Hör auf dein Herz – Liebe stirbt nie in Hamburg

Liebe stirbt nie – ein Stück, welches die Musicalfangemeinde spaltet, wie wohl kaum ein zweites. Entweder man liebt es oder man hasst es. Wir zählen uns ganz klar zur ersteren Kategorie, wenn auch wir zugeben müssen, dass Andrew Lloyd Weber wohl schon größere Sternstunden hatte, was das Inhaltliche eines Stückes anbelangt.

In ‚Liebe stirbt nie‘ wird der Zuschauer nach Coney Island entführt. Phantasma, die Show des mysteriösen Mr. Y, wartet auf mit allem Skurrilen, was die Welt zu bieten hat. Star der Show ist Meg Giry (Maria Danaé Bansen), während Madame Giry immer noch hinter der Bühne die Fäden zieht und für Ordnung und Disziplin sorgt. Mr. Y, hinter dem sich niemand anderes als das Phantom verbirgt, ist jedoch zehn Jahre nach den Geschehnissen in Paris immer noch unglücklich und verzweifelt. Er sehnt sich nach „seiner“ Christine. Diese hat inzwischen nicht nur Raoul Vicomte de Changy geheiratet und einen Sohn, Gustave, bekommen – Nein, sie ist auch zum Weltstar avanciert. Dies entgeht natürlich auch dem Phantom nicht und er lockt sie mit einer List nach Phantasma. So nimmt das Schicksal, der uns schon aus dem Phantom der Oper bekannten Charaktere, seinen Lauf. Beeinflusst wird dies immer wieder durch das Trio, bestehend aus Gangle (großartig dargestellt von Jak Allen-Anderson), dem Zeremonienmeister von Phantasma, Fleck (Lauren Barrand) und Squelch (Paul Talbone). Die drei dienen dem Phantom und sind immer zur Stelle, wenn der Zuschauer an die Hand genommen und durch das Stück geführt werden will. So auch bei Christines Ankunft auf Coney Island. Auch ihr und Raoul wird schnell klar, dass hier etwas nicht mit rechten Dingen zugeht und während Raoul noch im Dunkeln tappt, offenbart sich das Phantom seiner geliebten Christine und bittet sie, noch einmal für ihn zu singen und sich zugleich wieder seiner Liebe hinzugeben. Dem Zuschauer wird beim Duett beider, in dem sie die Geschehnisse „In rabenschwarzer Nacht“ besingen, klar, dass mehr passiert sein muss, als der Phantomkenner ahnt. Auch dem Phantom wird klar, dass die gemeinsame Nacht nicht ohne Folgen war, als er schließlich Gustave singen hört. Der Junge hat sein Talent von Mutter und Vater geerbt und hört, genau wie das Phantom, die Musik in sich. Die Angst vor seinem Aussehen verhindert jedoch, dass die Familie zusammenfindet und so folgt, was kommen musste – der Show-Down zwischen Raoul und dem Phantom. Die beiden treffen eine Verabredung, singt Christine, das Lied, welches das Phantom für sie komponiert hat, ist es Raoul der verliert und untergeht. Innerlich zerrissen steht sie schließlich auf der Bühne und verzaubert nicht nur das Phantom mit ihrer Interpretation vom titelgebenden Lied „Liebe stirbt nie“. Aber wir säßen nicht im einem Stück von Andrew Lloyd Weber, gäbe es ein Happy End. Und so wird noch einmal eine Schippe Drama draufgelegt. Bis am Ende die Erkenntnis steht, dass Äußerlichkeiten nur eine Fassade sind und man auf sein Herz hören muss.

Mit dem Isländer Garðar Thór Cortes als Phantom ist Stage Entertainment hier ein Meisterstück gelungen. Auch wenn er dem deutschen Publikum noch unbekannt ist und zu Beginn Probleme in der Aussprache des zugegeben zungenbrecherischen Textes bestanden, scheint Cortes inzwischen in der Rolle angekommen. Der Tenor legt die nötige Zerrissenheit und Verzweiflung in die Rolle und weiß das Publikum, sowohl in seinen Soli als auch im Zusammenspiel mit seiner geliebten Christine, zu beeindrucken. Nicht minder stimmgewaltig wird diese in der Vorstellung von Milica Jovanovic dargestellt. Die gebürtige Deutsch-Serbin, welche die Rolle der Christine bereits in der konzertanten Aufführung des Stückes in Wien darstellte und in Hamburg seit März als Walk-in Cover für die Rolle der Christine fungiert, meistert problemlos alle Eigenheiten der Rolle. Während die Hauptdarstellerin und ausgebildete Opernsängerin Rachel Anne Moore in den höheren Passagen der Lieder teilweise schwierig zu verstehen war, trägt Jovanovics klare und gleichzeitig sanfte Stimme selbst schwierigste Textpassagen problemlos und verständlich vor.

Neben dem buntgemischten, stimmgewaltigen Ensemble ist zudem die Leistung von Masha Karell nennenswert. Ihre Darstellung der Madame Giry zeichnet sich durch trockenen Humor sowie die nötige Strenge ebenso wie eine Stimmgewalt aus, die andere neben ihr verblassen lässt. Schwede Mathias Edenborn, neben Cortes auch als Phantom zu sehen, scheint in der Rolle des Vicomte de Chagny, normalerweise dargestellt durch Yngve Gasoy-Romdal, besser aufgehoben, als in seiner Verkörperung des Phantoms, auch wenn die Schauspielpassagen bei ihm zum Teil noch etwas abgehackt und nicht fließend genug wirken. Im Duell zwischen dem Phantom und Raoul „Wer verliert, geht unter“, zieht er klar den Kürzeren, während er im Quartett mit den drei Damen bei „Unser Wiedersehen“ durchaus behaupten kann.

(c) Lena Gronewold
(c) Lena Gronewold

Zusammenfassend bleibt zu sagen, dass die Hamburger Inszenierung des Lloyd Webber Stückes trotz kleinerer Schwächen gelungen scheint. Während der geneigte Fan dem Stück sicherlich etwa kritischer gegenüberstehen wird, bietet sich hier für jeden, der 2,5 Stunden ein buntes Spektakel genießen will, sicher eine gute Möglichkeit.