…und das ist vor allem der Leidenschaft der Darsteller auf der Bühne zu verdanken. Kinky Boots erzählt die Geschichte des Schuhfabrikanten Charlie Price und der Dragqueen Lola. Die ungewöhnliche Freundschaft und Arbeitsbeziehung der beiden lehren jeden eine wertvolle Lektion über Liebe, Vertrauen, Freundschaft, Akzeptanz und Zusammenhalt.
Nach Erfolgen am Broadway, in London und Australien feierte das Musical von Cyndi Lauper und Harvey Fierstein Anfang Dezember seine Deutschlandpremiere. Die Geschichte erzählt das Schicksal zweier Menschen, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Charlie Price (Marlon Wehmeier), unwilliger Erbe der Schuhfabrik seines Vaters, und Lola (Benét Monteiro), einer exzentrischen Dragqueen, hinter deren Fassade sich eine verletzliche und unsichere Person verbirgt. Als sich eines Abends ihre Wege kreuzen, zeigt sich, dass sie sich gegenseitig helfen und unterstützen können. Gemeinsam entwickeln sie eine Idee, wie sie die Schuhfabrik retten können. Sie beginnen Damenstiefel zu produzieren, die speziell dafür designed sind, Dragqueen wie Lola tragen zu können.Jedoch sind die Probleme der beiden um ein vieles vielschichtiger, als dies noch anfangs scheint.
Charlie steckt in einem Zwiespalt. Zwar möchte er die Fabrik, die seit Generationen in den Händenseiner Familie liegt, retten und damit auch die Jobs seiner Freunde sichern, aber seine Verlobte Nicola (Franziska Schuster) möchte, dass er mit ihr nach London zieht und endlich ihr gemeinsames Leben weit weg von Northhampton beginnt. Lola, Sängerin in einem Club in London, und ihre Tänzerinnen, die Angels (Clayton Sia, Paolo Avanzini, Pedro A. Batista Gonzalez, Taddeo Pellegrini, Raúl Martin Rodriguez und Alex Snova), kämpfen mit ganz anderen Problemen. Lola, die eigentlich Simon heißt und aus einem kleinen Dorf kommt, ist unsicher und schüchtern, sobald er Lola abstreift. Begegnungen mit Don (Benjamin Eberling) und Trish (Fleur Alders) zeigen Simon, wie verletzlich er ist, wenn er nicht als Lola auftritt. Charlie gelingt es, Lola/Simon aus der Reserve zu locken und gemeinsam beginnen sie, Frauenstiefel für Männer zu designen und produzieren, um so die Jobs der Fabrikangestellten zu retten und das Leben der Angel zu mindestens an der Schuh-Front zu vereinfachen. Es kommt jedoch wie es kommen musste und Charlie bricht unter dem Druck und beinahe zerbricht das ganze Projekt, käme nicht Unterstützung, Akzeptanz und Zusammenhalt von unerwarteter Seite.
Obwohl an diesem Nachmittag die Hauptdarsteller Gino Emnes und Dominik Hees Off-Shows haben, ist dies leicht zu verschmerzen, denn man kann Marlon Wehmeier, die Zweitbesetzung von Charlie, und Benét Monteiro, die alternierende Lola, auf der Bühne erleben. Beide füllen ihre Rollen mit so viel Freude und Leidenschaft aus, dass es einem leicht fällt, mit dem Schicksal der Charaktere mitzufühlen. Beide brillieren neben ihrer Spielfreude durch wunderbare Stimmen, die sowohl Popklassiker als auch ruhigeren Songs wunderbar auf die Bühne bringen. Trotz des leichten Akzents von Monteiro, versteht man alle Texte hervorragend, wobei man an einigen wenigen Stellen das Gefühl nicht los wird, dass er ein wenig mit der Menge an Text zu kämpfen hat. Dies tut seinem Auftritt jedoch keinen Abbruch. Seine Figur und seine Gesichtszüge wirken besonders im glitzernden roten Lola-Kleid wunderbar weiblich, sodass man manchmal fast vergessen könnte, dass dort ein Mann auf der Bühne steht. Auch Marlon Wehmeier als Charlie zeigt einen bewundernswerten Halt auf den Kinky Boots. 1,94 Meter auf 16 Zentimeter Absätzen zu balancieren würde sicher nicht jedem gelingen.
Auch die Darstellerinnen der Lauren und Nicola, Jeannine Wacker und Franziska Schuster, zeigen eine großartige Leistung. Während Wacker in ihrer Rolle anfangs noch ein bisschen wie die rotzfreche Göre von nebenan wirkt, reift sie deutlich im Laufe des Stückes. Nicht nur die Rolle der Lauren, sondern auch Wacker selbst, wachsen an ihren Aufgaben und Wackers Solo „Die Liste falscher Kerle“ begeistert das Publikum. Besonders groß ist die Freude deshalb, weil sie am Ende endlich den richtigen „Kerl“ in den Armen hält. Franziska Schuster spielt die Rolle der Nicola und damit eher die Anti-Heldin des Stücks. Sie macht sich, aufgrund ihrer Rolle, von Beginn an eher unbeliebt beim Publikum, weil sie die zickige und etwas herrische Freundin von Charlie hervorragend umsetzt. Auch wenn man ihre Rolle vielleicht nicht sympathisch findet, können sicher viele Frauen aus dem Publikum nachvollziehen, dass sie sich in ein paar Schuhe verliebt.
Benjamin Eberling, als vermeintlicher Unsympath Don, ist ein Hit. Er spielt die Rolle großartig und zeigt, wie sehr sich ein Mensch im Laufe eines solchen Stücks wandeln kann. Am Ende ist er sogar der Held, der einen großen Teil dazu beiträgt, die Fabrik zu retten. Mit Eberling hat diese Rolle vielleicht ihre Idealbesetzung gefunden. Sowohl stimmlich als auch schauspielerisch geht er gänzlich in der Rolle auf.
Fleur Alders, die an diesem Nachmittag in der Rolle der Trish auf der Bühne steht, zeigt seit ihrer Zeit bei Tanz der Vampire eine großartige Entwicklung. Trotz ihres immer noch deutlich vernehmbaren niederländischen Akzents, ist die junge Darstellerin sehr gut zu verstehen. Schauspielerisch wie auch gesanglich zeigt sie eine sehr gute Leistung. Auch insgesamt gibt es am gesamten Ensemble kaum etwas auszusetzen. Jeder einzelne zeigt eine herausragende Leistung und vermittelt neben dem nötigen Ernst auch eine gehörige Portion Spaß, die zu diesem Stück dazu gehört. Leise wie auch laute Töne werden zu wichtigen Botschaften, die ans Publikum transportiert werden.
Besonders hervorzuheben sind die Leistungen aller „Angel“ – immer wieder ist es faszinieren zu sehen, wie die großgewachsenen Gestalten in Frauenkleidern und auf den höchsten Absätzen über die Bühne tanzen und springen. Clayton Sia, Paolo Avanzini, Pedro A. Batista Gonzalez, Taddeo Pellegrini, Raúl Martin Rodriguez und Alex Snova zeigen alle besonders im tänzerischen Bereich eine herausragende Leistung. Die langen, schlanken Beine, die einigen Damen vor Neid erblassen lassen dürften, sind dabei nur ein Bonus.
An der Leistung der Darsteller gibt es nichts auszusetzen. Umso mehr fällt es darum ins Gewicht, dass der Sparkurs wieder einmal vor dem Orchestergraben nicht Halt macht. Viele der Sounds wirken künstlich und mehr als einmal bekommt man den Eindruck, dass Unzulänglichkeiten durch Lautstärke wettgemacht werden sollen. Dabei können die Musiker im Orchestergraben eindeutig nichts für diesen Eindruck. Besonders in den ruhigeren Liedern wie „Trag mich in dein Herz“ zeigen sie was sie können.
Ein Manko an Kinky Boots ist leider die Übersetzung des Stückes aus dem Englishen ins Deutsche. Während viele der Wortwitze, die im Deutschen nicht funktionieren würden, gekonnt übersetzt worden, scheint der Rest des Stückes eine Platte Übersetzung der Texte von Cyndi Lauper. Einige Lieder funktionieren, viele der Lieder werden jedoch dadurch so wortreich, sodass das Verstehen der Sänger ein Ding der Unmöglichkeit ist. Dies ist besonders ärgerlich, da so an mancher Stelle die wertvollen Botschaften, die das Stück mit sich bringt, drohen verloren zu gehen.
Insgesamt bietet Kinky Boots eine großartige Unterhaltung, die trotz ihrer wichtigen Botschaften nicht schwermütig oder langatmig ist. Besonders die Leidenschaft und das Können der Darsteller ist dabei ein Highlight, das man nicht verpassen sollte.