Wie eng Licht und Schatten beieinander liegen, zeigt eindrucksvoll das Musical Sunset Boulevard von Andrew Lloyd Webber, mit den deutschen Texten von Michael Kunze, basierend auf dem Film von Billy Wilder, das in der Dortmunder Oper am 08.10.2016 Premiere feierte. Die ungewöhnliche Geschichte um den ehemals gefeierten Stummfilmstar Norma Desmond (Pia Douwes) und des erfolglosen Drehbuchautors Joe Gillis (Oliver Arno) beschreibt auf eingängige Weise die Schnelllebigkeit der Film- und Künstlerbranche, speziell in Hollywood; eigentlich damals wie heute.
Die Story steigt ein, mit dem Tod des Joe Gillis und wird in einer Rückblende von ihm selbst erzählt, wie es dazu kam. In Hollywood erfolglos und mit Schulden behaftet, bleibt ihm nichts anderes, als die Flucht vor den Geldeintreibern anzutreten. Auch Betty Schaefer (Wietske van Tongeren), eine gute Freundin, kann ihm dabei nicht länger zur Seite stehen, obwohl sie die einzige zu sein scheint, die wenigstens noch ein bisschen an ihn glaubt. Gehetzt von seinen Verfolgern landet er eher zufällig in der Garage der Villa von Norma Desmond, einer ehemals sehr erfolgreichen, nun aber nicht mehr gefragten Filmdiva, die noch immer von einem großen Comeback mit einem eigenen Drehbuch träumt.
Gillis kommt ihr gerade recht. Vor allem als sie erfährt, was er beruflich macht. Sie bittet ihn ihr Drehbuch zu überarbeiten und gegen Kost und Logis bei ihr zu bleiben. Das große Geld witternd, willigt Gillis ein, jedoch ohne zu bemerken, wie sehr sie ihn für sich vereinnahmt. Sein einziger Kontakt zur „Außenwelt“ bleibt Betty Schaefer. Die beiden verlieben sich über eine gemeinsame Arbeit ineinander. Norma jedoch betrachtet Joe inszwischen als ihr Eigentum und droht mit Selbstmord. Als die Paramountstudios mehrfach versuchen sie zu erreichen, glaubt sie, es geschafft zu haben und wieder im Rampenlicht stehen zu können. Der Grund des A
nrufes ist jedoch ein völlig anderer. Joe zwischen Norma und Betty hin- und hergerissen, entscheidet sich letztendlich gegen Norma. Endgültig ihrer Träume beraubt, gibt sie Joe die Schuld dafür und beendet die Beziehung auf ihre Art…
Und wieder ist es Gil Mehmert, der diese Story, die sich eng an den gleichnamigen Film von Billy Wilder hält, umsetzt. Nicht zum ersten Mal, jedoch wieder anders als zum Beispiel in der Tourversion, die seinerzeit in Bad Hersfeld inszeniert wurde. Der Unterschied liegt dort allein schon darin, dass man aufgrund der Freilichtbühne, nicht die Möglichkeiten hatte, mit so viel Licht zu arbeiten. Ebenfalls hat man nicht immer das Glück auf ein Orchester, wie die Dortmunder Philharmoniker, unter der Leitung von Ingo Martin Stadtmüller, zurückgreifen zu können. All das sind Punkte, die ein Stück wieder anders und jede Inszenierung auch wieder besonders machen.
Das Bühnenbild wirkt im ersten Moment auch recht übersichtlich. Zwei feststehende Türme, von denen einer bewegt werden kann bilden die große Freitreppe der Villa von Norma Desmond und im Gegensatz dazu das kleine Zimmer rechts, in dem Joe lebt. In der Mitte dazwischen der Teil der Bühne, der bei Bedarf einmal Bühne, einmal Swimmingpool oder einmal Sitzmöbel werden kann. Aber viele kleine Details, die durch das Ensemble auf und von der Bühne getragen werden, gestalten das Gesamtbild durchaus abwechslungsreich. Eine besonders pfiffige Idee ist die Fahrt von Norma, Joe und Diener Max von Mayerling in der großen Limousine, die blitzschnell aus Einzelteilen wie ein 3-D-Puzzle zusammen gesetzt wird.
Das allein macht aber kein Stück aus. In diesem Fall ist auch die Besetzung einfach nur grandios. Pia Dowes, die bereits beim ersten Betreten der Bühne mit tosendem Applaus bedacht wird, spielt die Norma Desmond an diesem Abend nicht – sie ist Norma Desmond! Sie ist es auch, die mit „Einmal, es ist gar nicht lang her / Nur ein Blick“ für den ersten Gänsehautmoment des Abends sorgt. Der ihr zur Seite stehende Oliver Arno steht ihr allerdings sowohl stimmlich, als auch schauspielerisch in nichts nach. Den brotlosen Künstler nimmt man ihm ohne Wenn und Aber ab.
Etwas überrascht ist man dann auch als Max, der Diener – und wie sich später herausstellt, Norma’s Ehemann Nr. 1 – namentlich Hannes Brock, seinen ersten gesanglichen Auftritt an diesem Abend hat. Seine Ausbildung als Kammersänger kommt hier voll zum tragen und es ist ein Genuss ihm zuzuhören. Seine tiefe, klassische Stimme ergänzt, die sonst eher die höheren Tonlagen bedienenden, kräftigen Stimmen der Musicaldarsteller, sehr harmonisch.
Der kurzweilige Abend schließt mit kaum enden wollenden Jubelrufen und Applaus. Das sehr zahlreich erschienene Premierenpublikum kann auf einen sehr unterhaltsamen, kurzweiligen Abend zurückblicken. Auch hier wird es sicherlich den Einen oder Anderen erneut in eine der noch folgenden Vorstellungen ziehen.
Weiter Termine und Karten gibt es unter: https://www.theaterdo.de/detail/event/16970/