Sommer = Festivalzeit. Das hat sich auch der Admiralspalast in Berlin gedacht und in diesem Jahr zum ersten Mal zum SOFA, dem Sommerfestival im Admiralspalast, geladen. Den Auftakt zu dieser bunten sommerlichen Unterhaltungsrunde machen dabei Rotkäppchen und ihre Freunde. Ein Stück für Kinder? Weit gefehlt. Grimm! erzählt die wahre Geschichte von dem, was dort im Wald passiert ist und lehrt dabei eine wichtige Lektion über Themen, die aktueller sind denn je.
Geschrieben von Thomas Zaufke (Musik) und Peter Lund (Liedtexte), erzählt Grimm! die neueste Version des altbekannten Märchens von Rotkäppchen und seinen Freunden. Wir alle habe es, genau wie die Dorfbewohner, gelernt: Der Wald ist gefährlich, denn dort lebt der große böse Wolf. Alle Dorfbewohner erzählen Dorothea (Devi-Ananda Dahm), von allen sehr zu ihrem Widerwillen Rotkäppchen genannt, die gleichen Schauergeschichten. Mutter Geiß (Katharina Beatrice Hierl) und ihre sieben Geißlein (Anastasia Troska), die drei Schweinchen (Jasmin Eberl, Dennis Hupka, Markus Fetter) und Hofhund Sultan (Michael Dixon), sie alle haben schlechte Erfahrungen gemacht und wollen Dorothea davon abhalten, in den Wald zu gehen. Dorothea will an die Schauermärchen jedoch nicht so recht glauben. Eines Tages schleicht sie sich vorbei an ihrem besten Freund, dem Jäger Rex (Anthony Curtis Kirby), in den Wald. Und wie sollte es auch anders sein, trifft sie auch den großen bösen Wolf Grimm (Dennis Weißert), der als Aussteiger im Wald lebt. Nachdem seine Eltern von Menschen umgebracht wurden, lebt er im Wald und wurde dort von Oma Eule (Holger Off), einer ehemaligen Dorfbewohnerin, großgezogen. Rotkäppchen und Grimm fühlen sich zueinander hingezogen. Was er jedoch nicht realisiert ist, dass Dorothea ein Mensch ist und Menschen hasst er doch wie die Pest. Zum Entsetzen seiner einzigen Freundin Wildschwein Schweinchen Wild (Kiara Brunken), überredet Dorothea Grimm mit ihr ins Dorf zu kommen. Dort sehen jedoch einige der Bewohner die Dorfidylle bedroht und versuchen, Grimm als das darzustellen was er vermeidlich ist, ein großer böser Wolf.
Zaufke und Lund erzählen mit ihrer Geschichte um die Märchenfiguren und Tiere aus Dorf und Wald eine eingängige Geschichte, die mehr kennt als schwarz und weiß, Gut und Böse. Die Geschichte stellt die Akzeptanz aller und das friedliche Miteinander auf spielerische Weise in den Mittelpunkt. Demokratie, freie Liebe, Hassgefühle, alles sind aktuelle Themen, die das Stück aufgreift. Das Stück, welches 2014 in Graz seine Premiere feierte, scheint heute aktueller denn je. In Berlin beim SOFA feiert Grimm! bereits seine Wiederaufnahme-Premiere. 2015 hatten die Studenten der Universität der Künste das Musical bereits an der Neuköllner Oper auf die Bühne gebracht. Viele von ihnen stehen auch jetzt wieder in Grimm! auf der Bühne.
Angeführt wird die Truppe von Devi-Ananda Dahm und Dennis Weißert als Dorothea und Grimm. Während Dahm die Rolle bereits 2015 gespielt hat, stand Weißert damals noch als Sultan auf der Bühne. Beide liefern in ihren Rollen eine wunderbare Darstellung. Stimmlich wie auch darstellerisch zeigen sie, dass sie schon lange nicht mehr bloß zum Nachwuchs der Sparte gehören, sondern sich in ihrem Handwerk behaupten können. Devi-Ananda Dahm, die bereits seit Kindesbeinen auf der Bühne steht und in Berlin u.a. in Next to Normal als Tochter Natalie zu sehen war, zeigt, dass ihr die Rolle der Dorothea wie auf den Leib geschrieben scheint. Sie besticht einerseits stimmlich mit ihrer klare und wunderbare Stimme, aber zeigt auch, dass sie darstellerisch sowohl das verängstigte Mädchen das durch den Wald irrt, aber auch die freche Göre, die sich gegen das Dorf auflehnt, drauf hat.
Dennis Weißert, kürzlich noch als Action in der Magdeburger West Side Story und als Hunter in [titel der show] zu sehen, zeigt sich in Grimm! von einer anderen Seite. Sowohl der große böse und ein wenig draufgängerische Wolf, wie auch der anschmiegsame und fast schon handzahme Grimm stehen ihm gut zu Gesicht. Optisch macht er einiges her, wenn er durch den „Wald“ klettert und auch stimmlich kann er mit seiner Partnerin mithalten.
Auch Rex Darsteller Anthony Curtis Kirby ist dem Berliner Publikum bereits aus Next to Normal bekannt, wo er als Henry auf der Bühne stand. Weitere Engagements führten ihn nach Magdeburg und Potsdam, wo er als Jacob in Ein Käfig voller Narren zu sehen war. Seine Rolle in der Tour von Daddy Cool führte ihn zudem quer durch Deutschland. In Grimm! ist er nun erneut als Rex, Jäger des Dorfes und bester Freund von Dorothea, zu sehen. Kirby stellt großartig die Zerrissenheit zwischen seiner Treue zum Dorf und der zu seiner besten Freundin da. Er spielt die Zweifel von Rex, als Schweinchen Schlau ihn in seine Intrige gegen Grimm verwickeln will, fantastisch heraus und zeigt auch, dass er gesanglich mit seinen Kollegen mithalten kann.
Markus Fetter, Jasmin Eberl und Dennis Hupka sind in dieser Spielzeit als die drei Schweinchen Schlau, Dicklinde und Didi zu sehen. Alle drei zeigen sich besonders im Schauspiel unglaublich stark und spielen ideal die einzelnen Facetten ihrer Charaktere heraus. Ähnlich stark, zeigt sich Katharina Beatrice Hierl als Gisela Geiß. Als alleinerziehende Mutter der sieben (oder waren es doch bloß sechs?) Geißlein, spielt sie die Rolle wunderbar schnodderig und mit unvergleichlichem Dialekt und zeigt, dass es auch im Märchenland nicht einfach ist alleinerziehend zu sein.
Etwas ins Hintertreffen gerät Anastasia Troska. In der Rolle der Puppenspielerin für die Geißlein bleibt ihr wenig Zeit, um zu zeigen, wie gut sie spielt. Man würde sich daher für sie eine größere Rolle wünschen. Kiara Brunken als Scheinchen Wild kann sich voll ausleben. Die schnodderige Art, die sie an den Tag legt, passt ideal zur Rolle des Wildschweins, wie man es sich vorstellt. Aber auch Brunken gelingt es, die weiche und empfindsame Seite der Rolle herauszuspielen.
Neben den Absolventen der Universität der Künste, stehen auch zwei Professoren mit auf der Bühne. Als Hofhund Sultan und Oma Eule begeistern auch Michael Dixon und Holger Off das Publikum. Michael Dixon passt wunderbar in die Rolle des Sultan, so wird deutlich, dass der Hofhund bereits seine besten Tage hinter sich hat. Dennoch tritt Dixon stolz und bestimmt auf, wenn sich zeigt, dass Sultan der Bürgermeister des Dorfes ist und sich immer noch gegen Störenfriede wie Schweinchen Schlau behaupten kann. Holger Off als Oma Eule erntet wohl die meisten Lacher des Abends, was auch damit zusammenhängen mag, dass er in einer Frauenrolle auf der Bühne steht. Der Darsteller, bekannt aus seiner Rolle bei den Comedian Harmonists, lässt sich jedoch davon nicht stören, dass fast jeder seiner Auftritte durch Lachen aus dem Publikum begleitet wird. In seiner Rolle zeigt er sich in einer Mischung aus Erklär-Eule und mahnender Instanz, was ihm gut zu Gesicht steht.
Begleitet wird das Ensemble von einer Band unter der Leitung von Hans-Peter Kirchberg. Die kleine aber feine Gruppe von Musikern begleitet die Darsteller gekonnt den ganzen Abend hindurch und wird zum Schluss, genau wie die Darsteller, mit einem wohl verdienten Applaus gefeiert.