Das English Theatre Frankfurt beweist in dieser Spielzeit einmal mehr, dass sie es einfach wissen Musicals gekonnt in Szene zu setzen. Nach beeindruckenden Inszenierungen von “The Life”, “Monty Python’s Spamalot” und “Jekyll & Hyde” von Frank Wildhorn wagt sich der Cast rund um Regisseur Tom Littler an einen auf den deutschen Bühnen nicht mehr wegzudenkenden Klassiker: Cabaret. Worin sich diese Inszenierung von anderen erfolgreich anderen unterscheidet und warum sich ein Besuch in Frankfurt einmal mehr lohnen könnte verraten wir euch in unserem Bericht.
“Cabaret”, das Musical von John Kander und Fred Ebb, beschreibt die Erlebnisse des Schriftstellers Cliff Bradshaw im Berlin der jungen Dreißiger, kurz vor der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten. Dort kommt er durch eine Verkettung kleiner Zufälle an ein Zimmer im Haus von Fräulein Schneider, gerät in den Kit Kat Club, lernt dort die Sängerin Sally Bowles kennen und lernt hautnah das Ausmaß der nationalsozialistischen Ideologie.
Die Inszenierung von Tom Littler, der neben “Jekyll und Hyde” zuvor eher klassische Schauspielstücke wie “The Glass Menagerie” und “The picture of Dorian Gray” neu interpretiert, punktet hier vor allem in seiner schlichten Direktheit. Die Rollen spielen ohne Umschweife ihre Emotionen aus und wirken dabei mal mehr oder weniger real und unterstreichen die (alb-)traumhafte Szenerie der Freizügigkeit auf der einen und dem drohenden Untergang eines ganzen Kontinents. Dabei wird die Inszenierung von den Kostümen und vom Bühnenbild (Simon Kenny) unterstützt. Die Kostüme wirken einerseits glaubhaft aus der dargestellten Zeit gegriffen und – gerade bei den Szenen im Kit Kat Club – fast schon überzogen frivol. Das Bühnenbild beschränkt sich auf das Nötigste und lenkt somit selten vom überzeugenden Schauspiel der Darsteller ab. Zentral auf der Bühne befindet sich dauerhaft ein Eisenbahnwaggon, in dem das fünfköpfige Orchester untergebracht ist. Links befindet sich eine kleine Empore, die je nach Szene als Teil des Kit Kat Clubs oder als Zimmer von Cliff umfunktioniert werden kann und optisch durch die großen Stahlbogen an einen überdachten Bahnsteig erinnert. Wandelbare Funktionalität scheint hierbei sogar fast ein Motto der Inszenierung zu sein, da Koffer mal zu einem Tisch werden, der Bahnwaggon mal als angedeutete Tür diverser Zimmer herhält oder auf dessen Dach eindrucksvolle Auftritte ermöglicht werden.
Die Choreographien von Cydney Uffindell-Phillips unterstreichen die jeweiligen Szenen sehr gut und erschaffen an vielen Stellen sehr beeindruckende Bilder.
Casting Director Marc Frankum sind bei der Besetzung der Rolle echte Glücksgriffe gelungen. Allen voran wirkt Ryan Saunders als Cliff als eine Idealbesetzung, was vor allem sein Schauspiel betrifft, da rollenbedingt wenig vom Gesang zu hören ist. Helen Reuben als Sally Bowles ist, wie häufig in heutigen Inszenierungen, vom Typ her weit entfernt von einer Liza Minelli, überzeugt aber in der darzustellenden Launenhaftigkeit und es macht ihr sowohl Spaß zuzusehen, wie sie innerhalb von Augenblicken flüssig Emotionen abrufen und wechseln kann ohne die jeweilige Situation ins Lächerliche zu ziehen, als auch ihrem Gesang, der sich unter ihr immer wieder zu einer eigenen Show entwickelt, zu lauschen. Das Zusammenspiel von Richard Derrington und Sarah Shelton als Herr Schultz und Fräulein Schneider ist als durchaus rührend anzusehen und wenn Richard Derrington während der grausamen Finalnummer als angetrunkener Herr Schultz in der singenden Menge steht bricht dem Zuschauer beinahe das Herz.
Als nahezu omnipräsenter Conferencier überzeugt mit viel humoristischem Feingefühl überzeugt Greg Casitiglioni, der mit kreidebleich geschminkter Maske die Situation karikiert. Wahre Multitalente in diesem Cast sind allerdings Matt Blaker als Ernst Ludwig und Lindsay Goodhand als Fräulein Kost, die je nach Szene ihre Rollen auch verlassen und das Orchester mit Blasinstrumenten unterstützen oder als Kit Kat Boy bzw. Kit Kat Girl auftreten. Das Stück wird übrigens komplett in englischer Sprache aufgeführt, was auf deutschen Bühnen nahezu Seltenheitswert hat.
Einen Höhepunkt dieser Inszenierung ist alles was nach “If you could see her” passiert, was selten so an die Nieren geht und beim Zuschauer lange nachwirkt. Gerade Helen Reuben als Sally Bowles beim Titelsong dabei zuzusehen, wie sich in ihrem Gesicht und in ihrer Stimme Zweifel, Ängste und Reue abbilden, die sie versucht wegzusingen sind wirklich berührend.
Am Ende ist die Welt dann doch untergegangen und der Spuk des Cabarets wieder vorbei. Und auch wenn auf der Bühne zum Schlussapplaus eine gewisse Leichtigkeit Einkehr findet bleiben die entstandenen Bilder des Abends noch lange im Kopf.
“Cabaret” am English Theatre Frankfurt kann noch bis zum 10.03.2019 bewundert werden. Danach gastiert es ab dem 15.03.2019 am Deutschen Theater München. Tickets und Informationen sind hier zu finden.