Musik ist manchmal wie ein gutes Essen – es kommt nicht auf die Menge an, sondern auf die Zutaten. Das Rezept für einen unvergesslichen Abend, der aus nichts als Musik besteht, ist somit ganz einfach: Man nehme ein Schweizer Unternehmen, das sein 10-jähriges Firmenjubiläum feiern möchte, einen musicalbegeisterten Inhaber nebst Familie, der Gedanke gleichzeitig mit der Erfüllung eines persönlichen Traumes etwas Gutes zu tun und nicht zuletzt zwei Ausnahmekünstler und einen Pianisten, die den Abend gestalten. Fügt man dies alles zusammen, entsteht eine Veranstaltung, die man so nicht alle Tage erleben kann.
Keine geringeren als die Top-Stars der Musical-Szene Sabrina Weckerlin und Mark Seibert, am Klavier von Bernd Steixner begleitet, konnte Roger Tinner in die Tonhalle nach St. Gallen locken. Dort, wo normalerweise Konzerte mit größerem Orchester stattfinden, wie die durchaus als riesig zu bezeichnende Bühne vermuten lassen könnte, bildet der mit Theaterbestuhlung und holzvertäfelten Wänden ausgestattete Saal den passenden Rahmen für eine solche Veranstaltung. Weder Mark Seibert, der im Theater St. Gallen, gleich gegenüber der Tonhalle, vor einigen Jahren in der Welturaufführung des Wildhorn Musicals „Artus – Excalibur“ in die Rolle des unglücklich verliebten „Lancelot“ schlüpfte, noch Sabrina Weckerlin, die in eben dem gleichen Musical Artus‘ verstoßene Schwester „Morgana“ verkörperte, ist das ungefähr 75.000 Einwohner zählende Städtchen am Bodensee unbekannt.
An diesem Tage führte es die beiden jedoch in einer besonderen Mission dorthin. Wie dem Namen der Veranstaltung „Musicalstars für Charity“ unschwer entnommen werden kann, stand der ganze Abend unter dem Schirm des Spendens. Der sogenannte kleine „Bruder“ des Black Friday und des Cyber Monday wurde 2012 von den amerikanischen Organisationen 92nd Street Y und United Nations Foundation ins Leben gerufen und wird seitdem in beinahe 70 Ländern Jahr für Jahr begangen. Es war sicherlich keine leichte Aufgabe bei den immens vielen unterstützungswürdigen Vereinen und Organisationen eine oder mehrere auszuwählen. Roger Tinners Entscheidung fiel darum in 2018 gleich auf drei, die mit dem Erlös des Abends bedacht werden sollen. Da war zum ersten VoiceSteps – die Musical-Schule für Kinder und Jugendliche, zum zweiten Ostschweizer helfen Ostschweizern – eine Spendenaktion des St. Galler Tagblatts und den Regionalzeitungen, TVO & FM1 und nicht zuletzt Ubuntu – Unterstützung für Schulen in den Townships in der Region Kapstadt.
Dank der zahlreichen Spenden, die auch vor Ort in extra dafür bereitgestellten, liebevoll gestalteten Schachteln, gerne in Empfang genommen wurden, konnte am Ende des Tage auf eine Gesamtsumme von CHF 19.250 geblickt werden, die auf die drei Projekte aufgeteilt wurden. Dieser Erfolg war auch nicht zuletzt den Stars des Abends Mark Seibert und Sabrina Weckerlin zu verdanken. Schon als die beiden, nach einer kurzen, erfrischenden Rede von Roger Tinner mit „Wenn ich tanzen will“ aus Elisabeth die Bühne betraten, durfte man einen Vorgeschmack auf das, was man im Laufe des Konzerte erwarten konnte, bekommen. Mit den insgesamt zwanzig Songs, die beide entweder gemeinsam oder auch in Soli darboten, trafen sie mitten ins Herz der Zuschauer.
Spätestens nach Weckerlins „Lass jetzt los“ aus Disneys „Eiskönigin“ und Seiberts „Ein Traum ohne Anfang und Ende“ aus „Die Päpstin“ konnte man sich des Gefühls nicht erwehren an diesem Abend auch die persönlichen Highlights der beiden präsentiert zu bekommen. Genau das war es, was dieses Konzert noch ein Stück weit mehr zu etwas Besonderem machte. So konnte auch die Technik, die zwischenzeitlich kurz nicht mehr mitspielen wollte, die Harmonie, die auf der Bühne herrschte, nicht stören. Witzige Moderationen und Neckereien zwischen den beiden lockerten das fein abgestimmte Programm zusätzlich auf.
Die Mischung zwischen den Songs, die eigentlich bei keinem Konzert fehlen dürfen und denen, die zwar bekannt sind, aber nicht so häufig gespielt werden, passte perfekt. Hier wurde wieder einmal mehr als deutlich klar, warum Mark Seibert und Sabrina Weckerlin zu den Top-Stars der Musical-Szene gehören. Gleich ob bei Balladen, die eindeutig zu den Stärken der beiden gehören, aber auch den Up-Tempo-Songs, es ist durchweg ein Genuss den beiden zuzuhören.
Unterstrichen wurden die grandiosen Stimmen ebenfalls dadurch, dass an diesem Abend auf ein großes Orchester verzichtet wurde. Hier bestätigte sich wieder einmal der Satz „Weniger ist an manchen Stellen einfach mehr“, was auch das Publikum sehr zu schätzen wusste. Mehr als einmal schafften es die beiden Künstler die Anwesenden in eine andere Welt zu entführen. Mit Sabrina Weckerlins „Kilmarnock“ aus dem „Medicus“ reiste man mit ihr nach Irland und sah die weiten grünen Wiesen vor dem geistigen Auge auftauchen, gleichermaßen fühlte man mit Mark Seiberts Jean Valejean aus „Les Misérables“, der Gott mit „Bring him home“ anflehte seinen künftigen Schwiegersohn vor dem Tode auf dem Feld zu bewahren oder litt mit seinem Gerold aus „Die Päpstin“ der seine große Liebe Johanna in „Ein Traum ohne Anfang und Ende“ verloren glaubte.
Durch die enorme Bühnenpräsenz der beiden Protagonisten fast in den Hintergrund gedrängt, jedoch nicht weniger grandios war Bernd Steixner, der am Klavier die einzige musikalische Begleitung darstellte. Auch Steixner hat einen Bezug zum Theater St. Gallen. Dort ist er normalerweise als Musical Dirigent und musikalischer Leiter eher auf der anderen Seite des Orchesters zu finden, als selbst in die Tasten zu greifen, aber auch diese Aufgabe meisterte er mit Bravour. Anders als im Musical besungen hatte dieser traumhafte Abend jedoch leider ein Ende; allerdings nicht bevor das begeisterte Publikum die Stars des Abends mit verdienten Standing Ovations und fast nicht enden wollendem Applaus belohnte und in einem waren sich die Anwesenden sofort einig: Jederzeit wieder!