Die Seefestspiele in Mörbisch (Burgenland) sind seit vielen Jahren eine feste Größe in den Sommermonaten. Zunächst hauptsächlich für Freunde der Operette interessant, entwickelt sich die Seebühne sehr erfolgreich mehr und mehr zu einem weiteren österreichischen Standort für Musicals.
Wie auch schon im letzten Jahr als dort „Mamma Mia“, die Musicaladaption zum gleichnamigen Film, vor permanent ausverkauftem Haus und mit zahlreichen Zusatzvorstellungen gezeigt wurde, bleibt auch heuer selten einer der insgesamt 6200 Sitzplätzen leer.
Intendant Alfons Haider, selbst erfolgreicher und erfahrener Sänger und Schauspieler, hat sich in 2024 mit der Neuinszenierung des Klassikers aus dem Jahr 1956 „My fair Lady“, das Musical mit der Musik von Frederick Loewe sowie Texten und Libretto von Alan J. Lerner, getraut, ein renommiertes Stück in gänzlich neuem Kleid auf die Bühne zu bringen.
Ein mutiger Schritt, ein seit Jahrzehnten bekanntes und beliebtes Stück, in eine andere, moderne Zeit, nämlich das Jahr 2018 zu tranportieren. Könnte man doch zunächst beim Lesen des Titels davon ausgehen, dass es sich um eine der bekannten Versionen noch älteren Datums handelt, die sich bei der Zielgruppe der Zuschauer großer Beliebtheit erfreut. Doch auch hier zeigt sich, dass Mut belohnt wird.
Die riesige Bühne mit über 2600 m² Fläche und gut 62 m Breite bietet genug Möglichkeiten London an den Neusiedler See zu holen. Mit bis zu 16 m hohen Bühnenbildern und Kulissenteilen, die mehrere Tonnen wiegen, findet man dort zum Beispiel sowohl eine originalagetreu nachgebaute U-Bahn-Station, als auch die großzügig angelegte Wohnung Professor Higgins. Im Hintergrund thront, alles überragend, Big Ben, welcher als Wahrzeichen nicht vergessen lassen möchte, wo genau die Geschichte spielt.
Selbstverständlich wurde das Stück nicht soweit verfremdet, dass nur noch der Name geblieben wäre, vielmehr wurde es nicht nur in eine andere Zeit versetzt, sondern die Texte auch an die Umgebung angepasst. Dennoch ist der Geschichte gut zu folgen, auch wenn die Sprache anfänglich teilweise sehr wienerisch eingefärbt ist und der Zuschauer vielleicht nicht in Österreich beheimatet ist.
Auch in einer aktuellen Inszenierung hat die Geschichte um das aus armen Verhältnissen stammende Mädchen Eliza Doolitte (Anna-Rosa Döller), welches in der Londoner U-Bahn-Station Blumen verkauft und von einem Restaurant in dem die High Society verkehrt träumt und eines Tages dort auf den berühmten Phonetiker Henry Higgins (Mark Seibert) stößt, nichts an Charme verloren. Hugh Pickering (Ramin Dustdar), ebenfalls berühmt auf dem Feld der Sprache und Dialekte geht mit Higgins die Wette ein, dass dieser innerhalb von 6 Wochen Eliza sprachlich so verwandelt, dass man anderen glauben machen könne, sie sei eine Adelige. Natürlich ist dieser Weg nicht ohne Stolpersteinchen, flotte Sprüche und Pointen, die erst beim genaueren Hinhören klar werden, zu bewältigen. Nach anfänglicher, gegenseitiger Ablehnung bahnt sich dann doch noch eine Liebesgeschichte zwischen Professer Higgins und Eliza an. Doch im Gegensatz zu anderen Inszenierungen bleibt der Zuschauer am Ende etwas ratlos zurück, als sowohl der junge Freddy Eynsfort-Hill (Dominik Hees), der sich seit ihrer ersten Begegnung in Ascot unsterblich in Eliza verliebt hat, als auch Henry Higgins und Eliza gemeinsam auf der Bühne stehen und einfach das Ensemble zum Schlussapplaus die Bühne betritt.
Natürlich lässt dies Platz für eigene Interpretationen, jedoch endet das Stück dadurch so abrupt, dass es man, gerade noch mitten im Geschehen, plötzlich einfach aus dem geschaffenden Gesamtbild herausgerissen wird. Dies ist insofern ein wenig schade, als dass im ganzen Stück auf diese – eigentlich groß erhoffte Schlußszene – hingearbeitet wird.
Die Rollen allerdings sind durchweg großartig besetzt. Höhepunkt der Aufführung ist der Auftritt von Dolores Schmiedinger als Queen Elisabeth, den Fans seit vielen Jahren als fixer Bestandteil der österreichischen Kabarett- und Kulturlandschaft oder auch als Elfie Schratt, ihres Zeichens Concierge im Hotel Edler im Musical „I am from Austria“ bekannt ist. Als Queen bei „My fair Lady“ ist sie nicht nur optisch hervorragend getroffen, sondern auch durch ihre akzentuierte Aussprache und ihre betont ruhige Ausstrahlung spielt sie sich auch hier umgehend in die Herzen der Zuschauer.
Anna Rosa Döller, in Mörbisch bereits aus dem Musical „Mamma Mia“ bekannt, gibt mit großer Spielfreude das zunächst vorlaute Gör mit grünen Haaren, entwickelt sich jedoch im Laufe des Stücks zum stolzen Schwan, der sich auch in höheren Kreisen zu benehmen weiß. Der Wechsel zwischen tiefem wienerisch zu Anfang und dem „hochdeutsch“ in den Liedtexten gelingt ihr ohne Mühe. Sie spielt diese Rolle mit einer Leichtigkeit, dass es eine Freude ist, ihr bei der Entwicklung von Eliza zuzusehen.
Mark Seiberts Professor Higgins, trägt den Zuschauer mit einem Wechselbad der Gefühle durch den Abend. Gerade noch euphorisch und sich auf die neue Herausforderung freuend, Eliza für sein Experiment gewonnen zu haben, ist er eine Sekunde später wütend und enttäuscht, dass es nicht so schnell vorwärts geht, wie er möchte. Auch seiner Rolle fehlt es nicht an Humor, welchen Seibert meist mit dem sprichwörtlichen Augenzwinkern mit den Zuschauern teilt. Man merkt ihm an, dass Higgins nicht nur dem Auditorium, sondern auch ihm großen Spaß bereitet. Er überzeugt sowohl darstellerisch, als auch gesanglich in voller Bandbreite.
Mit der Wahl von Ramin Dustdar als Hugh Pickering, dem augenscheinlich ruhenden Gegenpol zu Henry Higgins, ist den Machern in Mörbisch ein weiterer Coup gelungen. Er fügt sich hervorragend in das Gesamtbild ein.
Herbert Steinböck, der die Rolle Eliza’s Vater inne hat, bringt von Beginn an mit seinen Auftritten Schwung und Tempo in das gesamte Stück. Einmal ist dies natürlich rollenbedingt, aber auch bei ihm springt der Funke zum Publikum ohne Zweifel gleich beim ersten Auftritt herüber. Da bleibt es nicht aus, dass sich auch der eine oder andere Zuschauer animiert fühlt mitzuklatschen. Dadurch, dass er sich bei sämtlichen Songs des Wienerischen Dialektes bedienen darf, gibt das dem Ganzen auch noch einmal eine ganz besondere Note.
Marika Lichter gibt eine großartige Mrs. Higgins, die Mutter des Professors. Sie besticht durch Charme und Witz und ist nie um eine Pointe verlegen. Die Szene als Eliza in Ascot zum ersten Mal auf die High Society trifft und dort ihre Feuerprobe in Bezug auf ihre Aussprache bestehen muss, ist genauso unterhaltsam wie das Zusammenspiel zwischen Eliza (Anna Rosa Döller), Sohn Higgins (Mark Seibert) und ihr, als Eliza nach dem freiwilligen Rausschmiss aus dem Appartment des Professors Zuflucht und Verständnis bei ihr sucht.
Die vergleichbar kleine Rolle von Dominik Hees als Freddy Eynsfort-Hill ist jedoch nicht weniger bedeutend. Hees füllt diese mit großer Leidenschaft und einer klangvollen Stimme, dass es ein Genuss ist ihm zuzusehen und zuzuhören.
Nicht zu vergessen sei auch die großartige Leistung des gesamten Ensembles, welches die gut 3 Stunden beinahe durchtanzt und singt – und das auf ziemlich hohem Niveau. Noch ein wenig besser hätte es dem Stück gestanden, wenn man die eine oder andere Szene nicht ganz so ausschweifend ins Bild gesetzt hätte. Dies ist jedoch eher subjektiv zu betrachten und schmälern den absolut positiven Gesamteindruck sicherlich nicht. Insgesamt darf man sagen, dass sich „My Fair Lady“ auf der Seebühne Mörbisch nahtlos in die Reihe Highlights, die dort bislang gezeigt worden, einreiht und absolut sehenswert ist.
Bis zum 17.08.2024 kann man noch gemeinsam mit den Protagonisten nach London reisen. Rest-Tickets dazu gibt es hier:
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