„Es sind die Helden meiner Kindheit“ – Interview mit Edda Petri und Uwe Kröger

Uwe Kröger und Edda Petri (c) Lena Gronewold/Maybe Musical

Im Musicalbusiness gab es wohl kaum jemanden, der ihn nicht kennt.: Uwe Kröger. Spätestens seit seinem Welterfolg als Tod im Musical Elisabeth ist der gebürtige Westfale auf Erfolgskurs. Chris in Miss Saigon, Erzbischof Colloredo in Mozart, Inspektor Javert in Les Misérables, Kardinal Richelieu in Die drei Musketiere, Das Phantom der Oper im gleichnamigen Stück oder Maxim de Winter in Rebecca. Es gibt kaum noch eine Rolle, die Kröger nicht gespielt und mitgeprägt hat. Zuletzt stand er unter anderem als Zaza/Albin in La Cage aux Folles und als König Artus in Spamalot auf der Bühne. Neben seinen zahlreichen Musicalengagements hat Uwe Kröger fünf Soloalben auf den Markt gebracht und veröffentlichte 2014 seine Biografie „Ich bin, was ich bin“. Nach 2014 steht Kröger nun erneut als Gomez Addams, schräges Oberhaupt der Addams Family, auf der Bühne.

Dabei stets an seiner Seite ist Edda Petri als Gattin Morticia. Nach einer Schauspielausbildung in München und zahlreichen Theaterengagements, ist Edda Petri heute auch in zahlreichen Rollen im Fernsehen, unter anderem beim Tatort, Ein Fall für Zwei und Alarm für Cobra 11 zu sehen. In Musicals stand sie unter anderem als Audrey in Der kleine Horrorladen, Janet in der „Rocky Horror Show“ sowie Velma van Tussle in „Hairspray auf der Bühne. Neben ihren Fernseh- und Theaterengagements ist Petri als Sprecherin und Drehbuchautorin tätig. Genau wie Uwe Kröger steht sie bereits seit 2014 in der Addams Family auf der Bühne.

Am Rande der Pressekonferenz zur diesjährigen Tour der Addams Family, konnten wir die beiden in Berlin zum Interview treffen.

Lena Gronewold: In der letzten Spielzeit der Addams Family in Bremen spielten kaum die ersten Takte der Musik, da begannen die Zuschauer mitzuschnippen. Die Addams Family ist einfach Kult. Herr Kröger, ist es ein besonderer Druck, einen Charakter aus dieser schrägen Familie darzustellen?

Uwe Kröger: Ich finde jede Rolle baut einen gewissen Druck auf. Aber ich habe so viele verschiedene Darsteller als Gomez gesehen und auch die Zeichntrickfigur ist ja noch mal ganz anders. Ich finde es immer spannend, wie so ein Charakter dann bei jedem ausschaut. Mich muss ein Charakter berühren. Bei diesem Stück stimmt das Gesamtpaket von Stück und Musik. Speziell jetzt bei Gomez mag ich es, dass er ein so großes Herz und eine große Seele hat. Man kann ihn gut spüren. So geht es zumindestens mir als ich das Stück gesehen habe. Und ich hoffe natürlich, dass ich das auch dem Publikum vermitteln kann. Dafür ist es wichtig, einen guten Regisseur zu haben auf der einen Seite und gutes Material zu haben auf der anderen Seite. Damit kann ich dann arbeiten und versuchen das Beste daraus zu machen. Ich möchte, dass hier eine Figur auf die Bühne kommt, die vielleicht im ersten Moment komisch ist mit dem spanischen Akzent, aber eigentlich ein ganz, ganz großes Herz hat. Mir geht es immer so, dass ich die Figur am liebsten in den Arm nehmen würde. Das hat die Figur das Gomez für mich. Das legt die Latte sehr hoch und dann ist es Druck für mich.

Lena Gronewold: Also ist es der Druck, den Sie sich selber machen?

Uwe Kröger: Genau, der ist stärker spürbar.

Lena Gronewold: Frau Petri, neben Ihren Musicalengagements standen Sie bereits für diverse Filme vor der Kamera und sind als Sprecherin und Drehbuchautorin tätig. Was ist der Reiz für Sie, in Musicals wie der Addams Family auf der Bühne zu stehen?

Edda Petri: Die Morticia Addams ist natürlich eine Heldin meiner Kindheit. Ich habe damals als Kind vor dem Fernseher gesessen und die Serie geschaut. Es ist ein bisschen so, also ob man jetzt plötzlich Winnetou oder Lassie spielen darf. Es ist etwas ganz Besonderes. Man macht sich viele Gedanken. Als Kind wollte ich dann gerne so aussehen wie Morticia und jetzt plötzlich sehe ich so aus.

Lena Gronewold: Mit Gomez Addams begegnet uns ein exzentrischer, heißblütiger Ehemann und Familienvater, der seiner Gattin treuergeben ist. Sie sprechen die Rolle zudem mit unglaublich gekonntem spanischem Akzent. Was macht für Sie den Reiz an dieser Rolle aus?

Uwe Kröger: Es ist die Vielfältigkeit, die diese Rolle bietet, aber es ist auch das hohe Niveau an Expertise oder Können, das mir abverlangt wird. Gesanglich wie auch schauspielerisch. Der komödiantische Aspekt der Rolle fordert mich. Comedy ist ein schwieriges Pflaster, es gehört viel Können und Timing dazu. Aber auch der tänzerische Aspekt macht mir Spaß. Ich muss im Stück einen Tango tanzen. Im Gesamten betrachtet, ist es aber diese Spielfreude, dieses Kind im Manne, in Gomez entdecken, dass es für mich ausmacht und aufregend macht. Das gesamte Paket, wie an einen Papa vielleicht gerne hätte, ist hier vereint. Ich mag den Gomez einfach.

Lena Gronewold: Das spürt man glaube ich auch, wenn man Sie in dieser Rolle erlebt. Sie scheinen eine besondere Bindung zu ihm aufgebaut zu haben.

Uwe Kröger: Das ist wünschenswert, dass man diese Bindung hat. Natürlich gelingt einem das nicht bei jeder Figur. Ich möchte mich jetzt mit niemandem vergleichen, aber wenn ich mir zum Beispiel Meryl Streep anschaue, egal ob sie eine Psychiaterin oder wie jetzt Florence Foster Jenkins spielt, mit einer Hingabe und Authentizität und Spaß und Liebe zu den Figuren, dann spürt man da etwas. Auch, wenn ich mir jetzt dieses Interview mit ihr anschauen, in dem sie mit einer Liebe zum Detail, großem Respekt und Format quasi nebenbei dem neuen Präsidenten der USA eine rhetorische Ohrfeige gegeben hat, dann kann ich sie nur bewundern. Und genauso liebt sie auch ihre Rollen. Man möchte seinem Publikum einfach die Figuren näher bringen, denen man sonst im täglichen Leben nicht begegnet. Und genauso wie sie es hier beschreibt, sehe ich die Aufgabe des Schauspielers. Meryl Streep liebt jede ihrer Figuren und genauso geht es mir auch.

Lena Gronewold: Morticia Addams ist nicht gerade das, was man als klassisches Bild von Ehefrau und Mutter kennt. Was macht diesen Charakter für Sie aus, was macht sie besonders?

Edda Petri (c) Lena Gronewold/Maybe Musical

Edda Petri: Sie wirkt sehr kühl und sophisticated (A.d.R.: anspruchsvoll). Einfach über den Dingen stehend. Genauso tritt sie in der Serie und im Film in Erscheinung. Im Theaterstück, und das finde ich das Tolle, zeigt sie erstmals, was da noch in ihr brodelt, was man sonst nie gesehen hat. Es wird einfach deutlich, dass sie nicht so sehr über den Dingen steht wie man, und vielleicht auch sie selber, denkt. Einerseits hat sie dieses riesen Herz für ihren Gomez und für ihre Kinder, Wednesday und Pugsley, aber andererseits kann sie, wenn man ihre Spielregeln verletzt auch sehr unbeherrscht werden. Es gibt einen großen Song im Stück, darin heißt es, das Geheimnis ist ein Feind der Liebe. Und das meint Morticia wortwörtlich. Sie ist ein Kontrollfreak. Alles muss laufen, wie sie es möchte. Wenn das nicht so ist, dann rastet sie auch mal aus. Dann ist plötzlich diese Kälte weg. Das durfte ich mitentwickeln, denn so kennt man die Morticia aus den Filmen und der Serie nicht.

Lena Gronewold: Das Stück weicht ja ohnehin etwas ab vom Geschehen im Film, nicht wahr?

Edda Petri: Im Film und in der Serie ist es nie so, dass etwas zwischen Gomez und Morticia steht. Die beiden lösen zusammen Probleme und dabei regen sie sich auch schon mal auf. Aber nie gibt es eine Ehekrise wie hier im Stück.

Lena Gronewold: Wednesday Addams ist allem Anschein nach eher ein „Papakind“. Die Beziehung zu Morticia scheint schwierig. Frau Petri, wie würden Sie die Beziehung der beiden beschreiben?

Edda Petri: Es ist ja häufig so, dass die Mädchen eher Papakinder sind. Zwischen Morticia und Wednesday fliegen auf der Bühne auch mal die Fetzen. Aber eigentlich sind sie sich sehr ähnlich. Und wie das so oft ist, gibt es dann erst recht Streit. Im Grunde hat Wednesday aber sehr viel von Morticia. In „Sag die Wahrheit“ zum Beispiel wird der aufmerksame Zuschauer sogar beobachten können, wie ähnlich sich beide sind. Sie zeigen die gleiche Körperhaltung und Wednesday kopiert mich bis ins Detail. Denn eigentlich findet sie ihre Mutter schon ganz cool, was sie natürlich nie zugeben würde, weil sie einen starken Charakter und einen starken Willen hat. Sie sind sich einfach sehr ähnlich. Für mich ist diese Beziehung sehr spannend. Ich selber habe zwei Söhne, die sind eher die Mamakinder, und jetzt habe ich endlich auch mal eine Tochter und genieße das.

Lena Gronewold: Trotz seiner Hingabe zu Morticia gerät Gomez in den Konflikt, dass er zwischen Mutter und Tochter steht. Gomez beschreibt dies als „eigentlich ganz schön schwierig“. Herr Kröger, was ist für Sie das schwerste am Beruf des Musicaldarstellers?

Uwe Kröger: Es ist ein genereller Spagat. Momentan bin ich noch in der großartigen Situation, dass ich viele tolle Rollen habe. Ich arbeite zurzeit wie ein Vieh. Ich mache wahnsinnig viel zurzeit. Es ist schön, dass ich die Möglichkeit habe, viele Dinge zu tun, die anderen Kollegen momentan verwehrt bleiben. Die Schwierigkeit ist es, am Ball zu bleiben und arbeiten zu können. Es gibt so viele Produktionen. Aber ich habe in meinem Leben eben auch so oft den Standort, den Wohnort, gewechselt oder vielmehr wechseln müssen. Es braucht da ein gutes Zeitmanagement und vor allem eben auch ein gewisses Können. Ohne das geht es in diesem Beruf nicht. Das wird immer wieder hinterfragt und auch geprüft.

Lena Gronewold: Morticia Addams wird beschrieben als „das wahre Oberhaupt der Familie“, die ein strenges Regiment führt. Erkennen Sie sich selber hier wieder oder gibt es Charakterzüge von ihnen, die Sie auch bei Morticia finden?

Edda Petri: Dass sie ein strenges Regiment führt, ist auch gut für alle, auch wenn die das nicht unbedingt erkennen wollen. Letztendlich profitieren aber alle davon. Ich werde häufig so gesehen, wie die Morticia. Alleine wegen meiner Größe (A.d.R.: 181 cm groß). Und ich werde auch häufig so besetzt. Ich spiele viele Staatsanwältinnen oder Richterinnen, aber eigentlich bin ich ganz soft und eher eine Lustige. Es ist aber schön, diese Charakterzüge mal so ins Extreme zu treiben wie bei Morticia. Hier darf ich mal die Diva sein, die große strenge Dame sein ausleben. Das macht schon Spaß.

Lena Gronewold: Vom Phantom der Oper über den Tod in Elisabeth bis hin zu König Artus in Spamalot haben Sie verschiedenste Rollen zum Leben erweckt. Haben Sie einen Favoriten unter „Ihren“ Rollen?

Uwe Kröger (c) Lena Gronewold/Maybe Musical

Uwe Kröger: Ich habe den Luxus, viele großartige Rollen spielen zu dürfen. Es sind viele Charaktere, die ein großes Herz haben und sehr komplex sind von der Figur her. Ob es jetzt eine Zaza/Albin ist aus La Cage aux Folles, die wahnsinnig berührend, aber auch sehr schillernd ist und eben diesen Spagat dazwischen braucht. Oder dann jetzt eben der Gomez oder ein Nostradamus, eine unglaublich spannende Figur. Aber dann eben auch meine Rolle in Sound of Music, ein Kultstück. Auch dort eine ganz interessante Figur oder jetzt eben Artus in Spamalot. Es sind alles Figuren mit Seele. Das ist das Schöne am Älterwerden. Ich werde immer wieder gefragt, wie lange man den Beruf machen kann. Solange ich Rollen finde. Es wird, Gott sei Dank, nicht nur von jungen Menschen erzählt. Solange das der Fall ist, wird es tolle Geschichten und tolle Rollen geben. Ich habe zurzeit das große Glück, auch wenn es sehr viel Stress ist, das ich wahnsinnig tolle Rollen spielen darf. Ich habe gerade solche Blöcke, wo ich im Grunde jeden Tag etwas anderes spiele. Diese Woche hatte ich nun einen Tag Nostradamus, dann jetzt die Pressekonferenz, morgen Spamalot und den Tag drauf wieder Nostradamus. Es ist sehr „en-bloc“ und verlangt mir viel ab, aber es macht eben auch sehr viel Spaß.

Lena Gronewold: Das ist ja eigentlich die Hauptsache dabei.

Uwe Kröger: Ich habe einen Beruf der mir Spaß machen darf. Das kann nicht jeder von sich behaupten. Deswegen bin ich auch sehr demutvoll und sehr, sehr dankbar.

Lena Gronewold: Gibt es für Sie beide noch so etwas wie eine „Traumrolle“ in der Sie gerne auf der Bühne stehen würden?

Edda Petri: Ich würde sehr gerne mal in einem Sondheim Stück auf der Bühne stehen. Leider wird das in Deutschland sehr wenig gespielt. Und der Traum von allen Frauen in meinem Alter ist auch die Mrs. Lovett in Sweeney Todd.

Lena Gronewold: Die geht ja nun was das Aussehen angeht auch wieder in Richtung der Morticia.

Edda Petri: Ja, aber Mrs. Lovett backt Pasteten, das würde Morticia niemals tun. Die würde solche Tätigkeiten delegieren.

Lena Gronewold: Und bei Ihnen Herr Kröger? Gibt es noch eine Traumrolle?

Uwe Kröger: Bei mir gibt es eigentlich keine Traumrolle. Ich werde das ganz häufig gefragt. Ich habe vor fünf Jahren nicht gedacht, dass ich die Rollen spielen würde, die ich jetzt spiele. Es kommt immer wieder was Neues. Es werden Projekte an mich herangetragen, neue Stücke entwickelt, deshalb bin ich einfach gespannt, was in Zukunft für Rollen auf mich warten.

Lena Gronewold: Herr Kröger, sie sind ein „alter Hase“ im Business. Haben Sie Tipps für junge Leute, die auf die Bühne wollen und in ihre Fußstapfen treten möchten?

Uwe Kröger: Man muss das wirklich wollen. Es schaffen nur diejenigen, die dranbleiben. Reiner Fleiß reicht nicht. Man muss bodenständig bleiben und sich immer wieder selber hinterfragen. Ist es das was ich wirklich will? Das ist extrem wichtig.

Lena Gronewold: Frau Petri, gibt es Pläne für die Zukunft von denen Sie uns erzählen können? Dürfen wir uns darauf freuen, Sie regelmäßig auf der Musicalbühne zu sehen?

Edda Petri: Es gibt Projekte in der Zukunft aber noch ist nichts unterschrieben. Am 29. Januar bin ich erst mal im Tatort mit einer größeren Rolle  zu sehen und dann schauen wir weiter.