Sekretärinnen – Von Klischees, Klassikern und Klamauk

Sekretärinnen bei der „Arbeit“ (c) Landesbühne Nord

Was ist eigentlich los im Büro-Olymp, wenn die Sekretärinnen unter sich sind? Der Liederabend von Franz Wittenbrink betrachtet genau dies und bedient sich dabei aller gängigen Klischees, die wohl jeder über Sekretärinnen hat.

Sechs Frauen, die unterschiedlicher nicht sein könnten, klagen der Welt ihr Leid, zeigen was abgeht und haben dabei immer ein lockeres Liedchen auf den Lippen. Unterbrochen wird ihr Alltag nur, wenn – oh schreck – der Chef ruft und Arbeit droht, oder aber zu erfreulichen Anlässen, wie den Besuchen der straken Männer von der IT und der Haustechnik. Lieder wie von den Fantastischen Vier („Zu geil für diese Welt“) bis hin zu 50er Jahre Schmachthits wie „Ein Schiff wird kommen“, untermalen die Leiden, das Chaos und das Aufbegehren der sechs heiteren Damen an diesem Abend im Stadttheater Wilhelmshaven.

Begleitet von Pianist Hans-Jürgen Osmers, der bei seinem Auftritt für den zweiten Teil des Abends berechtigten Applaus erntet, laufen die Sekretärinnen zu ungeahnter Form auf. Um jedoch zuerst bei den Herren des Abends zu bleiben, muss sowohl die Leistung von Emanuel Jessel als Bürobote und IT-Fachmann, als auch die des stummen Haustechnikers Stephan Kremke, im Programm lediglich als „der Mann“ betitelt, hervorgehoben werden. In diesem sonst reinen Frauenstück, weiß Jessel sich in seinen kurzen Auftritten gegen die Ladys zu behaupten und erntet für seine Interpretation von „Se bastasse una canzone“ und „This is a man’s world“ großen Applaus. Bei Jessels Gegenstück aus der Haustechnik bleibt die Frage offen, ob es eine dankbare Rolle ist, die ihm zukommt. Kremke, der tatsächlich zur Bühnentechniker Crew des Hauses gehört, erfreut sich mit seinen stummen Auftritten, jedoch nicht nur bei den Damen auf der Bühne, wachsender Beliebtheit und wird spätestens dann zum Helden des Abends, als er sich das hautenge weiße T-Shirt vom Leib reißt.

Die hauptsächliche Arbeit des Abends bleibt jedoch an den Damen hängen. Unter der Führung der strengen, aber wie bei allen namenlosen, Chefsekretärin, gespielt von Johanna Kröner, holen die Damen das letzte bisschen Leidenschaft aus sich heraus und hüllen Klassiker und Popsongs in ein neues Gewand. Kröner hat ihren großen Auftritt mit Hildegard Knefs „Für dich soll’s rote Rosen regnen“, auch wenn es bei den Sekretärinnen natürlich stillecht rote Kugelschreiber regnet. Stimmlich und darstellerisch zeigt sie, dass sie es ist, die den Laden im Griff hat und mit Trillerpfeife für Zucht und Ordnung sorgt. In manchen Momenten wird jedoch deutlich, dass auch sie eine weiche Seite hat und gerne dabei ist, wenn der Prosecco rausgeholt oder gelästert wird.

Die Sekretärinnen und ihr IT Fachmann (c) Landesbühne Nord

Für die meisten Lacher des Abends sorgt wohl Stephanie Braune. Spätestens als sie eine Gurke rausholt und diese auf der Bühne genüsslich als Snack vertilgt, sind ihr die Lacher sicher. Ihre Sehnsucht nach dem „einen“ wird sowohl in ihrer Sucht nach Heftromanen, als auch in ihrem Schmachten gegenüber IT-Mitarbeiter Emanuel Jessel deutlich. Als Braune in Jessels Armen liegt, hofft man, dass sie ihr Glück bei ihm finden, aber zu mindestens vorerst bleibt ihre Liebe glücklos.

Anna Gesewsky, auch bekannt als Sekretärin 4, zeigt, dass sie nicht das Mauerblümchen ist, für das alle sie auf den ersten Blick halten. Ihr gekonntes Schauspiel zeigt großartig die zwei Seiten des Charakters. Einerseits die liebe Kollegin, die von allen gemocht werden will, die aber andererseits kleptomanisch veranlagt ist.

Mauerblümchen und Chefliebling Ramona Marx, zeigt besonders in der zweiten Hälfte des Abends, dass sie auch anders kann. Als sie am Ende trotz hochgeschlossenem Kleid auf der Bühne einen Spagat hinlegt, ist ihr die Ehrfurcht des Publikums sicher.

Im Hinblick auf Körperbeherrschung und Tanz zeigt sich Jördis Wölk als Star des Abends. Mag sie auch gesanglich etwas hinter einiger ihrer Kolleginnen zurückbleiben, zeigt sie, dass sie weiß wie sie ihren Körper bewegen muss. Spätestens als sie vom Chef „Respect“ einfordert, wird sie zum umjubelten Star der Damenrunde.

Während Wölk im Tanz begeistert, ist es Miriam Liegner, die stimmlich am meisten zu überzeugen weiß. Während ihre Rolle ihr schauspielerisch nur das „dumme Blondchen“ zugesteht, kann sie stimmlich, egal ob mit Duffys „Mercy“ oder mit „Diamonds are a girls best friend“ überzeugen.

Alles in allem hat sich hier an der Landesbühne Niedersachsen Nord eine Sekretärinnen Riege der Extraklasse gefunden. Auch wenn das Stück zwischendurch immer wieder stark auf Klamauk setzt und ein wenig an rotem Faden vermissen lässt, holen die Darsteller das beste aus dem Stoff heraus. Die Inszenierung unter der Regie von Stefan Hossfeld, der sich auch für die Choreografie verantwortlich zeigt, ausgestattet von Cornelia Brey (Bühne) und dem Duo Hossfeld und Manuela Dillwitz (Kostüme), kann trotz kleiner Schwächen sein Publikum begeistern und reißt das Publikum beim abschließenden Applaus mehrfach von den Stühlen.