch Dietrich Seydlitz meistert sie mit Bravour und triumphiert am Ende, als er mit seiner Schwester Magenta zum Planeten Transsexual zurückkehren kann.

In der Rolle des Dr. Everett Scott zeigt sich Bryan Rothfuss. Mit einem Augenzwinkern nimmt er vor allem die Mitglieder einer regelmäßigen Montagabend-Veranstaltung aufs Korn. Das Publikum freut der kleine Seitenhieb, vor allem da hinter der Fassade, in Dr. Scotts Fall der Decke über den Beinen, nichts anderes steckt, als das, was er vehement verurteilt – ein Paar Beine in High-Heels in Netzstrümpfen.

Chor und Ensemble sind stimmig eingesetzt – mit großartigen Choreografien und waghalsigen Outfits. Die Parodie auf die 70er Jahre ist überall präsent – Kostüme und Bühnenbild wirken, wie aus einem ‚schlechten Film‘ und sind damit für dieses Stück umso besser gewählt. Einfache, verschiebbare Kulissenteile ermöglichen die schnelle Anpassung an unterschiedlichste Orte.

Femke Soetenga und Dietrich Seydlitz als Magenta und Riff-RaffAusgerüstet mit den befüllten Fanbags, erhältlich an der Garderobe, ist Mitmachen Pflicht. Schon bei der Hochzeit fliegt Konfetti durch den Saal, für das Gewitter klappt die Bühnentechnik die Regenschirme auf und während „there’s a light…“ erhellen bunte Knicklichter die Staatsoperette. Das Publikum hat Spaß und die Stimmung im Saal gleicht mitunter mehr einem Rockkonzert. Da sage noch einmal jemand, Theater wäre langweilig! In der Staatsoperette Dresden ist es das ganz sicher nicht – wer einmal die ganz andere Seite von Musiktheater kennenlernen will, der sollte sich den 12. – 17. Juli ganz dick im Kalender markieren. An diesen Tagen läuft das Stück noch einmal! Wir wünschen schon jetzt ganz viel Spaß!