Katharine Mehrling ist ein Phänomen, das weiß jeder, der sie einmal live erleben durfte. Mit Eleganz, Humor und einer Prise Melancholie begeistert sie ihr Publikum, das von der Musiscaldarstellerin mit der umwerfenden Stimme einfach nicht genug bekommt. Im Interview sprachen wir mit der symphatischen Sängerin über ihr neues Programm, berühmte Frauen und natürlich die Liebe zum Chanson.
MaybeMusical: Frau Mehrling, Sie sind im deutschsprachigen Raum vor allem als Musicaldarstellerin bekannt und sowohl in Berlin als auch Castrop-Rauxel* ein gefeierter Star. Jetzt haben Sie den Schritt nach New York gewagt. Wie kam es dazu?
Katharine Mehrling: Ende der 90er hab ich für ein halbes Jahr in New York gelebt und am Lee Strasberg Institute studiert. Das war eine aufregende Zeit. Tagsüber probierte ich die „Method“ aus und abends sang ich oft in Jazz Clubs. Spontane, improvisierte Jazz Jam Sessions. Schon damals kam in mir der Wunsch auf, mir ein Publikum in NY zu erobern, aber ich hab das nicht weiter verfolgt, war auch in Deutschland zu beschäftigt. Vor 2 Jahren kam mich mein lieber Freund Marc Schubring in der Bar jeder Vernunft besuchen. Ich spielte gerade mein Programm „Mehrling au Bar“ und er brachte einen befreundeten Broadway Produzenten mit. Der war so begeistert, daß er sofort am nächsten Tag im Public Theatre anrief, daraufhin wurden mir 2 Konzerte in Joe’s Pub angeboten. Ein sehr renommierter, cooler Club im East Village, wo schon Adele und Ute Lemper aufgetreten sind. Allerdings hatte ich den hochkomplizierten „work visa“ Prozess unterschätzt, der mich viele Nerven, Zeit und Geld gekostet hat. Beim 2. Anlauf hat es dann geklappt mit dem Visum und das Konzert war ein unvergessenes Erlebnis. Die Reaktion des Publikums hat mich schier umgehauen. Definitiv eines der Highlights meiner Karriere.
MaybeMusical: Ihr neues Programm ist sehr persönlich und erzählt vor allem auch einen Teil ihrer Lebensgeschichte. Wollten Sie das Programm von Anfang in dieser Weise gestalten oder hat sich das im Entstehungsprozess ergeben?
Katharine Mehrling: Es ist immer ein Prozess. Ich möchte Geschichten erzählen, die berühren und mich haben die unterschiedlichen Lebensgeschichten von Künstlerinnen berührt, die weder am richtigen Ort noch zur richtigen Zeit lebten, um mit ihrer Kunst mehr Menschen erreichen zu können, die viele Schläge vom Leben abbekommen haben, aber nie aufgegeben haben. Dazu gehört auch meine Mutter, die sich damals Grit von Osthe nannte und in den 60-er Jahren Chanson Platten veröffentlichte mit frivolen Texten. Auch das Thema Vergänglichkeit spielt eine Rolle, daher der Titel des Programms „vive la vie“, lebe das Leben im hier und jetzt, ganz bewusst mit jeder Faser, benutze dein Herz und beschütze es nicht vor Verletzungen und Enttäuschungen. Es gehört alles dazu. Am Ende meines Abends singe ich ein Dankeschön ans Leben „gracias a la vida“ von der chilenischen Poetin Violetta Parra und jamme wild mit meiner Jazzband. Das ist für mich Lebensfreude pur.
MaybeMusical: Sie feiern mit diesem Programm das Frausein in all seinen Facetten und singen von Piaf, Inge Brandenburg und Madonna. In einem Interview haben Sie verraten, dass Sie bereits Liza Minelli getroffen haben. Gibt es noch andere bedeutende Frauen, die Sie gern getroffen hätten oder gern treffen würden?
Katharine Mehrling: Ich hatte das Glück auch Shirley Maclaine zu begegnen, als ich Irma la Douce gespielt habe. Eine tolle Schauspielerin und Schriftstellerin, die mich sehr inspiriert. Auch
mit Hanna Schygulla hatte ich gute Gespräche in Paris. Das sind Frauen, von denen man viel lernen kann. Hanna hat Kultfilme gedreht und mit den spannendsten Regisseuren gearbeitet und schaut nie zurück, immer nach vorn, lässt sich nicht von ihrer Vergangenheit blenden. Klar, würde ich gern mal einen Abend mit Madonna verbringen oder Viola Davis, Oprah Winfrey, Michelle Obama, Barbra Streisand, Elisabeth Gilbert, ..
Auch Frauen, die nicht mehr leben? Frida Kahlo, Eva Peron, Simone de Beauvoir, Marlene Dietrich, Sarah Bernard, Marilyn Monroe, Rosa Luxemburg, Isadora Duncan, Chavela Vargas, Romy Schneider, Marta Hari, Golda Meir, Leni Riefenstahl, Lotte Lenya …und natürlich Edith Piaf.
MaybeMusical: Sie sprechen in Ihren Konzerten auch immer wieder Ihre besondere Faszination zu Edith Piaf an. Wenn Sie Piaf heute treffen könnten, was würden Sie ihr sagen?
Katharine Mehrling: Ich würde erst mal ne Flasche Bordeaux aufmachen und sie mit Piaf leeren und ihr dann sagen: lass das Trinken sein und pass auf dich auf! Ich würde mit ihr über die Liebe reden und singend durch die nächtlichen Straßen von Paris ziehen. Ich glaube, wir hätten viel zu lachen und viele emotionale Themen. Ich würde ihr sagen, daß sie tief in mein Herz und meine Seele gedrungen ist und da immer ihren Platz haben wird. Dass sie mich nach all den Jahren noch immer inspiriert und berührt. Danke für diese Stimme, die aus dem Abgrund einer Seele kommt und damit andere Seelen berührt.
Danke für die Chansons. Merci Edith!
MaybeMusical: Sie haben sehr viele real existierende Frauenpersönlichkeiten gespielt, man denkt nur an Eva Peron, Edith Piaf und vor einiger Zeit erst die legendäre Judy Garland. Orientieren Sie sich mit Ihrer Darstellung am Original oder finden Sie für jede Rollen ihren ganz eigenen Weg?
Katharine Mehrling: Ich beschäftige mich intensiv mit den Frauen, um sie zu verstehen. Lerne sie zu lieben, auch wenn ich im Falle von Eva Peron mit vielen Dingen, die sie getan hat nicht einverstanden bin. Aber ich will sie verstehen. Was hat sie zu der Frau werden lassen, die ich spiele? Letztendlich stehe ich mit meinem Körper und meiner Seele auf der Bühne, mit all meinen Gefühlen, mit meinem Leben. Wir tragen alle alles in uns: Wut, Hass, Liebe, Empathie, ….. Das im richtigen Moment zu aktivieren, hat viel mit Erfahrung zu tun und man sollte keine Angst davor haben Schmerz zuzulassen. Raus aus der Komfort Zone, Risiken eingehen und auch gerne mal hinfallen oder eben fliegen. Ist auf jeden Fall spannender, als sich immer in Sicherheit zu wiegen.
Mich interessiert die Geschichte zwischen den Zeilen, das Unausgesprochene, das ganze Leben, das immer mitschwingt. Auch wenn der Zuschauer das nicht sieht, er spürt es.
MaybeMusical: Sie haben bereits in Victor / Victoria gespielt, einem Stück, in dem eine Frau sich als Mann ausgibt, welcher sich als Frau ausgibt. Wenn Sie in eine männliche Rolle schlüpfen könnten, welche wäre das?
Katharine Mehrling: Hamlet
MaybeMusical: Sie spielen gerade die Eliza Doolittle in „My Fair Lady“ an der Komischen Oper Berlin. Gibt es schon Gespräche für neue Engagements, auf die wir uns freuen dürfen und kehren Sie vielleicht für eine Produktion nach Dresden zurück?
Katharine Mehrling: Ja, 2019 werde ich wieder in einer Musicalproduktion auf der Bühne stehen, in meiner Lieblingsrolle. Es gibt ein Angebot aus Dresden, aber ich weiß noch nicht ob das realisierbar ist.
MaybeMusical: Die großen Bühnen oder eher die kleinen Clubs und Bars – Wo treten Sie am liebsten auf?
Katharine Mehrling: Beides. Ich liebe die Intimität und die Nähe zum Publikum in kleineren Venues. Genieße es aber auch sehr auf der Bühne der Komischen Oper zu stehen.
MaybeMusical: Schallplatte, CD oder digital – Wie hören Sie am liebsten Musik? Und was hören Sie dann?
Katharine Mehrling: Vinyl. Ich mag das knisternde Geräusch, wenn der Diamant auf die Platte aufsetzt. Das führt mich in eine andere Welt.
MaybeMusical: Bereits 2014 ist mit „Piaf au Bar“ ihre letzte CD erschienen. Wann können wir uns dann wieder mal über eine Veröffentlichung von Ihnen freuen, vielleicht dann auch wieder mit eigenen Kompositionen? Ist da schon etwas in Planung, was Sie uns verraten dürfen?
Katharine Mehrling: 2019 wird es eine Konzertaufzeichnung auf DVD geben, von meinem „Piaf au Bar“ Abend, live aus der Bar jeder Vernunft. Und ich arbeite an einem neuen Album mit eigenen Songs. Damit lass ich mir allerdings Zeit, bis ich zufrieden bin …. das kann schon eine Weile dauern 😉 Im Mai spiele ich noch mal mein Programm in der Bar jeder Vernunft „vive la vie“.
– Julia Kurze & Matthias Neumann
*Ein kleiner Scherz der Redaktion, die das Lied besonders liebt. 😉
Danke! Eine ironische, aber liebevolle Hommage an unseren Beruf. Ich finde, das sollte die Musicalhymne Deutschlands werden.