Anatevka, ein kleines russisches Dorf kurz nach Beginn des 20. Jahrhunderts. Hier wird Tradition unter den zu meist jüdischen Dorfbewohnern noch groß geschrieben. Milchbauer Tevje (Christoph Sommer) ist einer von ihnen. Genau wie der Rest des Dorfes lässt er sich nicht von Armut und Leid unterkriegen, sondern versucht mit Glaube und Humor die Traditionen seines Volke aufrecht zu erhalten.
Steine in den Weg gelegt bekommt er dabei jedoch von seinen drei Ältesten Töchtern. Während ihre Mutter Golde (Ramona Marx) versucht, die Mädchen mit Hilfe der Heiratsvermittlerin Jente (Sibylle Hellmann) an den Ehemann zu bringen, so haben die drei ganz andere Pläne. Zeitel (Nina-Mercedés Rühl), die älteste, hat sich heimlich mit Mottel (Stefan Faupel), dem Schneider aus der Nachbarschaft, verlobt, während sich Hodel (Steffi Baur) in Perchik (Robert Zimmermann), einen Studenten aus Kiev, verliebt. Tevje kann diese beiden Verbindungen, wenn auch mit großer Sorge und viel hin und her, akzeptieren, aber Chava (Rebecca Junghans) macht ihm am meisten Sorgen. Sie hat sich in den jungen Russen Fedja (Jeffrey von Laun) verliebt. Das schlimmste für ihren Vater? Er ist kein Jude, sondern Christ. Er verweigert ihnen die Zustimmung zur Ehe und Chava verlässt das elterliche Haus, um mit Fedja fortzulaufen und ihn zu heiraten. Zu einer erneuten Annäherung von Vater und Tochter kommt es erst, als russische Truppen auf Befehl des Zaren das Dorf räumen lassen. So kommt es zur Auflösung von Anatevka und seine Bewohner suchen auf anderen Flecken der Welt ihr Glück.
Seit seiner Uraufführung am Broadway im Jahr 1964 hat sich Anatevka zu einem der Klassiker in der Musicalbranche gemacht. So ist es kaum verwunderlich, dass auch die Landesbühne Wilhelmshaven den Klassiker auf die Bühne bringt und sein Publikum mit der Musik von Jerry Bock verzaubert. Unter der Regie von Intendant Olaf Strieb erschafft das gesamte Team der Landesbühne einen unterhaltsamen und kurzweiligen Theaterabend, der Lust auf mehr macht. Nicht nur Strieb und seine Darsteller sind allesamt hervorragend, auch die Band unter der Leitung von Simon Kasper, die geschickt in das Bühnenbild von Herbert Buckmiller integriert ist, bietet wunderbare Unterhaltung. Besonders hervorzuheben ist hier Ayumi Tovazz, die mit ihrer Violine sowohl den ersten als auch den letzten Auftritt des Abends hat, eben als titelgebender „Fiddler“ auf dem Dach.
Unter den hervorragenden Darstellern ist insbesondere Christoph Sommer als Tevje hervorzuheben. Obwohl er quasi durchgehend auf der Bühne ist, lässt sein Spiel keine Sekunde lang nach und es ist eine Freude, ihm zuzuhören und zu sehen. Er lässt den jüdischen Vater, der zwar die Traditionen liebt, seine Töchter aber eben noch etwas mehr, in charmanter, komödiantischer Art und Weise, lebendig werden.
Zusammenfassend bleibt zu sagen, dass es der Landesbühne gelungen ist, einen Musicalklassiker abzustauben und in einer wunderbaren Inszenierung auf die Bühne zu bringen. Einziger Wehrmutstropfen des Abends bleibt die Frage: Weshalb war in einem gelungenen Klassiker eine moderne und leicht verdrehte Albtraumszene nötig?
Wer sich selber ein Bild vom Stück machen will hat in Wilhelmshaven, wie auch im Spielgebiet unter 2G Bedingungen die Möglichkeit dazu. Alle Infos zu Spielterminen gibt es hier.